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16.11.18 / Geister in der Grauzone / Wo die falschen Doktorarbeiten herkommen: Das schillernde Geschäft der »Ghostwriter«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Geister in der Grauzone
Wo die falschen Doktorarbeiten herkommen: Das schillernde Geschäft der »Ghostwriter«
Wolfgang Kaufmann

Für manche stehen sie auf einer Stufe mit Kriminellen oder Prostituierten, für andere sind sie der letzte Rettungsanker, wenn das Studium oder die Promotion an mangelnden Fähigkeiten beziehungsweise fehlender Zeit zu scheitern drohen: die akademischen Ghostwriter. 

Bei diesen handelt es sich nicht um Schreibprofis, welche für Politiker oder Prominente Memoiren verfassen, sondern um fachlich hochqualifizierte Personen, die das Erstellen von wissenschaftlichen Texten für „Kunden“ als lukrative Einkommensquelle nutzen. Qualität hat in dieser Branche durchaus ihren Preis: Für Seminararbeiten und ähnliches von        20 Seiten Umfang fallen im Durchschnitt 1800 Euro an – selbstverständlich inklusive Mehrwertsteuer. 

Eine Masterarbeit schlägt dann bereits mit rund 8000 Euro zu Buche. Und wer beabsichtigt, seine Dissertation (Doktorarbeit) von Ghostwritern schreiben zu lassen, sollte sich auf Summen zwischen 10000 und 50000 Euro einstellen – je nach Disziplin und Länge. Deshalb machen Agenturen wie „GWriters“ und „Acad Write“ inzwischen Millionenumsätze. 

Für ihr Geld bekommt die Kundschaft alles geliefert, was sie bestellt: von einfachen Übersetzungen oder Hilfeleistungen bei der Strukturierung von Texten bis hin zum „Komfortpaket“ mit Teillieferungen und „Feedbackschleifen“, Lektorat „durch einen zweiten wissenschaftlichen Experten“ sowie kostenlosem Wechsel des Ghostwriters bei Unzufriedenheit.

Meist wird auch eine Plagiatsprüfung angeboten, weil die Universitäten jetzt allesamt Computerprogramme zur Erkennung von übernommenen Textpassagen nutzen. Keiner der Kunden soll auffliegen wie weiland Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, dessen Karriere krachend endete, als herauskam, dass er sich in seiner Dissertation mit fremden Federn geschmückt hatte.

Der Hauptgrund, Ghostwriter in Anspruch zu nehmen, ist fachliche Überforderung. Wissenschaftliches Arbeiten will gelernt sein, jedoch werden die entsprechenden Grundfertigkeiten heute kaum mehr an den Gymnasien vermittelt. Andere Studenten benötigen viel Zeit für Nebenjobs. Und Doktoranden werden oft so von ihren Professoren für deren eigene Projekte eingespannt, dass das Schreiben der eigenen Dissertation auf der Strecke bleibt. Außerdem wären da noch die ausländischen Nachwuchsakademiker mit diversen Sprachproblemen.

Natürlich ist das Ghostwriting illegal – aber nur auf Seiten des Studenten oder Promovenden, wenn er eine von anderen geschriebene Arbeit als seine eigene ausgibt. Deshalb fordern der Deutsche Hochschulverband und die Hochschulrektorenkonferenz ein umfassendes gesetzliches Verbot des akademischen Ghostwritings überhaupt. Doch stellt sich hier wie im Falle vieler anderer Gesetze die Frage, wer deren Einhaltung kontrollieren soll.

Denn Ghostwriter arbeiten extrem diskret und der „Kunde“ wird ebenfalls absolute Verschwiegenheit wahren. Damit läge die Beweislast bei den Personen, welche die Arbeiten bewerten. Wenn aber der Hochschullehrer an einer Massenuniversität vier Seminare mit je 40 Studenten „betreuen“ muss, wird er kaum genau hinschauen können.

Ebenso hat es wenig Sinn, an die Ehrlichkeit und das Gewissen des akademischen Nachwuchses zu appellieren. Denn der macht sich natürlich auch seine Gedanken angesichts der Zustände an den Universitäten. So äußerte ein anonym bleiben wollender Absolvent, der seine Bachelor-Arbeit von Ghostwritern schreiben ließ: „Was nützt es mir, eine Leistung zu erbringen, die nicht richtig gemessen wird, weil der Professor die Arbeit gar nicht selbst bewertet, sondern an Hilfskräfte weiterreicht?“