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02.11.18 / »Eher früher als später« / Warum Experten mit einem Abschwung rechnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-18 vom 02. November 2018

»Eher früher als später«
Warum Experten mit einem Abschwung rechnen
Peter Entinger

An den Börsen geht es seit Monaten turbulent zu. Am Dienstag der vergangenen Woche gab es einen Einbruch, der sogar hartgesottene Analysten aufschrecken ließ. Drohen wirtschaftlich unruhige Zeiten?

Der deutsche Aktienindex Dax fiel an dem besagten Dienstag zum fünften Mal in Folge und schloss auf einem 22-Monats-Tief. Auch an der New Yorker Wall Street standen die Signale auf Krisenmodus. Zum Wochenende hin erholten sich die beiden Märkte zwar, dennoch sorgten die Tiefschläge für Irritationen. „Die Stimmung am Markt bleibt wackelig, aber die Widerstandskraft der Wall Street zeigt, dass die Stimmung nicht komplett eingebrochen ist“, sagte Währungsstratege Junichi Ishikawa von IG Securities in Tokio gegenüber dem Online-Portal der „Tagesschau“. Bis zu den US-Kongresswahlen am 6. November werde man wohl noch die ein oder andere „Mini-Panik“ sehen. 

Die Weltwirtschaft sieht sich derzeit vielen potenziellen Krisenherden ausgesetzt. Einmal ist da die Dauerdebatte um US-Präsident Donald Trump. Dann belastet die Sorge, wie es in der Türkei weitergehen wird. Nicht zu vergessen sind die Debatte um den Brexit und der Handelsstreit mit China. Und schließlich versetzt der Alleingang der italienischen Regierung die EU-Funktionäre in Brüssel in Aufregung. Die EU-Kommission wies den italienischen Haushaltsentwurf für 2019 erwartungsgemäß in der vergangenen Woche zurück. Italien hat nun bis Mitte November Zeit, um die Kritikpunkte der Kommission zu verarbeiten und einen neuen Haushalt einzureichen. Ein Sprecher des italienischen Wirtschaftsministeriums sagte, die Ablehnung komme nicht überraschend. Der einzige Weg zum Schuldenabbau sei aber Wachstum. Die Brüsseler Reaktion ist ein Novum und sorgt an den Märkten für Unruhe. 

Zudem mehren sich die Anzeichen, dass der Wachstumsmotor generell ins Stottern gerät. „Jahrelang florierte in Deutschland und vielerorts anderswo auf der Welt die Wirtschaft. Inzwischen gibt es jedoch Anzeichen dafür, dass sich dieser Aufschwung abkühlt“, schreibt das „Manager Magazin“. Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe kürzlich seine zuvor optimistischen Erwartungen an die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft gedämpft. Auch die Wachstumsprognose für Deutschland habe der IWF bei der Gelegenheit zusammengestrichen: „Die Rede ist dabei von einer Verschlechterung der viel zitierten Fundamentaldaten, die nach Ansicht vieler Experten für die langfristige Entwicklung der Aktienkurse eine besonders große Bedeutung haben“, heißt es.

Die Wirtschaft reagiert auch hierzulande zunehmend sensibel. Zwischen Mai und September dieses Jahres habe die Unsicherheit in deutschen Unternehmen so stark zugenommen wie zuletzt in der Zeit der Weltfinanzkrise 2008 und 2009, heißt es in dem Index des ifo Instituts. „Besonders stark nimmt die Unsicherheit in Unternehmen der Industrie und im Dienstleistungssektor zu, also den zentralen Branchen der deutschen Wirtschaft. Die Konsequenz dieser Verunsicherung könnte sein, dass Unternehmen sich mit Investitionen zurückalten und zögern, neues Personal einzustellen.“

Wissenschaftler und Experten sind alarmiert und werfen der Politik vor, die Gefahren zu ignorieren. „Europas Aufschwung dagegen hängt immer noch am Tropf der Europäischen Zentralbank: Die italienische Regierung besteht darauf, im Aufschwung mehr Schulden zu machen als erlaubt und treibt damit die Risikozinsen für die Länder des Südens wieder nach oben. Das ist Gift für die Konjunktur. Dann kommt im Frühjahr 2019 der Brexit dazu – und niemand weiß, wie stark der Austritt Großbritanniens aus der EU das Wachstum zusätzlich bremsen wird“, erklärt die Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld, die unlängst ihr Buch mit dem Titel „Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert“, veröffentlichte. 

Die Nachricht vom Ende des Aufschwungs sei stark übertrieben, laute die Botschaft von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, dem Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, oder auch dem Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker: „Und damit sind wir auch schon beim Kern des Problems. Ein Abschwung wird kommen, eher früher als später. Nur: Niemand wird vorbereitet sein. Weder in diesem, noch im nächsten Jahr“, schreibt Weidenfeld. 

„Die Verunsicherung am Markt sei zweifellos groß und sie dürfte so schnell nicht wieder verschwinden“, bilanziert das „Manager Magazin“. Jeder Börsianer wisse, dass nach einem langen Aufschwung irgendwann ein Abschwung folge: „Auf diesen Abschwung warten die Investoren nun, und zwar vermutlich solange, bis er tatsächlich eintritt.“

Die gemeinsame Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland haben die führenden Forschungsinstitute bereits abgesenkt. Statt der im Frühjahr erwarteten 2,2 Prozent dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr nur um 1,7 Prozent wachsen. Für 2019 senkten die Institute ihre Prognose ebenfalls leicht ab. Unwägbarkeiten wie das Brexit-Prozedere oder der Handelskrieg mit China könnten die Probleme noch befeuern. „Wir hatten das Sommerhalbjahr besser eingeschätzt, als es tatsächlich geworden ist“, sagte Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturforschung im Münchner ifo Institut der Wochenzeitung „Die Zeit“. Der Hauptgrund für die schlechtere Bewertung und den pessimistischeren Ausblick sei die Weltkonjunktur: „Vieles ist unsicher geworden“.