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16.11.18 / Ist der GCP wirklich unverbindlich? / Warum der Globale Migrationspakt der UN in seinem Wirkungspotenzial nicht unterschätzt werden sollte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Ist der GCP wirklich unverbindlich?
Warum der Globale Migrationspakt der UN in seinem Wirkungspotenzial nicht unterschätzt werden sollte
Gerd Seidel

Während die Kritik an dem Globalen Migrationspakt der UN mit dem nahenden Unterzeichnungstermin am 11. Dezember ständig anschwillt und die Zahl der nicht unterzeichnungswilligen Staaten wächst, bemüht sich die Bundesregierung, beschwichtigend zu erklären, dass der Pakt kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag sei und auch nicht in die souveränen Rechte der Mitgliedstaaten eingreifen werde. Hat sie Recht?

Es gibt eine Reihe von äußeren Merkmalen, welche die Vermutung nahelegen könnten, dass der sogenannte Globale Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration (GCM, Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration) künftig völkerrechtlich verbindlich sein wird. Dafür würde die Bezeichnung als Pakt ebenso sprechen wie die zahlreichen auf einen Vertrag hindeutenden Formulierungen mit detaillierten Verpflichtungserklärungen oder die wiederholte Berufung auf Menschenrechtsübereinkommen und die UN-Charta. Es geht jedoch weder um den Titel des Dokuments noch um einzelne Formulierungen.

Die entscheidende Frage ist aus völkerrechtlicher Sicht, ob die Teilnehmerstaaten die Absicht haben, mit diesem Dokument für sich eine völkerrechtliche Verbindlichkeit zu erzeugen. Das ist nicht der Fall, weil dies im Text ausdrücklich verneint wird. Dort heißt es in Paragraf 7, „der Globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen“ dar. So wird dieser außerrechtlichen Abmachung nach ihrer Annahme durch die Staats- und Regierungschefs demnach keine völkerrechtliche Verbindlichkeit zukommen. Das bedeutet vor allem, dass im Falle der Verletzung einzelner Regelungen keine völkerrechtlichen Sanktionen folgen und auch die Anrufung eines in­ternationalen Gerichts nicht möglich ist. Man wird nur von einer politisch-moralischen Bindung sprechen können, die schwächer als die völkerrechtliche ist. 

Und dennoch sind derartige Dokumente, die einstimmig oder von einer großen Mehrheit der Staatengemeinschaft auch ohne völkerrechtliche Verbindlichkeit angenommen worden sind, in ihrem Wirkungspotenzial nicht zu unterschätzen. Sie können – wie die internationale Praxis zeigt – auf verschiedenen Wegen eine Eigendynamik entwickeln, die nach einer gewissen Zeit in der völkerrechtlichen Verbindlichkeit mündet. Das gilt allerdings nicht für jene Staaten, die sich der Annahme oder Unterzeichnung widersetzt haben.

Die Bundesrepublik Deutschland würde sich also als Unterzeichnerstaat dieser Dynamik nur schwer entziehen können. Die möglichen Wege dorthin sind vielfältig. So könnte der Globale Pakt zunächst eine Vorstufe, also eine Art „Testlauf“ sein, um bei positiver Resonanz als völkerrechtlicher Vertrag zur Unterzeichnung und Ratifikation aufgelegt zu werden. Beispielsweise wurde die Anti-Rassismus-Deklaration der UN von 1963 schon 1966 in die völkerrechtlich verbindliche Anti-Rassismus-Konvention überführt. 

Ein anderer Weg wäre, dass der vorliegende Pakt nach einigen Jahren ganz oder in Teilen zu Völkergewohnheitsrecht wird, indem die Teilnehmerstaaten die darin enthaltenen Regelungen als Recht behandeln. Schließlich zeigt das Beispiel der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) von 1975, dass auch ein Dokument mit „nur“ moralischer Verbindlichkeit eine außerordentlich hohe Bedeutung mit politischer Sprengkraft erlangen kann.

Der Pakt behandelt die Immigration als einen schicksalhaft unvermeidbaren Vorgang, zu dessen Regulierung (nicht Verhinderung) nur an einigen Stellschrauben zu drehen sei. In Wirklichkeit verlangt seine Umsetzung von den europäischen Zielstaaten letztlich den Verzicht auf wesentliche souveräne Rechte. Denn die massenhafte Aufnahme von Wirtschaftsimmigranten, die unter dem Vorwand des Asylbegehrens ins Land kommen und regelmäßig mangels Identitätsfeststellung nicht mehr zurückgeführt werden können, wird im Ergebnis auf einen Bevölkerungsaustausch hinauslaufen.

Entgegen der im Pakt enthaltenen Feststellung, Nutznießer der Immigration seien gleichermaßen die Ausgangs- und die Zielstaaten der Migration, sind die Rechte und Pflichten darin sehr ungleich zulasten der westlichen Industriestaaten verteilt. Während die Zielstaaten des Nordens mit konkreten Pflichten überhäuft, beispielsweise dazu verpflichtet werden, den Immigranten erleichterten Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen, zum Arbeitsmarkt sowie zu anderen nationalen Einrichtungen zu gewähren, werden die Missstände, die in den Ausgangsstaaten die Ursachen für das Verlassen des Landes sind, wie die schlechte Regierungsführung (bad governance), die weitverbreitete Korruption oder das niedrige Bildungsniveau als Hauptgrund für die Bevölkerungsexplosion nicht angesprochen und deren Beseitigung auch nicht angemahnt. 

So sind die Ausgangsstaaten der Immigration per saldo die Gewinner des Pakts. Da sie zudem eine komfortable Zweidrittelstimmenmehrheit in der UN haben, dürften sie ein lebhaftes Interesse daran haben, kraft dieser Mehrheit bald auf die völkerrechtliche Verbindlichkeit hinzuwirken, um dann die Zielstaaten des Nordens im Falle der Nichteinhaltung mit rechtlichen Mitteln zur Verantwortung zu ziehen. Eine Überführung des vorliegenden Pakts in einen völkerrechtlichen Vertrag wäre ohne große Probleme möglich, weil der Wortlaut des Pakts schon jetzt alle notwendigen Ingredienzien einschließlich eines Überprüfungsverfahrens zur Umsetzung des Pakts enthält. 

Die potenziellen Verliererstaaten des Nordens können sich dem nur durch Nichtteilnahme entziehen. Vermutlich aber wird Kanzlerin Angela Merkel die Unterzeichnung des Pakts in Marrakesch als „krönenden“ Abschluss ihrer Laufbahn als „Flüchtlingskanzlerin“ vornehmen. Dass infolgedessen in Deutschland nach etwa zwei Generationen Bedingungen herrschen können, die heute in den Ausgangsstaaten zum Verlassen des Landes führen, wird sie wohl kaum tangieren.