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19.10.18 / Bischöfliche Plaudertasche / Umtriebiger Chronist der Ottonen – »Thietmars Welt« in Merseburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-18 vom 19. Oktober 2018

Bischöfliche Plaudertasche
Umtriebiger Chronist der Ottonen – »Thietmars Welt« in Merseburg
Veit-Mario Thiede

Die Chronik des vor 1000 Jahren gestorbenen Bi­schofs Thietmar von Merseburg erzählt uns lebhaft vom fernen Zeitalter der Ottonen. Dem Bischof und seinem Geschichtswerk ist in der Schatzkammer des Domes und der Willi-Sitte-Galerie mit „Thietmars Welt“ eine Schau gewidmet, deren 110 Exponate die Lebens- und Glaubenswelt des 10. und frühen 11. Jahrhunderts aufscheinen lassen.

In seine Chronik hat Thietmar eine wenig schmeichelhafte Selbstbeschreibung aufgenommen: „Nun sieh dir doch den vornehmen Herren an! Da siehst du in mir ein kleines Männlein, die linke Wange und Seite entstellt, weil hier einmal eine immer noch anschwellende Fistel aufgebrochen ist. Meine in der Kindheit gebrochene Nase gibt mir ein lächerliches Aussehen. Doch über das alles würde ich gar nicht klagen, hätte ich innere Vorzüge.“ An ihr orientiert sich die 2006 in Bronze gegossene Brunnenfigur im Hof des Kreuzgangs. In der Bischofskapelle des Domes er­innert eine verwitterte Sandsteinplatte an Thietmar. 

Der 976 geborene Adelige schrieb seine in acht Bücher ge­gliederte Chronik 1012 bis 1018. Das erste Buch befasst sich mit König Heinrich I. (regierte 919 bis 936), die nächsten mit Kaiser 

Otto I. und dessen Nachfolgern Otto II. und Otto III. Die restlichen Bücher halten Geschehnisse aus der Zeit Heinrichs II. fest, der 1009 Thietmar als Bischof von Merseburg einsetzte. Hauptanliegen der Chronik ist die Bitte, für das Seelenheil Thietmars sowie der zahlreich genannten geistlichen und weltlichen Großen des Reiches zu beten. Aus­gestellt sind mehrere Seiten der in Dresden aufbewahrten Originalhandschrift, die im Zweiten Weltkrieg Löschwasserschäden erlitt.

Eindrucksvollstes Objekt ist das Wiener Elfenbeinrelief (spätes 

10. Jh.) mit der Darstellung des am Schreibpult sitzenden Papstes Gregor I. Thietmar bekennt in der Einleitung seiner mit Spuk, Traumgesichten sowie Visionen angereicherten Chronik, dass er fürchte, an seinem Unterfangen zu scheitern: „Doch da ich guten Willens bin und ,Christi Gnade mich anweht‘, um mit dem heiligen Gregor zu sprechen, will ich beginnen.“ 

Glanzlicht ist ein elfenbeinernes Eimerchen das als Leihgabe aus Mailand zu sehen ist. Es diente der Besprengung von Kaiser Otto II. mit Weihwasser, als er im Jahr 980 feierlich in Mailand einzog. Das größte Kuriosum hat Hildesheim beigesteuert: Einen Dachziegel (um 1000), in den himmelwärts der Name Bischof Bernwards eingestempelt ist. Er wollte wohl sichergehen, dass Gott ihn als Urheber der frommen Baumaßnahme zur Kenntnis nimmt.


Bis 4. November im Merseburger Dom, Domplatz 7, und in der Willi-Sitte-Galerie, Domstraße 15, geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr. Eintritt: 9 Euro. Infos im Internet: www.thietmar-merseburg.de