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16.11.18 / Überfall im Morgengrauen bei Schneefall und Nebel / Am verheerendsten waren die Spätfolgen des von Custers Männern an den Indianern begangenen Massakers am Washita River

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Überfall im Morgengrauen bei Schneefall und Nebel
Am verheerendsten waren die Spätfolgen des von Custers Männern an den Indianern begangenen Massakers am Washita River
Wolfgang Kaufmann

Während der fast 300 Jahre andauernden Indianerkriege auf dem Boden der heutigen USA kam es immer wieder zu Massakern an Ureinwohnern Nordamerikas, die friedlich auftraten – begangen durch weiße Einwanderer oder die Armee der Vereinigten Staaten. Einer der bekanntesten Vorfälle dieser Art eignete sich vor 150 Jahren am Washita River, einem durch die Bundesstaaten Texas und Oklahoma fließenden Nebenfluss des Red River.

Im November 1868 lagerten etwa 6000 Angehörige der Stämme der Südlichen Cheyenne, Comanchen und Kiowa unweit von Fort Cobb im sogenannten Indianer-Territorium im heutigen Bundesstaat Oklahoma. Dort warteten sie auf den Befehl zum Abmarsch in ihre neuen Reservate. Die „Umsiedlung“ war eine Folge der Verträge von Medicine Lodge vom Oktober 1867, die vorsahen, dass die Indianer Kansas und Colorado räumen und künftig in Reservaten im Nordosten Oklahomas leben werden. Die Verdrängung der Ureinwohner resultierte aus dem Landhunger der weißen Siedler, Goldfunden sowie der Absicht, Eisenbahnen in Richtung Westen durch den traditionellen Lebensraum der indianischen Völker zu bauen.

Auch deshalb, weil die vertraglich zugesicherten Lebensmittellieferungen ausblieben, sodass Hunger herrschte, waren allerdings nicht alle Krieger bereit, sich an die Abmachungen mit der US-Regierung zu halten und jagten in den alten Stammesgebieten. Während dieser Jagden ermordeten sie auch Dutzende von weißen Zivilisten, so zum Beispiel im Bereich des Saline River in Kansas. Daraufhin beschloss Major General Philip Sheridan, der neuernannte Kommandeur der Military Division of the Missouri der U.S. Army, dem die militärische Sicherung der Region oblag, ein Exempel zu statuieren: „Ich bin der Überzeugung, dass die Indianer drastisch bestraft werden sollten. Die Rädelsführer, die für die derzeitigen Unruhen verantwortlich sind, sollte man hängen, die Ponys töten und die Wohnstätten so gründlich zerstören, dass die Indianer in völliger Armut leben müssen.“ 

Diese Aufgabe übertrug Sheridan seinem Vertrauten Lieutenant Colonel George Armstrong Custer, dem das 7. US-Kavallerie-Regiment in Fort Riley (Kansas) unterstand. Custer hatte im Sezessionskrieg eine Division kommandiert und sich dabei vielfach durch große Tapferkeit ausgezeichnet. Danach hatte seine Karriere aber einen weniger glücklichen Verlauf genommen. Aufgrund des Scheiterns der von ihm geleiteten Expedition ins Land der Sioux und Cheyenne war er am 16. September 1867 für die Dauer von zwölf Monaten ohne Sold sus­pendiert worden. Deshalb brannte Custer darauf, sich im Verlaufe des von Sheridan geplanten Winterfeldzuges 1868/69 gegen als „feindlich“ deklarierte Stämme zu rehabilitieren.

Während die Planungen für das Unternehmen liefen, stieß eine Gruppe der Südlichen Cheyenne unter der Führung des Häuptlings Make-ta-vatah, meist „Black Kettle“ genannt, zu den anderen Indianern, die bereits entlang des Wa­shita River bei Fort Cobb lagerten. Black Kettle war einer der Unterzeichner der Verträge von Medicine Lodge und gehörte zu den Stammesführern, die dessen Abmachungen auch strikt einhielten. Jedoch erstreckte sich seine Autorität nicht auf alle Südlichen Cheyenne. Das sollte ihm zum Verhängnis werden.

Am Abend des 25. November 1868 war eine Gruppe von 150 jungen Kriegern in die verschiedenen Indianerlager am Washita River zurückgekehrt, nachdem sie zuvor weiße Ortschaften im Raum des Smoky Hill River terrorisiert hatte. Dabei passierte sie auch die kleine Zeltstadt von Black Kettles Leuten. Am Tage darauf fanden Kundschafter vom Stamm der Osage, die im Dienst der 7. Kavallerie standen, die Spuren der Unruhestifter. Daraufhin befahl Custer, in Richtung des Washita River auszuschwärmen. Zeitgleich beriet sich Black Kettle mit den Ältesten und fasste in der Nacht zum 27. November den Entschluss, Sendboten nach Fort Cobb zu schicken, die nochmals seinen Friedenswillen und mangelnden Einfluss auf marodierende Stammesgenossen betonen sollten. Währenddessen rückten vier Abteilungen der 7. Kavallerie konzentrisch auf das Lager des Häuptlings vor, das aus rund 50 Zelten bestand, in denen etwa 250 Menschen schliefen.

Der Angriff begann im Morgengrauen bei Schneefall und Nebel. Zuvor hatte Custer entgegen landläufig kursierenden Behauptungen den Befehl gegeben, nicht auf Frauen und Kinder zu schießen. Allerdings entwickelte sich unter den Klängen der Regimentskapelle schnell eine unkontrollierbare Eigendynamik – insbesondere, als auch noch die mit den Cheyenne verfeindeten Osage eingriffen und gnadenlos zuschlugen. 

Über die genaue Zahl der Opfer des Überfalls wird bis heute gestritten. Wahrscheinlich starben damals mindestens 20 Krieger sowie 30 bis 40 Frauen. Darüber hinaus wurden 53 Frauen und Kinder, die nicht mehr fliehen konnten, gefangen genommen und während des Rückzuges der 7. Kavallerie als lebende Schutzschilde benutzt. Unter den Toten war auch Black Kettle, der ein ähnliches Massaker im Jahre 1864 am Sand Creek überlebt hatte. Er endete genau wie seine Frau Medicine Woman durch Schüsse in den Rücken. 

Verluste erlitt aber auch die 7. Kavallerie. Als ein Trupp von 20 Mann unter Major Joel Haworth Elliott den flüchtenden Cheyenne nachsetzte, wurde dieser von Kriegern aus anderen Lagern gestellt und komplett aufgerieben. Von diesen 20 Männern abgesehen fand von den Angreifern nur noch Captain Louis McLane Hamilton bei dem Überfall den Tod. Er starb gleich zu Beginn des Angriffs.

Nach der „Schlacht am Washita“, die Custers einziger „Sieg“ im Feldzug gegen die Indianer bleiben sollte, ließ der Kavallerieoffizier rund 675 Reittiere der Cheyenne erschießen, um ihnen sowohl die Büffeljagd als auch weitere Attacken gegen weiße Siedlungen unmöglich zu machen. Außerdem wurden sämtliche Wintervorräte der Indianer vernichtet. Wie viele Menschenleben diese „Vorsichtsmaßnahmen“ in den Monaten nach dem Massaker kosteten, wird für immer ungeklärt bleiben, doch lässt sich so viel sagen, dass es die meisten Opfer somit erst nach dem Überfall gab.

Trotz aller bald von der Presse erhobenen Kritik an seinem Vorgehen am Washita River behielt Custer das Kommando über die 7. Kavallerie. Mit der attackierte er knapp acht Jahre später, am 25. Juni 1876, eigenmächtig die versammelte Hauptstreitmacht der Sioux, Arapaho und Cheyenne unter Sitting Bull und Crazy Horse am Little Bighorn River im heutigen Montana. Diesmal war der indianische Gegner jedoch mehrfach überlegen, sodass Custer und seine beiden Brüder sowie 265 weitere US-Militärangehörige den Angriff nicht überlebten.