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16.11.18 / Das Trauerspiel von Paris / 100 Jahre Kriegsende: Der Gedenktag verkam zum Instrument aktueller Politik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Das Trauerspiel von Paris
100 Jahre Kriegsende: Der Gedenktag verkam zum Instrument aktueller Politik
Hans Heckel

Historische Gedenktage werden oft Opfer politischen Missbrauchs. Selten jedoch geschieht der so unverblümt wie jetzt in Paris.

Selten wurden historische Gedenktage so unverblümt für aktuelle politische Zwecke ein­­ge­spannt wie in diesem November. Es begann schon mit dem offiziellen Gedenken an 80 Jahre 9. November 1938 im Bundestag, welches dem deutsch-israelischen Schriftsteller Chaim Noll die Zornesröte ins Gesicht trieb (siehe „Meinungen“, S. 24).

In Paris setzte sich die Instrumentalisierung bruchlos fort, als es um den 100. Jahrestag des Waffenstillstands von 1918 ging. Emmanuel Macron schoss Pfeile auf US-Präsident Donald Trump ab, als er dessen Wahlkampfspruch „America First“ indirekt zur Parole eines „Verräters“ am Gedanken des Patriotismus denunzierte. 

Dabei haben es seit Jahrzehnten insbesondere französische Präsidenten meisterhaft verstanden, von „Europa“ zu sprechen, wenn es in Wahrheit um die nationale Machtstellung Frankreichs ging. Der Euro etwa sollte der Schwächung Deutschlands dienen und wurde nur zur Tarnung als „europäisches“ Projekt plakatiert.

Angela Merkel griff nach dem Gedenktag, um ihre gescheiterte Asyl- und Zuwanderungspolitik durch die Blume zur einzig möglichen „Lehre aus der Geschichte“ umzudeuten: Wenn „Abschottung vor 100 Jahren schon keine Lösung war, wie kann sie es heute sein“, stellte die Kanzlerin einen bemerkenswerten Zusammenhang her. Es ging 1914/18 nicht um „Abschottung“, sondern um Eroberung, um Aneignung fremden Gebiets, um das Eindringen in andere Länder. Wer hier unbedingt einen Zusammenhang zu heute herstellen will, soll es tun, aber er wird gewiss woanders landen als die Kanzlerin.

Merkel warnte in Paris vor Kompromisslosigkeit, vor Scheuklappendenken und mangelnder Bereitschaft zu gegenseitiger Rücksichtnahme und zum Dialog zwischen den Staaten. Das dürfte Stirnrunzeln in etlichen EU-Staaten hervorrufen, die sich von der einseitigen Grenzöffnung der Kanzlerin 2015 völlig überfahren fühlten und sich deshalb bis heute weigern, an der von Merkel seit mehr als drei Jahren mit hoher moralischer Pose eingeforderten „europäischen Lösung der Flüchtlingsfrage“ mitzuwirken. Diese Politik Berlins hat tiefe Gräben aufgerissen. 

Pikant ist das fordernde Bekenntnis zur Öffnung, wenn man die Folgen für die innere Sicherheit der einfachen Menschen bedenkt und dann nach Paris blickt. Merkel, Macron und Co. ließen sich einhegen in einen Wall von kaum je dagewesenen Sicherheitsmaßnahmen, um – ungestört von jeder Gefahr – dort drinnen ihre „Offenheit“ zu zelebrieren. Und statt den von Merkel angemahnten „Dialog“ zu fördern, ließen sie Belehrungen auf andere Staatsoberhäupter hageln. Paris war ein Trauerspiel.