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02.11.18 / Der Siegeszug des Bauplans / Gotik: Ausstellung über die Baukultur des 13. Jahrhunderts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-18 vom 02. November 2018

Der Siegeszug des Bauplans
Gotik: Ausstellung über die Baukultur des 13. Jahrhunderts
Veit-Mario Thiede

Das 950. Jubiläum der Weihe des romanischen Doms begeht Paderborn mit einem Festjahr, dessen Höhepunkt eine Ausstellung über die Gotik ist. Wie passt das zusammen? Um 1215 beschloss Bischof Bernhard III., den alten Dom durch einen neuen, den allzu dunklen durch einen strahlend hellen zu ersetzen. Als Vorbild für die gegen 1280 abgeschlossenen Baumaßnahmen dienten die in Frankreich entwickelten modernen Architekturformen der Gotik. Ihr ist die Schau „Gotik – Der Paderborner Dom und die Baukultur des 13. Jahrhunderts in Europa“ im Diözesanmuseum gewidmet. Sie umfasst 170 internationale Leihgaben.

Das größte Exponat ist der Paderborner Dom. Wer vom frühgotischen Paradiesportal den Blick zu den vier Maßwerkfens-tern des Langhauses wendet, entdeckt die schrittweise Entfaltung der Gotik. Denn von West nach Ost nimmt das Mauerwerk zugunsten der immer größer werdenden Fensterflächen ab. Zu voller Pracht kommt die Gotik an dem mit Reliefs und Heiligenfiguren geschmückten Ostquerhaus.

Für Christoph Stiegemann, den Direktor des Diözesanmuseums, ist dieser Dom Paradebeispiel für die westfälische Spielart der Gotik. Deren Baumeister wandelten französische Vorbilder im Sinne der heimischen Tradition ab. Anregungen vermittelte ihnen das gegen 1200 in Nordfrankreich neu entwickelte Medium der Architekturzeichnung. Sie revolutionierte das gesamte Bauwesen – und begünstigte durch die Weitergabe von Kopien die Ausbreitung der Gotik in ganz Europa.

Das sensationellste Ausstellungsstück ist fast unsichtbar: Ein gegen 1230 konstruierter Fassadenentwurf. Er gehört zu den berühmten „Reimser Palimp-sesten“, den ältesten erhaltenen Bauplänen und Entwürfen von Architekturelementen. Als „Pa­limpsest“ wird für den Neugebrauch abgeschabtes Pergament bezeichnet. Der Fassadenentwurf weist deshalb nur tintenlosen Konturen auf. Er entstand im Zusammenhang mit der 1211 begonnenen Neuerrichtung der für viele nachfolgende Kirchenbauten vorbildlichen Reimser Kathedrale. 

Von ihr stammt die ausgestellte Steinskulptur Gottvaters (um 1240/50), dessen Gesichtszüge würdevolle Ruhe ausstrahlen. Andere Skulpturen der Kathedrale geben Gefühlen Ausdruck – und das machte Schule. Da lächelt uns etwa der Kopf eines Jünglings oder Engels (Trier, um 1245) mit geschlossenen Lippen an, während eine Teufelsfratze (Mainz, um 1239) das Maul zu grölendem Gelächter aufreißt.

Zierelemente wie Fiale und Maßwerk begegnen uns sowohl an der gotischen Großarchitektur als auch in der durch leuchtend bunte Glasmalerei und Buchillus-trationen vertretenen Kleinkunst. Einen glanzvollen Höhepunkt bilden als Mikroarchitekturen gestaltete Goldschmiedearbeiten. Besonders eindrucksvoll sind die wahrscheinlich älteste Hostienmonstranz des deutschsprachigen Raums (Fritzlar, um 1320) und das Heiliggrabreliquiar der Kathedrale von Pamplona (um 1255), an dessen Miniatursarg der Grabesengel den drei verwunderten Frauen die Auferstehung Christi verkündet.

Bis 13. Januar 2019 im Diözesanmuseum Paderborn, Markt 17, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Telefon (05251) 1251400, Eintritt: 9 Euro. Internet: www.dioezesanmuseum-paderborn.de