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19.10.18 / Bitte lächeln, Frau Herbst / Wenn die Blätter fallen, wird so mancher an seinen Namen erinnert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-18 vom 19. Oktober 2018

Bitte lächeln, Frau Herbst
Wenn die Blätter fallen, wird so mancher an seinen Namen erinnert

Die Jahreszeiten kommen und gehen. Mit ihnen verschwindet, was die Natur mit sich bringt. Doch ihre Spuren hinterließen die Jahreszeiten im Laufe der Jahrhunderte in Brauchtum, Sprachgut und in den Namen. 

Mitunter, wenn auch selten, zeigt sich sprachlich der Einfluss der Jahreszeiten bei der Benennung von Orten und Flurstücken. So ist im Thüringischen das Wort „Sömmern“ Bestandteil etlicher Ortsnamen wie beispielsweise Haussömmern und Hornsömmern. In den frühen mittelalterlichen Quellen heißen diese Orte Sumeringen. Das althochdeutsche und altniederdeutsche Wort su­mar bedeutet „Sommer“, und die Endung -ing zeigt an, dass der Ort eine sonnige Lage hat. Tatsächlich liegen diese Orte häufig am Südhang eines Hügelzuges. 

Nicht ganz so einfach ist die Deutung des im südlichen Holstein vorkommenden, seltsam anmutenden Flurnamens Winteros. Er dürfte nicht auf die giftige Schneerose oder Christrose zu­rückzuführen sein, da diese Pflanze, die so kultiviert wurde, dass sich die Blüten zu Weihnachten entfalten, in Deutschland nur im Alpenraum verbreitet ist. Möglicherweise nimmt der Flurname Bezug auf den Begriff Winterrose, der in alter Zeit symbolisch das Wunder der Heiligen Nacht beschreibt. 

Verschiedene Interpretationen werden auch für die Jahreszeiten-Familiennamen angeboten. Schätzungsweise 137000 Personen tragen in unserem Land die Familiennamen Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Grundlage dieser Schätzung sind Telefonbucheinträge. Zahlenmäßig sind die vier Namen sehr ungleich vertreten. Mit etwa 20000 Namensträgern liegt der Name Herbst im unteren Mittelfeld. Nur etwa 1050 Personen (360 Telefonbucheinträge) heißen Frühling, hingegen mehr als 60000 Winter und 56000 Sommer. Zielte die ältere Namenforschung bezüglich dieser Namen vorrangig auf Bauern-Übernahmen und damit auf die Zins- und Arbeitstermine der Bauern im Mittelalter, so verlegt sich die neuere Namenforschung teilweise auf andere Herleitungen dieser Namen.

Wer Herbst heißt, habe seinen Namen bäuerlichen Vorfahren zu verdanken, die einst im Herbst zinspflichtig waren, oder er wurde im Herbst geboren, erklärt die Namensforscherin Rita Heuser von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Dem widerspricht der vor einigen Jahren durch seine Me­dienauftritte bekannt gewordene ehemalige Professor für Onomastik (Namensforschung), Jürgen Udolph. Seiner Ansicht nach ist der Name Herbst auf den Vornamen Herbert zurückzuführen. 

Den Familiennamen Winter erklärt Udolph mit einer kriegerischen Haltung. Er sei von dem alten Rufnamen Winther abzuleiten, der sich aus „win“ für Freund und „her“ für Heer zusammensetzt. Den Namen Frühling führt er auf eine Umdeutung des Wortes „fröhlich“ zurück. Anders seine Kollegin Heuser, die eine Benennung nach mittelniederdeutsch vrilinc vorschlägt. Ur­sprung war demnach der Status eines freien Mannes im Gegensatz zum Leibeigenen. 

Sommer ist laut Udolph der einzige Name, der vielleicht doch mit der warmen Jahreszeit zusam­menhängt. Vermutlich sei er auf eine der Sonne zugewandte Wohnlage zurückzuführen. Auch eine Ableitung vom Beruf des Saumtierführers (mittelniederdeutsch somere „Saumtier“) hält er für möglich.

Noch unerforscht ist, ob die Namen auch auf den Charakter abfärben. Ist eine Frau Herbst trübsinniger als eine Frau Sommer oder Fräulein Frühling?D.J.