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19.10.18 / Geballtes Wissen über Indien, das wachsende Großreich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-18 vom 19. Oktober 2018

Geballtes Wissen über Indien, das wachsende Großreich
Dirk Klose

Indien wird in absehbarer Zeit das bevölkerungsreichste Land der Erde sein. Es wird dann das jetzt noch führende China überrundet haben. Die beiden asiatischen Großreiche haben eine bewegte Geschichte hinter sich, die wir in unserem europazentrierten Wissen kaum kennen. Die Historiker Hermann Kulke (Kiel) und Dietmar Rothermund (Heidelberg), letzterer so etwas wie ein Doyen der deutschen Indienwissenschaft, haben vor nunmehr 35 Jahren eine Geschichte Indiens von den Anfängen bis zur Gegenwart vorgelegt, die sie zwischenzeitlich mehrfach aktualisiert haben. Das Buch wurde rasch über den engeren deutschsprachigen Raum bekannt. Eine englische Übersetzung fand auch in Indien große Zustimmung.

In diesem Jahr kam erneut eine aktualisierte Ausgabe heraus, die jetzt bis ins Jahr 2017 reicht. Das bedeutet, dass vorrangig die Innen- und Außenpolitik der Regierung von Premier Narendra Modi seit 2014 berücksichtigt ist, besonders die schwierigen Beziehungen zu den Nachbarn China und Pakistan sowie Indiens Rolle in der Weltpolitik. Diese ist nicht mehr vergleichbar mit der großen Bedeutung, die das Land einst unter Nehru als ein führendes Mitglied der blockfreien Staaten gehabt hat. Die internationale Politik geht inzwischen häufig an dem Subkontinent vorbei. Der regelmäßig aufflammende Kaschmirkonflikt zeigt allerdings, wie bedrohlich der Konflikt zwischen den beiden Atommächten werden kann. 

Vor allem in den Kapiteln zur neueren Zeit, also etwa mit Beginn der britischen Herrschaft, ist das Buch eine politische und ökonomische Darstellung. Die überragende indische Kultur- und Religionsgeschichte findet sich in den Anfangskapiteln zu Altertum und Mittelalter. Heute steht das Land vor gewaltigen Herausforderungen, – politisch, wirtschaftlich, sozial und mit Blick auf den Konflikt zwischen Hindus und Muslimen. Die Autoren sind gleichwohl zuversichtlich: „Die bisherige Erfahrung lehrt, dass Indien fähig ist, seine Probleme zu meistern ... dieses System ist belastbar und leistungsfähig, es wird auch die Aufgaben der Zukunft bewältigen.“

Das Buch gefällt wegen der Fülle an Informationen und wegen seines flüssigen Stils, auch wegen einer überaus ausführlichen Zeittafel (die freilich die letzten 20 Jahre etwas über Gebühr hervorhebt). Es hätte noch gewonnen, wären die einzelnen Kapitel häufiger untergliedert worden. Alles in allem aber ein herausragendes Beispiel für die große Tradition der deutschen Indienwissenschaft.

Hermann Kulke, Dietmar Rothermund: „Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute“, C.H. Beck Verlag, München 2018, 3. aktualisierte Ausgabe, broschiert, 526 Seiten, 24,90 Euro