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12.10.18 / Sie quirlt das mit links zusammen / Eine Grande Dame des deutschsprachigen Fernsehens wird 80 Jahre alt – Auf allen Kanälen wird Christiane Hörbiger gefeiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-18 vom 12. Oktober 2018

Sie quirlt das mit links zusammen
Eine Grande Dame des deutschsprachigen Fernsehens wird 80 Jahre alt – Auf allen Kanälen wird Christiane Hörbiger gefeiert
Anne Martin

Sie ist eine Ikone des deutschen Films: Christiane Hörbiger. Am 13. Oktober wird sie 80. ARD und ZDF feiern das ausgiebig.

Da rührt eine Mutter, die gerade erfahren hat, dass ihr Sohn ein Psychopath ist, in einer Schüssel Rührei zusammen. Der Sohn wartet im Nebenzimmer, und sie fürchtet den Moment, wenn sie mit den fertigen Pfannkuchen aus der Küche kommt. 

Also rührt sie weiter, immer fahriger, immer panischer. Klappert mit dem Quirl, um den Ausbruch des Wahnsinns, der sie selber treffen könnte, hinauszuzögern. Woran erkennt man große Schauspieler? Vielleicht an Szenen wie dieser, wo hinter einer profanen Handlung angststarres Entsetzen lauert. Österreichs Grande Dame macht sowas mit links. Das deutsche Fernsehen rollt ihr dafür nun zum runden Jahrestag den roten Teppich aus: Das Erste huldigt ihr mit einer Komödie („Einmal Sohn, immer Sohn“, 12. Oktober, 20.15 Uhr) und das ZDF mit einem satirischen Krimi, inszeniert von ihrem Sohn Sascha Bigler („Die Muse des Mörders“, 8.10., 20.15 Uhr ). 

In beiden Filmen gibt sie eine egozentrische Mutter, die ihre eigene Karriere vorangetrieben und den Spross darüber vernachlässigt hat. In der Komödie ist Hörbiger die abgedankte Chefin eines feministischen Magazins, die sich an dem vergangenen Ruhm klammert und den Sohn für seine bescheidene Architekten-Karriere und sein konventionelles Familienleben verachtet. Beim ZDF mimt sie eine erfolglose Krimi-Autorin, die Morgenluft wittert, als plötzlich nach den Drehbüchern ihrer Romane Morde verübt werden. 

Typisch Hörbiger, dass beide Filme mit einer versöhnlichen Pointe enden: Die Magazin-Macherin, eine mondäne Variante der Alice Schwarzer, sieht ein, dass ihr Sohn sein eigenes Leben hat, auch wenn der Glamour fehlt. Ähnlich beim ZDF: Aus der eitlen Autorin mit dem exzentrischen Künstlernamen Madelaine Montana bricht die Mutter hervor, die ihr so grässlich verirrtes Kind bis zuletzt noch umklammert.  

Das Happy End ist quasi ein Entgegenkommen: Nichts gegen Wagnisse, aber die Zuschauer sollen ihr bittschön gewogen bleiben. „Ich wollte nie ein Publikumsliebling sein, aber dass die Leute sagen, bitte machen Sie weiter, das war mir sehr wichtig“, sagte sie vor zehn Jahren. Und so machte sie weiter, ungezählte Theater- und Filmrollen lang. In den 80er Jahren ist sie 40 Folgen lang die hoheitsvolle Gräfin in „Das Erbe der Guldenburgs“, zehn Jahre später die patente Bezirksrichterin in „Julia – eine ungewöhnliche Frau“. Das Publikum fraß ihr aus der Hand. Gerade deshalb findet sie dann doch noch den Mut, die Grande Dame gelegentlich an der Garderobe abzugeben und sämtliche Bedenken gleich mit. 

Das Abenteuer des Imagewechsels beginnt 1992 mit „Schtonk“, der Satire um die gefälschten Hitlertagebücher. Sie soll eine NS-Witwe spielen, ausgerechnet sie, Tochter des Schauspieler-Ehepaares Paula Wessely und Attila Hörbiger, die beide in einem NS-Propagandafilm mitwirkten und nach Kriegsende vorübergehend Be­rufsverbot erhielten. „Ich hab mir gedacht, dann kommt die ganze Vergangenheit meiner Eltern wieder hoch.“ 

Sie machte es trotzdem, und die Szenen zwischen einer lüsternen „Freya von Hepp“ und Götz George als von sich selbst besoffenem „Stern“-Reporter geraten zur Sternstunde des deutschen Films. Von Stund an kennt sie nichts mehr: In „Mathilde liebt“ mimt sie 2005 einen Orgasmus, bleibt dabei aber züchtig bedeckt, denn Diskretion ist ihr heilig: „Die Fernsehzuschauer freuen sich auf einen Film mit mir und dem Michael Mendl, und dann sieht man alte Haut, das hätte ich nicht so gern.“ 

Mit Rollenwechseln und Herausforderungen geht es weiter. Zuletzt spielte sie etwa eine Frau, die sozial abstürzt und in der Obdachlosigkeit endet, die Hörbiger in Lumpen, mit einer Flasche Fusel am Hals („Auf der Straße“). Sie spielte eine an Alzheimer erkrankte ehemalige Firmenchefin, eine alkoholkranke Immobilienmaklerin und in „Die letzte Reise“ eine Frau, die sich den selbstbestimmten Tod ertrotzt. Ein Ende, das sie sich selbst verbietet: „Ich bin katholisch, da gilt Selbstmord als Sünde.“

Der Boden ihrer langen Karriere ist Disziplin, das hat sie mit der Muttermilch aufgesogen, Kind eines Künstlerhaushaltes, in dem erst das Theater kam, danach die drei Töchter Christiane, Maresa und Elisabeth. Die Eltern waren Superstars ihrer Zeit, beide am Wiener Burgtheater engagiert, wo sich auch Christiane später ihre Sporen verdiente. Ihr Onkel war der legendäre Wiener Nuschler Paul Hörbiger.

Pflichtbewusstsein half ihr, 1978 den frühen Tod des Ehemannes Rolf Bigler zu verkraften und den damals zehnjährigen Sohn Sascha alleine großzuziehen. Jenen Sohn, der später in den USA ausgebildet wurde und heute Regie führt: „Christiane“ nennt er sie am Set, keinesfalls „Mama“. Einziges Zugeständnis an die familiäre Nähe: „Christiane ist die einzige Kollegin, die keine Überstunden gewährt.“ 

Disziplin half ihr auch, den Tod ihres langjährigen Lebensgefährten Gerhard Tötschinger vor zwei Jahren zu überstehen. Der stattliche Mann, sieben Jahre jünger als sie, starb im Urlaub am Wörthersee an einer Lungenembolie. Seitdem sieht man Hörbiger noch gerader über rote Teppiche schreiten, um eine weitere Ehrung entgegenzunehmen. Am 22. September richtete der ORF eine Gala für sie aus, zu der sogar ihr Freund und Kollege Mario Adorf aus Paris anreiste – übertragen wird am 14. Oktober.

Danach will sie es ruhiger angehen lassen. Es gibt die beiden Schwestern, den Sohn, den zwölfjährigen Enkel Luca und die beiden Hunde, mit denen sie am ersten Todestag ihres Partners in genau das Hotel zog, in dem sie für immer Abschied nehmen musste. Vielleicht mal zwei Monate am Stück in St. Gilgen in der Sommerfrische bleiben, das wäre so ein Zukunftstraum. Ganz bestimmt aber wird sie an ihren preußischen Ritualen festhalten, den täglichen Kniebeugen, den sportlichen Gängen mit den Möpsen. Und abends als einziger Luxus ein Bier. Lauwarm, alkoholfrei. Das ist sie als Schauspielerin, die stets auf ihre Stimme achten musste, so gewohnt.