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16.11.18 / Zwischen Geld und Glauben / Druck der USA bewirkt neue Glaubensspaltung der Orthodoxie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Zwischen Geld und Glauben
Druck der USA bewirkt neue Glaubensspaltung der Orthodoxie
Thomas W. Wyrwoll

Die Aufspaltung der Orthodoxie ist in vollem Gange und dürfte sich in absehbarer Zeit kaum mehr aufheben lassen.

Mehr als zwei Jahrzehnte lang hatte Bartholomäus I., der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel und Primus inter pares der orthodoxen Kirchenführer, keinerlei Anstalten gezeigt, an der Spaltung der ukrainischen Orthodoxie in drei Kirchen und dem daraus folgenden Ausschluss einer Mehrheit der dortigen Gläubigen aus der orthodoxen Weltgemeinschaft – nur die nominell dem Moskauer Patriarchat unterstehende ukrainische Teilkirche galt den übrigen Kirchen als „kanonisch“ und damit rechtgläubig – irgendetwas zu ändern. Gleiches gilt bezüglich seiner Haltung zu der der Serbischen Kirche abspenstigen und daher global verstoßenen Makedonischen Orthodoxen Kirche, die sein Patriarchat 50 Jahre lang nicht anerkennen wollte, da die selbstbewussten Balkanslawen eine Herausforderung für den bosporusgriechischen Klerikalnationalismus darstellten.

Als seine US-amerikanische Schutzmacht, die durch die Schaffung einer ukrainischen Nationalkirche den russischen Einfluss in der Ukraine weiter begrenzen und zugleich die Makedonen für eine Ausweitung der NATO auf ihr Land gewinnen will, mit der Entziehung seiner reichen Pfründe aus den US-amerikanischen Tochtergemeinden drohte, änderte sich dies freilich schlagartig. Kurz nachdem der ukrainische Präsident Petro Poroschenko mit der Bitte um Schaffung einer kanonisch anerkannten ukrainischen Nationalkirche bei ihm vorstellig wurde, ließ der Patriarch in der Predigt zu seinem eigenen Namenstag im Juni vernehmen, dass er die „apostolische Pflicht“ verspüre, den Ukrainern wie den Makedonen eine Rückkehr in die Kirchengemeinschaft zu ermöglichen. Schließlich habe die Kirche stets zum Guten aller Völker gewirkt und nie eigennützige oder ethnische Ziele verfolgt – womit er fraglos für globale Heiterkeit sorgte. 

Als ersten Schritt zur Umsetzung der Autokephalie (Eigenständigkeit) ernannte Bartholomäus zwei auslandsukrainische Exarchen (Bischöfe) in Kiew, welche die drei nichtunierten orthodoxen Kirchen des Landes bei der Anbahnung wechselseitiger Kontakte unterstützen und letztlich aus diesen eine neue Kirche bilden sollten. Der Heilige Synod in Moskau drohte nun angesichts der Einmischung in seinen bisherigen Hoheitsbereich mit einer Aufhebung der Kirchengemeinschaft.

Die Synode des Ökumenischen Patriarchats fasste schließlich am 11. Oktober den Beschluss, der Ukrainischen Kirche Autokephalie zu gewähren, einen Vertrag von 1686 mit dem Moskauer Patriarchat zur einstweilen Überstellung der Ukraine in dessen Territorium aufzuheben und die Zugehörigkeit Kiews zum eigenen geistlichen Herrschaftsbereich zu erneuern sowie die exkommunizierten ukrainischen Kirchenführer zu rehabilitieren – vollständiger hätte ein Bruch mit Moskau nicht ausfallen können. Das Moskauer Patriarchat erklärte daraufhin vier Tage später, dass man unter diesen Umständen jede eucharistische Gemeinschaft mit Konstantinopel aufheben müsse.

Die folgende Reaktion aus Konstantinopel setzte der bisherigen Krise die theologische Krone auf: Patriarch Bartholomäus verlangte, dass sich Moskau und alle anderen orthodoxen Kirchen seinen Grundsatzentscheidungen und explizit „seinem Primat“ beugen müssten – und warf damit eine der absoluten Grundfesten orthodoxer Theologie über den Haufen. Eine solche „Selbstverpapstung“ dürfte das Schisma noch weitaus mehr als die Moskauer Entscheidungen zementieren.