26.04.2024

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19.10.18 / Eine Packung Rosenkohl / Iris Berben als Rächerin im ZDF-Film »Die Protokollantin«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-18 vom 19. Oktober 2018

Eine Packung Rosenkohl
Iris Berben als Rächerin im ZDF-Film »Die Protokollantin«
Anne Martin

Familiäre Harmonie wird erwartet, wenn Mutter und Sohn gemeinsam TV ma­chen. So wie bei der Schauspielerin Iris Berben, die mit ihrem Filius, dem Produzenten Oliver Berben, beim ZDF mit „Die Protokollantin“ (ab 20. Oktober um 21.45 Uhr) einen Fünfteiler nach einer Idee des Schriftstellers Fried­rich Ani abgeliefert hat. 

Doch diesmal erträgt man als Zuschauer geduldig noch die ersten Folgen, die sich eher zäh entfalten, schüttelt aber ein biss­chen den Kopf, wenn zwischen dieser erloschenen Frau mit den fehlfarbenen Blusen und dem neuen Kommissar plötzlich die Funken sprühen. Man ertappt sich dabei, durch das ungeschminkte Gesicht der Fernseh-Heroine zu wandern und nach Altersspuren zu suchen.

Fernsehen in Vollendung wird ankündigt, die junge Generation soll erreicht werden, der Vorspann ist rasant – aber es hakt. Es sind die vielen Ungereimtheiten, die verstören. Die Traumbilder etwa, in denen die verschwundene Tochter der Mutter erscheint. Sie zeigen ein etwa 16-jähriges Mädchen, das aber, wie man irgendwann erfährt, schon mit einem Zuhälter liiert war und anschaffen ging. Die behütete Tochter einer Justizbeamtin?

Kommen wir zum Motto des Films, damit klar ist, dass es um mehr geht als um die Suche nach verschwundenen Mädchen. Berben alias Freya Becker fragt öfter, was denn größer sei, die Liebe oder der Tod, und beantwortet diese Frage auf ihre sehr spezielle Art. Ob die graumäusige Rächerin, die ihre Waffe in einer Tiefkühl-Packung Rosenkohl bewahrt, nun psychisch krank ist oder nur traumatisiert, mag sich der Zu­schauer selber beantworten. Tatsache ist: Selten sah man so viele offene Enden baumeln, wie etwa die Figur des kriminellen Komplizen Damir, der weder eingeführt noch erklärt wird. 

Es knirscht und holpert bis zum Schluss, als die Protokollantin Becker sich vom Bruder an einen unbekannten Ort fahren lässt, an dem angeblich ein großer Unbekannter auf sie wartet. Irritiert sieht man zu, wie Schauspieler, die allesamt zum Inventar des Deutschen Fernsehens gehören, ihre bewährten Attitüden aus der Ablage holen, egal ob es zur Tonalität des Films passt oder nicht. 

Glaubwürdig erscheint die glamouröse Berben vor allem, wenn sie für den Vorgesetzten (Peter Kurth) ihr mädchenhaftes Lä­cheln aufblitzen lässt. Moritz Bleibtreu als ihr Bruder, früher angeblich Clubbesitzer im Milieu, strapaziert seinen vielfach be­währten Dackelblick. 

Man merkt die Absicht, hier den Justizdramen und den lakonischen Studien menschlicher Ab­gründe eines Ferdinand von Schirach nachzueifern. Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt. Berben und Berben haben schon viel Gutes, zumindest Respektables abgeliefert – nur so ist zu erklären, dass das ZDF diese verunglückte Reihe als neuen „Berlin Noir“-Stil feiert.