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26.10.18 / Gegenwind / »Leitlinien für den Umgang mit Parteien«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-18 vom 26. Oktober 2018

Gegenwind
»Leitlinien für den Umgang mit Parteien«
Florian Stumfall

Von jeher gelten die skandinavischen Länder als beispielhaft tolerant, liberal und weltoffen. Doch die Wirklichkeit Europas hat sich so entwickelt, dass ihr nicht einmal mehr die beliebtesten Klischees standhalten. Ein Beispiel dafür liefert der dänische Justizminister Sören Pind, der einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der den prächtigen Titel trägt „Über Maßnahmen zum Kampf gegen Operati-onen der psychologischen Einwirkung durch ausländische Geheimdienste“. 

Doch der Name ist nicht nur pompös, sondern auch irreführend, denn er richtet sich keineswegs gegen fremde Agenten, sondern gegen alle dänischen Bürger, die zu Wahlkampfzeiten eigene Meinungen vortragen, die sich von den Äußerungen der Behörden unterscheiden. Der Soziologe und Journalist Lars Jörgensen sagt zu der Frage, ob das Vorhaben durchs Parlament gehen wird: „Die dänische Regierung hat den Rückhalt der westlichen Staatengemeinschaft, um es auch durchzubringen. Der Gesetzentwurf erlaubt, kritische Meinungen über die NATO zu kriminalisieren.“ Als Höchststrafe sind zwölf Jahre Haft vorgesehen.

Was sich da in Dänemark abspielt, ist sehr gefährlich. Doch steht es dem deutschen Nachbarn nicht zu, deswegen Steine zu werfen.

Denn hier gilt seit Jahresbeginn die Hinterlassenschaft des einstigen sogenannten Justizministers Heiko Maas von der SPD, das ebenfalls einen pompösen Namen trägt, nämlich „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Was es vom dänischen Pendant unterscheidet, ist, dass es bereits in Kraft ist. Was gleich ist, das ist neben dem gewaltigen Namen seine Eignung, als Mittel der Zensur eingesetzt zu werden. Der dänischen Strafandrohung von zwölf Jahren entspricht hier ein Bußgeld bis zu 50 Millionen Euro.

Man muss sagen, um die Meinungsfreiheit, einem der wichtigsten Bürgerrechte und wesentlicher Bestandteil des Grundgesetzes, ist es mehr und mehr schlecht bestellt. Denn wer vielleicht gedacht hätte, der Schlag des Heiko Maas’ gegen das freie Wort sei ein abschließender Höhepunkt gewesen, der irrt. Kanzlerin Angela Merkel, die ihm einst gestattet und dabei geholfen hat, seinen Maulkorb zu flechten, setzt das Schandwerk nun fort.

In ihrer Regierungserklärung vom 18. Oktober verkündete Merkel: „Faire und freie Wahlen bilden das Fundament funktionierender Demokratien. Wir wollen Leitlinien für den Umgang mit Parteien schaffen, die in ihren Kampagnen aktiv Desinformation betreiben.“ Das ist gekonnt, jedenfalls rhetorisch. Merkel leitet ein mit dem Bekenntnis zum Gegenteil dessen, was sie will, umwölkt die böse Absicht mit einem wohlgesetzten Allgemeinplatz, um dann warnend herauszustellen, was das zu bekämpfende Übel ist: Desinformation.

Nur leider – was Desinformation ist und was nicht, das entscheiden Merkel, respektive ihre Büttel. In einem wirklich freien Staat verantwortet sich der Bürger wegen einer Lüge durch Entschuldigung beim Geschädigten oder im Beichtstuhl. Im heutigen Deutschland maßt sich die Regierung das Urteil über Wahrheit und Lüge an.

Zur angeblich dräuenden, das Vorhaben rechtfertigenden Gefahr ergänzt die Kanzlerin, die Erfahrungen der jüngsten Zeit zeigten, „dass die demokratischen Willensäußerungen der Wählerinnen und Wähler durch gezielte Desinformationskam­pag­nen, Cyberangriffe oder Datenmissbrauch allzu leicht verfälscht werden können“. Die Folge: Der Staat verhindert, dass der mündige Bürger selbst auswählt zwischen Information und Propaganda, und legt ihm lediglich die durchsiebten und vorsortierten Nachrichten auf den Tisch. Dann hat der Bürger die Freiheit zu wählen. Die Struktur der deutschen Medien-Welt hilft dem Staat bei seiner Einflussnahme. Die öffentlich-rechtlichen Sender befinden sich unter einer staatlichen De-facto-Kuratel, die wenigen privaten Medienhäuser pflegen engste Beziehungen zur Politik bis hinein in persönliche Verflechtungen. 

Weil aber die Kanzlerin Sorge trägt nicht nur ums Wohl Deutschlands, sondern zumindest auch ganz Europas, setzte sie in ihrer Regierungserklärung hinzu: „Die Löschung illegaler Inhalte auf Internetseiten in Europa soll vereinfacht werden.“ Auch hier wieder: Was illegal ist, entscheidet die Obrigkeit. Doch in Brüssel rennt Merkel offene Türen ein. Wenn es darum geht, Vorschriften zu erlassen, lässt man sich dort nicht gerne übertreffen. So wird im EU-Parlament ein Gesetzentwurf behandelt, wonach Portale wie Google News künftig nicht mehr kurze Presseausschnitte veröffentlichen dürfen. Youtube und ähnliche Plattformen sollen Inhalte prüfen, bevor diese hochgeladen werden. Prüfen heißt auch hier natürlich „zensieren“. Während viele Beobachter darin eine Einschränkung der Freiheit im Internet sehen, loben Vertreter der Politik die Vorteile für die Verlage – natürlich, mit denen hält man’s ja.

Dass auf dem Weg der Gesetzgebung die Freiheit der Meinungsäußerung mehr und mehr beschnitten wird, ist an sich schlimm genug. Doch diese Entwicklung wird begleitet von einer ergänzenden Erscheinung, die sich im politischen Vorfeld abspielt. Es handelt sich hier um die sogenannte politische Korrektheit, die größte Einschränkung der Meinungsfreiheit seit dem Fall der Mauer. Die Beispiele, wie man Wörter diskriminiert und ihren Gebrauch unterbindet, sind bis zur Übelkeit bekannt, sie reichen vom Zigeunerschnitzel bis zum Mohrenkopf. Dass sie sich durchaus im Bereich des Lächerlichen bewegen, hat aber die fatale Folge, dass sie oft nicht als gefährlich betrachtet werden. Doch wer Gericht hält über einzelne Wörter, bestimmt auch bald über die Sätze, die zulässig sind oder nicht.

In Politik und Medien führt das dazu, dass eine Vielzahl von Tatsachen und Zusammenhängen nicht genannt werden darf. Kriegsverbrechen der USA in allen ihrer derzeit sieben Kriege? Fehlanzeige. Unterdrückung der Palästinenser durch Israel? Um Gottes willen, nein! Die Kriminalitätsquote von Immigranten hier in Deutschland? Da helfe uns das Fälschungspotential der Statistik! Ein Zusammenhang zwischen Terror und dem Islam? Hat es nie gegeben. Oder, ganz anders: Die Rechtsbrüche der Bundesregierung? Etwa der Verkauf von Kriegswaffen in Krisengebiete oder die Teilnahme an völkerrechtswidrigen Kriegen? Darüber verlautet kein Ton. 

Oder aber die Affäre Maaßen. Der frühere Geheimdienstchef hatte nichts getan als die Wahrheit zu sagen, allerdings damit der Kanzlerin widersprochen. Das Ergebnis ist bekannt. Diese Affäre hat allerdings in eine neue Dimension geführt. Maaßen wurde nicht für seine Meinung bestraft, was schlimm genug wäre, sondern für eine reine Tatsachenbehauptung, und das wiegt noch um einiges schwerer.

Auch durch Verschweigen und Vertuschen wird gegen das Gebot der Meinungs- und Informationsfreiheit verstoßen. Wenn große Verlagshäuser von einem Journa-

listen, der bei ihnen anheuern will, als erstes die Unterschrift auf einem Bekenntnis zur politischen Hausphilosophie verlangen, so zeigen sie, dass ihnen die Politik wichtiger ist als die Nachricht. 

Es bleibt die Frage, ob vom Abriss der Meinungsfreiheit die anderen Grundfreiheiten, das bedeutet eben die Freiheit schlechthin, unberührt sind. Auf jeden Fall aber gilt eine Regel, von der Geschichte schwer in Bronze gegossen: Wenn die Freiheit derart Schaden genommen hat, dass es niemand mehr leugnen kann, auch nicht die Schuldigen, dann ist es endgültig zu spät.