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09.11.18 / Die zweite Rzeczpospolita

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-18 vom 09. November 2018

Die zweite Rzeczpospolita
Dirk Klose

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellte sich für viele Nationalbewegungen in den vier Imperien Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, russisches Zarenreich und Osmanisches Reich die erwartungsvolle Frage, ob und wie die ersehnte Unabhängigkeit erreicht werden könne. Polen machte den Anfang. Am 5. November 1916 schufen das Hohenzollern- und das Habsburgerreich aus taktischem Kalkül das sogenannte Regentschaftskönigreich Polen (Królestwo Regencyjne). Dessen Regentschaftsrat war von den beiden mitteleuropäischen Nachbarn abhängig. Nichtsdestotrotz ermöglichte das Regentschaftskönigreich die Bildung erster politischer Strukturen, etwa indem schon bestehende Parteien Verantwortung auf unterer Ebene übernahmen.

Im Herbst 1918 nahm die Niederlage der Mittelmächte immer stärkere Formen an. Die Doppelmonarchie zerfiel, das Deutsche Reich wurde Republik. Am 6. Oktober 1918 erklärte der Regentschaftsrat die 14 Punkte des US-Präsidenten Woodrow Wilson zur Grundlage der Staatsbildung in Polen und bat den Reichskanzler um die sofortige Entlassung Józef Pilsudskis. Der polnische Sozialistenführer, der sich schon vor dem Weltkrieg im Kampf gegen das Zarentum hervorgetan hatte, wurde Anfang November 1918 aus Magdeburg, wo er von den Deutschen interniert gewesen war, nach Warschau zurückgebracht. Dort übernahm er am 11. November 1918 den Oberbefehl über die polnischen Streitkräfte, und der Regentschaftsrat übertrug ihm die allgemeine Staatsgewalt. 

Unter Missachtung des Regentschaftskönigreiches wird dieser 11. November im heutigen Polen als Unabhängigkeitstag begangen. Nach der in den sogenannten polnischen Teilungen untergegangenen ersten Rzeczpospolita begann nun die zweite, die im Zweiten Weltkrieg unterging. Das heutige, postsowjetische, bürgerliche, prowestliche Polen versteht sich als die dritte.