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16.11.18 / Bauarbeiter stießen auf evangelischen Friedhof / Allensteiner Denkmalschutz ließ Funde archäologisch überprüfen – Diskussion über weiteres Vorgehen hält an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Bauarbeiter stießen auf evangelischen Friedhof
Allensteiner Denkmalschutz ließ Funde archäologisch überprüfen – Diskussion über weiteres Vorgehen hält an
E. Gladkowska

Im Februar waren Bauarbeiter bei Kanalisierungsarbeiten hinter dem Polizeipräsidium der Woi-wodschaft Ermland und Masuren in der Bahnhofstraße [Partyzantówstraße] in Allenstein auf sterbliche Überreste gestoßen. Daraufhin wurden die weiteren Arbeiten sofort eingestellt und eine archäologische Untersuchung in Auftrag gegeben. 

Diese Untersuchung ergab, dass die gefundenen Gebeine vom evangelischen Friedhof stammen, der ab 1873 als Begräbnisstätte genutzt worden war, Die letzten Bestattungen fanden 1947 statt. In den 60er Jahren wurden drei evangelische Friedhöfe, ein jüdischer sowie zwei Friedhöfe des Ersten Weltkriegs für deutsche und russische Soldaten mit Beschluss vom 17. Mai 1962 geschleift. Die Grabmale und Kreuze des evangelischen Friedhofs wurden entfernt und auf dem Gelände  Garagen aufgestellt. Die Leichen wurden nicht exhumiert,  sie blieben einfach in der Erde.

Laut wurde es um den Friedhof erst im Sommer, als der Historiker Rafal Betkowski mit Teilnehmern eines historischen Spaziergangs auf die sterblichen Überreste stieß. Als die Gruppe  sich dem Gelände des ehemaligen Friedhofs näherte, sah sie menschliche Knochen und Schädel. Laut Passanten konnte man menschliche Überreste auf der gesamten Bahnhofstraße finden.

Nach Angaben des Allensteiner Rathauses hatte der Bauunternehmer, der die Leitungen verlegen sollte, keine Kenntnis von dem Friedhof. Die Stadt hält es für die beste Lösung, die sterblichen Überreste zu bergen und an einem anderen Ort beizusetzen. Die Situation um den ehemaligen evangelischen Friedhof sorgte in verschiedenen Gremien für Empörung. 

Im August beantragte der Verein „Swieta Warmia“ (Heiliges Ermland) beim Woiwodschaftsdenkmalpfleger, den evangelischen Friedhof in der Bahnhofstraße ins Denkmalregister einzutragen. Der jüdische Friedhof, der zur gleichen Zeit planiert wurde wie der evangelische, wurde bereits ins Register aufgenommen. Die Mitglieder des Vereins sind gegen eine Exhumierung und Umbettung. Sie fordern, dem Friedhof die Würde und den Schutz zu geben, den andere Begräbnisstätten auch genießen.

Auf dem ehemaligen evangelischen Friedhof wurden herausragende Persönlichkeiten der Stadt beigesetzt wie Oskar Belian oder Karl Roensch. Diese Namen sagen den heutigen Allensteinern nichts mehr. Keine Straße ist nach ihnen benannt, sie haben kein Denkmal und keine Gedenktafel. Geht man heute über die Bahnhofstraße, sieht man Garagen mit Graffiti „Polska dla Polaków“ (Polen für Polen). 

Da stellt sich die Frage nach einer Erinnerungskultur. Wie kann man diese in Städten aufbauen, deren Vorkriegsbewohner die Heimat verlassen mussten und an deren Stelle „neue Einwohner“ mit anderer Mentalität und mit anderer Geschichtsperspektive ihre Stelle einnahmen?

Die Stadt Allenstein will zusammen mit dem Verein „Heiliges Ermland“ und der evangelisch-augsburgischen Gemeinde in Allenstein sowie dem Polizeipräsidium der Woiwodschaft eine Lösung finden.





Persönlichkeiten, die laut Archiv auf dem Friedhof bestattet sind

Die Protestanten in Allenstein waren eine Minderheit, aber sie haben sich um die Geschichte der Stadt verdient gemacht. Um der Toten zu gedenken und damit die Menschen, die auf dem evangelischen Friedhof in der Bahnhofstraße beigesetzt wurden, nicht zu vergessen, sollen zumindest einige Namen erwähnt werden:

Oskar Belian (1832–1918) war Allensteiner Bürgermeister, dann Oberbürgermeister. Während seiner Amtszeit von 1877 bis 1908 wurde Allenstein ein Eisenbahnknotenpunkt. Die Irren-, Heil- und Pflegeanstalt wurde erbaut, das Schlachthaus, die Gasanstalt, das Wasserwerk und die Kanalisation gebaut. Zu Beginn seiner Amtszeit war Allenstein eine Kleinstadt von etwa 6400 Einwohnern. Bei seinem Ausscheiden aus dem Amt zählte die Stadt über 30000 Einwohner. Die Stadt ehrte ihren Oberbürgermeister, indem sie den im Herzen der Stadt am Hohen Tor gelegenen Platz nach ihm benannte. Nach seinem Ausscheiden wurde er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.

Karl Roensch (1859–1921) war Stadtverordnetenvorsteher und engster Mitarbeiter von Belian. Seiner Initiative und Arbeit verdankte Allenstein den Bau der Wasserleitung und Kanalisation, des Elektrizitätswerks und der Straßenbahn, der Realschule sowie des Neuen Rathauses. 1915 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Im Januar 2003 fand man seinen Grabstein inmitten eines Schutthaufens.

Rittmeister Alberti aus dem 10. Dragonerregiment; Carl Bernoth aus Insterburg – Gastwirt und Hotelier, Eigentümer des Hotels Deutsches Haus; Julius Butschkow – Gastwirt und Postmeister; Ottomar Dromtra Senior – Bankier und Brauereibesitzer; Gustav Eschholz – Kolonialwarenhändler und Stadtrat; Friedrich Feldheim und Wilhelm Sperl – Mühlenbesitzer; Carl Gauer – Besitzer der Seifensiederei am Markt; Reinhold Hesse – Besitzer der Drogerie am Markt; Ludwig Herbst – Gastwirt, Magistratsmitglied; Otto Naujack – Fleischermeister und Bauunternehmer; Besitzer der Ziegelei in der Eisenbahnstraße und der Fleischerei in der Ober-Straße 19; Allensteins Hauptbauunternehmer; in seinem Haus in der Kaiserstraße 3 [Erwina Kruka 3] befindet sich das städtische Kulturzentrum; Johann Paradowski – Ziegelbrenner; Julius Rautenberg – Bauunternehmer, in einem seiner Häuser befindet sich heute das Hotel Diplomat; Hermann Schoeneberg – Kolonialwarenhändler; Karl Ludwig Schwartz – Direktor des Kreisgerichtes; Dr. Adolf Gottlob Sonntag – Arzt; Wilhelm Starck – Kupfermeister; Arnold Stöhr – Maurermeister; Vizefeldwebel Thomas aus dem Ostpreußischen Schützenbataillon Nr. 1; Richard Wichura – Weinhändler, Gastwirt und Hotelier; Julius Wisutzki – Zahnarzt; Eduard Wolfram – Gründer der Maschinenfabrik und Eisengießerei. E.G.