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02.11.18 / Entschädigung bleibt aus / Norwegens Premier entschuldigt sich bei »Deutschenbastarden«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-18 vom 02. November 2018

Entschädigung bleibt aus
Norwegens Premier entschuldigt sich bei »Deutschenbastarden«
Bodo Bost

Anlässlich des 70. Jah­res­tages der Verkündung der UN-Men­schen­rechts­charta am 10. Dezember hat sich die norwegische Premierministerin Erna Solberg bei den norwegischen Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges intime Beziehungen zu deutschen Soldaten hatten und nach dem Krieg deshalb diskriminiert und misshandelt wurden, offiziell entschuldigt. „In der Zeit nach der Befreiung wurden viele junge norwegische Mädchen und Frauen, die mit deutschen Soldaten liiert waren oder nur diesbezüglich verdächtigt wurden, einer unwürdigen Behandlung unterzogen“, sagte Solberg und fügte hinzu: „Heute möchte ich mich im Namen der Regierung entschuldigen.“ 

Laut einer „konservativen“ Schätzung des norwegischen Zentrums für Holocaust und religiöse Minderheiten haben zwischen 50000 und 100000 norwegische Frauen ein Verhältnis zu deutschen Soldaten oder Offizieren gehabt. 1945 gab es auf jeder siebten Hochzeit in Norwegen einen deutschen Bräutigam. Über 3000 norwegische Frauen heirateten einen Deutschen, ohne dass sie ahnten, dass sie damit ihre Staatsbürgerschaft aufs Spiel setzten. Am 9. April war Norwegen von mehr als 300000 deutschen Sol­da­ten besetzt worden.

„Den Frauen, die persönliche Beziehungen zu Deutschen hatten, kann nicht nachgesagt werden, dass sie an den deutschen Kriegsanstrengungen teilgenommen haben. Ihr Verbrechen war lediglich, dass sie ungeschriebene Regeln und moralische Standards verletzt haben“, sagte der Historiker Guri Hjeltnes, der das Zentrum für Holocaust und religiöse Minderheiten in Oslo leitet. „Sie wurden noch viel härter bestraft als Kriegsgewinnler“, sagte der Historiker und wies darauf hin, dass keiner der 28 Nor­weger, die während des Krieges deutsche Frauen heirateten, eine ähnlich schlimme Behandlung wie diese Frauen erfahren haben, keinem wurde die norwegische Staatsangehörigkeit aberkannt.

Mit der Entschuldigung sind keine finanziellen Wiedergutmachungen an die betroffenen Familien verbunden. Diese fordern jedoch die Kinder, die aus diesen norwegisch-deutschen Kriegsbeziehungen hervorgingen. Schätzungen zufolge kamen zwischen 10000 und 12000 dieser als „Tyskeunger“ (Deutschenbastarde) beschimpften Kinder zur Welt. Das bekannteste ist wohl die ehemalige Sängerin der Gruppe Abba Anni-Frid Synni Lyngstad. Auch sie wurden oftmals Opfer von Diskriminierung durch ihre Familie, aber auch durch die Behörden. Nach dem Krieg wurden Tausende dieser Kinder in psychiatrische Krankenhäuser und Einrichtungen gesteckt, wo sie misshandelt und gedemütigt wurden. 

Diese Opfer fordern nun von den norwegischen Behörden Gerechtigkeit und Entschädigung. Im Jahr 2000 richtete ein Verband dieser „Tyskeungar“ eine Petition an den damaligen Premierminister Kjell Magne Bondevik. Der entschuldigte sich zwar öffentlich, aber eine Entschädigung blieb aus. 154 „Kinder von Kriegsbräuten“, allesamt Norweger, wandten sich daraufhin an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). 

Unter ihnen war auch Harriet von Nickel, die von ihrem Adoptivvater an die Leine gelegt und geschlagen wurde, wenn dieser nach Hause zurückkehrte. Sie war neun oder zehn Jahre alt, als er ihr mit seinen Nägeln ein Hakenkreuz auf ihrer Stirn eingravierte. Im Jahr 2007 erklärte der EGMR die Klage von Harriet von Nickel jedoch für unzulässig, weil die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt ihres Verfahrens überschritten sei.