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16.11.18 / Pendant des Westens zur heutigen Humboldt-Uni / Vor 70 Jahren erhielten die Westsektoren Berlins mit der Freien Universität ihre eigene Alma Mater

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Pendant des Westens zur heutigen Humboldt-Uni
Vor 70 Jahren erhielten die Westsektoren Berlins mit der Freien Universität ihre eigene Alma Mater
Klaus J. Groth

Von manchem ist die Gründungsgeschichte kaum weniger spannend als die spätere Entwicklung. Bei der Freien Universität Berlin ist das der Fall. Ihre Gründung war eine weitere von vielen Folgen des damals beginnenden Kalten Krieges.

Die „Berliner Universität“, die älteste Hochschule der Stadt, wurde 1809 gegründet. Die Initiative dazu hatte der preußische Bildungspolitiker Wilhelm von Humboldt gegeben. König Friedrich Wilhelm III. stimmte im Rahmen der preußischen Reformen zu. Zu Ehren ihres Gründungsvaters trug sie den Namen „Friedrich-Wilhelms-Universität“. 1949 wurde der Name in „Humboldt-Universität zu Berlin“ geändert. Der königliche Bestandteil des Namens durfte nicht mehr sein. Die Universität lag nun im sowjetischen Sektor, in Berlin-Mitte.

Ausdrücklich wurde die Alma Mater auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration „neueröffnet“ und nicht „wiedereröffnet“. Es sollte ein scharfer Schnitt gemacht werden, die Universität nach sowjetischem Vorbild geführt werden. Bei einer „Wiedereröffnung“ hätte die Universität unter Vier-Mächte-Kontrolle gestanden. Der neue Rektor, Johannes Stroux, schwärmte von einer „völligen Erneuerung der äußeren und inneren Gestalt“, von einer „Volksuniversität“, die sich allen Schichten des Volkes öffne. Stroux war von der Sowjetischen Militäradministration zum kommissarischen Rektor ernannt worden. Er führte die Universität 1946 und 1947. 

In dieser kurzen Zeitspanne zeigte sich bereits, wohin die Reise gehen sollte. Studenten beklagten sich über den zunehmenden Einfluss der SED, eine erkennbare Auswahl der Studenten, einseitige Lehrinhalte. Als am 1. Mai 1946 an das Hauptgebäude der Universität das Emblem der SED montiert wurde, geschmückt mit roten Fahnen, kam es zu Protesten. Die sowjetische Geheimpolizei MWD reagierte prompt, sie verhaftete mehrere Studenten, zum größeren Teil Mitglieder der CDU oder der Jungen Union. Das Sowjetische Militärtribunal verurteilte sie zu jeweils 25 Jahre Zwangsarbeit wegen Bildung einer „Untergrundbewegung an der Universität Berlin“ und Spionage. 

Die Verfolgung endete damit nicht. Andere Studenten und Lehrende, insgesamt 18, wurden zwischen 1945 und 1948 verhaftet. Einige waren über Wochen verschwunden, andere wurden in die Sowjetunion verschleppt und dort umgebracht. Das war die Zeit, in der nicht nur im Westen die Neugründung einer Universität in Berlin immer nachdrücklicher gefordert wurde. 

1948 reagierte der Berliner Senat mit einem vorerst halbherzigen Beschluss, indem er die Errichtung einer „Deutschen Hochschule für Politik“ beschloss. Sie sollte nicht mehr zur Berliner Universität gehören. Im April 1948 demonstrierten Studenten gegen den Entzug der Zulassung von drei Studenten an der Humboldt-Universität. Das gab dem US-amerikanischen Militärgouverneur den Anlass, die Einrichtung einer Universität im westlichen Teil Berlins zu prüfen. 

Die Not war groß und die Zeit war reif. Die Dinge entwickelten sich mit erstaunlicher – heute wohl unglaublicher – Geschwindigkeit. Bereits im Juni 1948 trat ein studentischer Ausschuss zur Gründung einer freien Universität zusammen. Bald darauf konferierten Professoren, Dozenten, Verwaltungsmitarbeiter und Studenten gemeinsam. Man war sich von Beginn an hinsichtlich der großen Linie einig und rief „zur Gründung einer freien Universität Berlin“ auf. 

Es war nur eine Randnotiz im Kräftemessen der Großmächte, die sich zunehmend ineinander verbissen, aber es war eine Randnotiz mit Folgen. Vor dem Hintergrund der am 24. Juni 1948 begonnenen Blockade West-Berlins durch die Sowjetunion stimmte der Magistrat von Groß-Berlin der Schaffung einer freien Universität zu. Im Wintersemester 1948/49 sollte sie den Betrieb aufnehmen. Heftig protestierten Studentenräte in der sowjetisch besetzten Zone dagegen. Die DDR bezeichnete die FU bis zum Fall der Berliner Mauer als „sogenannte Freie Universität“. 

In der Satzung der neuen Universität spiegelte sich die Erfahrung mit dem Einfluss des Staates während der NS- und in der Nachkriegszeit wider. Als Rechtsform wurde eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung gewählt. Und statt direkt dem Staat wurde die Stätte der Forschung und Lehre einem Kuratorium unterstellt. In Letzterem waren anfangs auch die Studenten vertreten, schließlich hatten sie erheblich zur Gründung beigetragen. Die Staatsferne der Hochschule wurde bekannt als „Berliner Modell“. So weit war noch keine Universität gegangen. Während andere weiterhin an traditionellen Verfahren in Verwaltung und Lehre festhielten, baute die FU bis 1951 ihre Neuerungen, vor allem die Beteiligung der Studenten, allmählich ab. Man passte sich anderen Universitäten an, um anerkannt zu werden. Erst zwei Jahrzehnte später änderte sich die Richtung, das „Berliner Modell“ fand Eingang in andere Universitäten der Bundesrepublik.

Auch räumlich weit entfernt von der Humboldt-Universität in Berlin-Mitte, entstand die Freie Universität in Berlin-Dahlem. Den Kern bildeten Gebäude der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Etliche Villen im näheren Umkreis wurden gemietet. Die Gründungsfeier fand am 4. Dezember 1948 in einem Kino statt, der Titania-Palast verfügte über den größten Saal im US-amerikanischen Sektor. 

Zwei Jahrzehnte später wurde die FU zu einem Zentrum der 68er Bewegung. Der Name ihres Studenten Rudi Dutschke stand mit anderen für die Außerparlamentarische Opposition. Auch danach war die FU immer wieder verbunden mit Unruhen und studentischen Streiks. Maoistische K-Gruppen und von der DDR gesteuerte Verbände, hervorgegangen aus den 68ern, gaben den Ton an. Der Lehrbetrieb wurde boykottiert, Institute wurden besetzt. 

Mit 2140 Studenten hatte die FU den Betrieb aufgenommen. Bereits in den 1980er Jahren war daraus eine Massenuniversität geworden. Nach der Öffnung der Mauer stieg die Zahl der Studenten zeitweise auf über 60000. Nachdem der Senat beschlossen hatte, die Universität zu schrumpfen und das Lehrangebot mit schrumpfte, kam es wieder zu Demonstrationen und Streiks. Heute gehört die im Wintersemeter 1991/92 mit 62072 Studenten nach der Ludwig-Maximilians-Universität München zweitgrößte Universität Deutschlands mit 37000 Studenten immer noch zu den 20 größten Hochschulen im Land sowie zu den sogenannten Eliteuniversitäten.