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16.11.18 / Immer wieder »schleierhaft«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Immer wieder »schleierhaft«
H. Tews

Der Philosophielehrer scherzte vor seinen Schülern, ihm käme es immer „schleierhaft“ vor, wenn er die Dialoge Platons in deutscher Übersetzung lese. Damit spielte er nicht nur auf viele unverständliche Stellen an, sondern vor allem auf den Übersetzer: Friedrich Schleiermacher.

Der vor 250 Jahren geborene Breslauer Philosoph und Theologe, dessen zwischen 1804 und 1828 erschienene vollständige Übersetzung der Werke Platons bis heute in etwa so epochal geworden ist wie die Schlegel-Tiecksche Shakespeare-Übertragung, musste sich noch so manche Wortspiele mit seinem Na­men gefallen lassen. Als 1868 zum 100. Jahrestag ein „Schleiermacher-Fest“ ausgetragen wurde, erschien eine Karikatur, in der die Verkörperung der Vernunft mit dem Schleier der Orthodoxie verhüllt wurde. Darunter stand: „Was man jetzt in Berlin unter Schleier-Macher versteht.“

Die idealistische Vernunft platonischer Prägung färbte schon der in einem Pfarrhaus aufgewachsene und vom Herrnhuter Pietismus geschulte Schleiermacher religionsphilosophisch ein. „Die Welt nicht ohne Gott, Gott nicht ohne die Welt“, war eines seiner Credos, die er in den Vorlesungen zur Dialektik predigte.

Am 21. November 1768 in Breslau ge­boren, studierte er in Halle Theologie, um dann in Ostpreußen als Hauslehrer auf Schloss Schlobitten beim Grafen zu Dohna zu wirken. Später zog es ihn nach Berlin, wo er im Romantiker-Kreis um Friedrich Schlegel Aufnahme fand. Von Schlegels freizügig-erotischem Roman „Lucinde“ war Schleiermacher so begeistert, dass er dazu eine Art Fortsetzung schrieb. 

Als er am 12. Februar 1834 in Berlin starb, war er nicht nur durch seine monumentale Platon-Übersetzung ein gefeierter Held. Mit seinen Texten zur Religion legte er auch die philosophischen Grundlagen der Frömmigkeit im 19. Jahrhundert.