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09.11.18 / Dem Tiger wird’s eng / Irland ächzt unter den Folgen seines Booms: Der Wohnraum wird auch hier knapp

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-18 vom 09. November 2018

Dem Tiger wird’s eng
Irland ächzt unter den Folgen seines Booms: Der Wohnraum wird auch hier knapp
Dagmar Jestrzemski

Auch in Irlands Hauptstadt Dublin können sich immer mehr Menschen das Wohnen nicht leisten. 1,8 Millionen Personen leben in der Greater Dublin Area, das entspricht 39 Prozent der irischen Bevölkerung. Bis 2031 wird die Einwohnerzahl nach Schätzung des irischen Statistikamtes um mindestens 100000, möglicherweise sogar um fast 300000 zunehmen. 

Schon vor 20 Jahren begann in Dublin mit dem Bauboom der steile Anstieg der Preise für Kauf­immobilien und Mieten. Ursache war der sogenannte Google-Effekt. Seit den 1990er Jahren lockte der „Keltische Tiger“ Hunderte Konzerne aus der Hochtechnologie-, Pharma- und Luftfahrtindustrie mit extremen Steuervergünstigungen an. Im Tech-Viertel „Silicon Docks“ im Zentrum der Stadt haben sich Google, Facebook und Twitter mit ihren Europazentralen niedergelassen sowie zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen. Landesweit zählt der Finanz- und ICT-Sektor 280000 Beschäftigte, fast die Hälfte davon wohnt in Dublin. Für ihre Angestellten mieten die Unternehmen häufig Wohnungen in den gentrifizierten Stadtvierteln an und treiben so die Preise weiter in die Höhe. Normalverdiener werden in die Vororte verdrängt und sind nun als Pendler vom Dauerstau betroffen. 

Der langanhaltende Bauboom im Wirtschaftswunderland hatte eine Immobilienblase hervorgerufen. Auf Grund dessen schossen die Preise für Wohnraum steil in die Höhe, nur unterbrochen von der Finanzkrise 2008/09 und einigen Jahren der Stagnation. 

Andererseits verzeichnet Irland eine der höchsten Wohneigentumsquoten der Welt. Es scheint daher widersinnig, dass bezahlbarer Wohnraum in Dublin, anders als auf dem Land, längst wieder Mangelware ist. Zur Wohnungsnot haben neben dem Google-Effekt Bevölkerungswachstum, Zuzug aus ländlichen Gegenden, zahlreiche Immigranten und irische Rückkehrer beigetragen, die auf Grund der einst hohen Arbeitslosigkeit ausgewandert waren. Zwischen 2012 und 2016 betrug der jährliche Einwohneranstieg in Dublin zwölf Prozent. In derselben Zeit zogen die Immobilienpreise um 67 Prozent an, allein im Jahr 2014 um 40 Prozent. Sie entsprechen nun etwa denen von Hamburg, Berlin und Frankfurt, teilweise liegen sie noch wesentlich höher. Auch sind die Lebenshaltungskosten in Irlands Metropole höher als in Deutschland. Spät, erst 2016, hat die Regierung das Budget für den Bau von Sozialwohnungen verdoppelt. Zuvor wurde vor allem der Erwerb von Eigenheimen am Stadtrand finanziell gefördert.

Dubliner Einwohner im Haushaltsgründungsalter, die beabsichtigen, ihr erstes Wohneigentum zu erwerben, sind betroffen von dieser Entwicklung, junge Menschen überhaupt, aber auch Familien und Alleinerziehende. Mieten galt in Irland immer nur als Übergangslösung, doch das hat sich geändert. Wohnungen werden aufgeteilt, die Zimmer einzeln vermietet. 

Doch wer zur Miete wohnt, hat nach wie vor so gut wie keine Rechte. Für immer mehr Wohnungssuchende, denen der Vermieter gekündigt hat, sind vom Staat bezahlte temporäre Notunterkünfte in Hotels der letzte Notanker, um nicht obdachlos zu werden. Im Zuge dieser Entwick­lung hat sich in Dublin eine Hausbesetzerszene etabliert. 

Im Kontrast dazu steht die Meldung, dass Irland im Jahr 2016 das drittreichste Land Europas war. Doch die Wirtschaft kühlt sich ab. Wachstumsraten von zeitweise bis zu 26 Prozent stand 2016 ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von „nur“ noch 4,5 Prozent gegenüber. Nicht nachvollziehbar ist das Versagen der Politik, die es versäumt hat, rechtzeitig Maßnahmen in Kraft zu setzen, um die mit dem rasanten Wachstum verbundenen Entwicklungen auf dem Dubliner Wohnungsmarkt abzufedern.