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26.10.18 / Emil von Behring Gesellschaft / In Hohenstein feierte man das 25-jährige Bestehen – Ein Bericht von Burghard Gieseler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-18 vom 26. Oktober 2018

Emil von Behring Gesellschaft
In Hohenstein feierte man das 25-jährige Bestehen – Ein Bericht von Burghard Gieseler

Die Emil von Behring Gesellschaft in Hohenstein feierte am 28. Juli ihr 25-jähriges Bestehen. 

Nach 12-stündiger Autofahrt erreichte ich am Nachmittag das Deutsche Haus in Osterode, wo ich von Frau Lipka auf das Freundlichste willkommen geheißen wurde. Nachdem ich dort mein Zimmer bezogen und mich ein wenig ausgeruht hatte, kam Heinrich Hoch und fragte auch gleich, ob ich das wieder aufgebaute Rathaus sehen wolle. Natürlich wollte ich. Als wir auf den Neuen Markt kamen, war ich überwältigt. Die Vorstellung, die ich mir zuvor gemacht hatte, wurde von der Wirklichkeit bei weitem übertroffen. So schön hatte ich mir das Rathaus nicht vorgestellt. An dem Rathaustürmchen, hoch über dem Markt, prangt die von der Kreisgemeinschaft gestiftete Rathausuhr. Eine zweisprachige Hinweistafel an der Rathauswand wird uns als Stifter benennen.

Und dann diese kleine, aber bezeichnende Szene: Wildfremde Menschen, dem Anschein nach Arbeiter, rufen Heinrich etwas quer über den Marktplatz zu. Ich frage ihn, was sie gerufen hätten. „Sie wollten nur ihre Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass das Rathaus wieder steht“, antwortete Heinrich.

Anschließend schlendern wir an der Burg vorbei zur Uferpromenade des Drewenzsees. Hinter uns das frisch renovierte ehemalige Kreishaus, vor uns glitzert in dem warmen Licht der untergehenden Abendsonne der See, dazwischen dunkelgrüner Rasen mit einem Spielpatz, auf dem sich Kinder tummeln. Aus Weiden sind Gänge geflochten, durch die die Kinder toben. Unter Lauben, ebenfalls aus Weiden geflochten, suchen ältere Menschen etwas Abkühlung von der Hitze. Auf ergodynamischen Liegen, die zwar gemauert, aber mit Holz verkleidet sind, liegen Liebespärchen und blinzeln verträumt auf den See hinaus. Alles wirkt gepflegt, friedlich und harmonisch. 

Am nächsten Tag wird eine Schiffsfahrt auf dem Oberländischen Kanal unternommen. Die Fahrt geht in den Pausensee und von dort, wieder über den Oberländischen Kanal, in den Schillingsee. In Alt Jablonken fährt ein Bus, der die Passagiere wieder nach Osterode bringt. 

Mein Vater hat er mir oft erzählt, wie er einst mit dem Schüler-Ruderclub vom Drewenzsee aus zum Schillingsee und dann weiter auf dem Taber-Fließ nach Taberbrück gerudert ist. Die Dorfbevölkerung staunte nicht schlecht, als die Pennäler mit ihrem langen Ruderboot auf dem Tabersee auftauchten und mit stolzgeschwellter Brust einige Runden drehten. Daran dachte ich, während das Schiffchen durch den dunklen Forst zwischen Pausensee und Schillingsee fuhr. Plötzlich wurde es wieder hell. Vor uns funkelte der Schillingsee – lang und schmal wie ein Fjord. Da spürte ich es: Wer das Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen mit der Seele sucht, sollte dies möglichst vom Wasser aus tun. 

Der Höhepunkt und eigentliche Anlass meiner Reise war die Feier des 25. Jubiläums der Emil von Behring Gesellschaft am 28. Juli. Erfreulicherweise wurde der Vorstand unserer Kreisgemeinschaft nicht nur durch den Kreisvertreter, sondern auch durch das Ehepaar Schweda vertreten. In dem geschmackvoll geschmückten Festsaal, der bis auf den letzten Platz gefüllt war, herrschte eine freudig angespannte Stimmung. Die zahlreichen Grußworte, darunter auch das des Bürgermeisters von Hohenstein, hoben allesamt die vorbildliche Arbeit der Emil von Behring Gesellschaft hervor. Es war eine besonders glückliche Fügung, dass sogar der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Stephan Grigat, es hatte einrichten können, an der Feier teilzunehmen. Nach dessen Grußwort habe ich folgende Ansprache gehalten: „Im Namen der Kreisgemeinschaft Osterode Ostpreußen überbringe ich die herzlichsten Glückwünsche zum 25. Bestehen der Emil von Behring Gesellschaft. Zu Recht können Sie mit Freude und Stolz auf ein Vierteljahrhundert erfolgreicher Arbeit zurückblicken. Als sich die deutsche Minderheit in Hohenstein vor 25 Jahren zusammenschloss und sich nach dem großen Sohn der Stadt, Emil von Behring, benannte, waren die Verhältnisse noch sehr schwierig und auch später gab es Höhen und Tiefen. Aber seitdem das Duo Kuck-Eberhardt das Ruder übernommen hat, erlebt die Emil von Behring Gesellschaft einen sensationellen Aufschwung. Übrigens, hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, aber darauf komme ich nach meiner kurzen Ansprache noch einmal zurück ... 

Die Emil von Behring Gesellschaft unterhält intensive und freundschaftliche Beziehungen zur Stadt Hohenstein, zu anderen deutschen Gesellschaften und natürlich zu unserer Kreisgemeinschaft. Besonders die Jugendarbeit liegt dem Vorstand der Gesellschaft am Herzen. 

Erlauben Sie mir an dieser Stelle ein Wort zur Kreisgemeinschaft: Diese befindet sich in einem Überlebenskampf, den wir nur bestehen werden, wenn wir den Generationenwechsel schaffen und uns für alle öffnen, die sich mit unseren Zielen identifizieren können. Ob das gelingen wird, weiß ich nicht. Ich bin aber durchaus optimistisch. Denn neben der Versöhnungs- und Friedensarbeit ist das Erinnern unser zentrales Anliegen. Und angesichts von Globalisierung, Digitalisierung und der vermehrten Zuwanderung nach Deutschland fragen sich viele Menschen, woher sie kommen, wer sie sind. Die Erinnerungsarbeit der Kreisgemeinschaft trifft also auf ein zunehmend wachsendes Interesse an den eigenen Wurzeln. An diese erinnern wir. Wir erinnern an die reiche Kultur Ostpreußens, wir erinnern aber auch an das Leben der einfachen Menschen in Ostpreußen, und wir erinnern an Flucht und Vertreibung. Das Ostpreußen meines Vaters ist in der Hölle, die im Januar 1945 über dieses Land hereinbrach, verbrannt. Aber gänzlich untergegangen ist es nicht. In der deutschen Minderheit, also in Ihnen, liebe Landsleute, lebt Ostpreußen weiter. Deshalb gehören die Ostpreußen in Ost und West zusammen. Sie sind eins! In diesen Bund wollen wir ausdrücklich auch unsere polnischen Freunde miteinbeziehen. Gemeinsam pflegen nun Deutsche und Polen das kulturelle Erbe Ostpreußens.“

In meiner Ansprache hatte ich bereits angedeutet, dass hinter der so erfolgreichen Arbeit des Duos Kuck-Eberhardt starke Frauen stehen. Deshalb durfte ich nun Grazyna Kuck und Jadwiga Rybinska das Verdienstabzeichen der Landsmannschaft Ostpreußen verleihen. Während ich die Urkunden verlas, überreichte der Sprecher der Landsmannschaft die Anstecknadeln.

Es folgten weitere herzliche Grußworte, ein schmackhaftes Festessen und ein Vortrag von Ryszard Eberhardt über die Geschichte von Hohenstein. Der Chor Warmia aus Heilsberg umrahmte die Feier mit fröhlich und temperamentvoll vorgetragenen Liedern. Die Emil von Behring Gesellschaft kann auf ein rundum gelungenes Fest zurückblicken und es war mir eine Freude, dabei gewesen zu sein.

An dem dritten und letzten Tag meines kurzen Arbeitsbesuches fuhr ich mit Heinrich Hoch über Land. Unser Ziel war das Naturschutzgebiet Kernsdorfer Höhen. Wie immer suchte Heinrich besonders schöne Straßen aus. Auf uralten Alleen, teilweise sogar über Kopfsteinpflaster, näherten wir uns dem „Dach Ostpreußens“. Wir erklommen den Aussichts-turm, genossen den Blick in das weite Land und für einen Moment ging jeder seinen eigenen Gedanken nach. Unser nächstes Ziel war der Haasenberger Friedhof, dessen Grabsteine durchgehend – bis in die Gegenwart hinein – in deutscher Sprache beschriftet sind. Die Inschriften zeugen von der tiefen Frömmigkeit der Menschen:

„Der Eltern Hoffnung hier

im Grabe ruht,

wir beugen uns, der Herr

weiß, was er tut.“

In einer Gruft ruhen, wie ich auf einer Hinweistafel lese, die Angehörigen der Familie Kramer: Cecil Kramer, geboren am 26. April 1894, gestorben am 22. Januar 1945. Nikolaus Kramer, geboren am 31. Oktober 1935, gestorben am 22. Januar 1945. Was ist am 

22. Januar 1945 geschehen? Ich mag es mir nicht vorstellen. Nachdenklich und schweigend fahren wir weiter zur evangelischen Dorfkirche in Marienfelde. Bevor wir hineingehen, schauen wir uns auch hier den alten deutschen Kirchfriedhof an. Wieder fallen die vielen Kindergräber auf. Die Kindersterblichkeit muss damals, gerade hier weitab von der Kreisstadt Osterode, sehr hoch gewesen sein. Einige Gräber sind überwuchert, die Grabinschriften kaum noch lesbar. Andere wiederum sind sehr gut zu lesen. Die alten deutschen Friedhöfe sind verwunschene Orte, die uns viel zu erzählen haben von denen, die früher einmal in diesem Land gelebt haben.

Die Dorfkirche von Marienfelde war noch vor 15 Jahren eine Ruine. Das Dach eingestürzt, zum Teil auch die Seitenmauern. Die Initiative zum Wiederaufbau war – wie so oft – von Heinrich Hoch ausgegangen. Unsere Kreisgemeinschaft hat damals erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt. Viele Menschen, sowohl Deutsche als auch Polen, haben sich beim Wiederaufbau der Kirche engagiert. Ich freue mich von Herzen über diese Wiederaufbauleistung. Im Inneren wirkt alles so, als wären die früheren Einwohner von Marienfeld nur mal kurz weg. Lediglich eine von meinem Vorvorgänger, Dieter Gasser, formulierte Hinweistafel erinnert mit eindringlichen und zugleich einfühlsamen Worten an das Schicksal der Heimatvertriebenen. Ich selbst trage in das Gästebuch der Kirche folgendes ein:

„Habe heute mit meinem Freund, Heinrich Hoch, die wieder aufgebaute Kirche in Marienfelde besucht. Ihm und allen, die zum Wiederaufbau beigetragen haben, gilt mein innigster Dank.

Der Wiederaufbau der Kirche von Marienfelde ist ein großartiges Beispiel für die Pflege des ostpreußischen Kulturgutes.“ 

Burghard Gieseler ist Kreisver-treter der Kreisgemeinschaft Osterode