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16.11.18 / „Kaiserpavillon“ im neuen Glanz / Renovierung des ehemaligen Jagdbahnhofes ist abgeschlossen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

„Kaiserpavillon“ im neuen Glanz
Renovierung des ehemaligen Jagdbahnhofes ist abgeschlossen
Manfred E. Fritsche

Nach 100 Jahren seit der Abdankung Kaiser Wilhelms II. erstrahlt sein ostpreußischer Jagdbahnhof nach vollendeter Renovierung durch den privaten Besitzer im neuen Glanz. Das Bauwerk war zuletzt das Bahnhofsgebäude Bauditten (ab 1940 Ebenhöh, heute polnisch Budwity) an der ehemaligen Strecke Marienburg–Miswalde–Maldeuten–Allenstein [Maldyty–Malbork-Olsztyn].

Ursprünglich wurde der „Kaiserpavillon“ in Prökelwitz [Prakwice] im Zusammenhang mit der Jagdleidenschaft des deutschen Kaisers Wilhelm II. an der am 1. September 1893 eröffneten Bahnstrecke zwischen Maldeuten und Marienburg gebaut. Bereits 1884 war Prinz Wilhelm von Preußen zum ersten Mal zur Jagd in die Gegend gekommen. Ein Jahr später war er zu Gast bei der Familie zu Dohna-Schlobitten auf Gut Prökelwitz. Richard Wilhelm Ludwig Fürst zu Dohna-Schlobitten blieb bis 1906 Gastgeber des Kaisers, der alle Jahre zu seinen Jagden sowie auch 1910 zu Manövern in die Region kam.

Der Bau des Bahnhofs in Prökelwitz war mit der Verlegung der Sommerresidenz des Kaisers nach Cadinen bei Elbing verbunden. Von dort fuhr der Kaiser mit dem Zug nach Prökelwitz. Das zwischen 1893 und 1898 errichtete Haus erinnert in seiner Architektur mehr an einen Parkpavillion als an einen Bahnhof und wurde daher „Kaiserpavillon“ genannt. Das Holzgebäude besitzt ein Satteldach und ist mit Ziegeln gedeckt. Ursprünglich hatte es die Form ähnlich eines Hufeisens. Die Enden waren der Zufahrtsstraße zum Bahnhof in Form von vorstehenden Flügeln zugewandt, der im Osten ist etwas breiter und besitzt ein großes, dreiteiliges Fenster. Auf dem westlichen Dach befindet sich ein Turm mit polygonalem Dach, der von einer zwiebelförmigen Zinnkuppel gekrönt ist. Auf dem Turm stand ein Mast, an dem vermutlich bei den Besuchen Wilhelms II. die kaiserliche Flagge gehisst wurde.

Von der Bahnsteigseite betrachtet – von Norden – war unter dem Turm ein Erker mit einem dreifachen Fenster. Dieser Erker wurde bei der nunmehrigen Renovierung in moderner Bauweise mit neuen Festern ersetzt; dort befindet sich auch die Heizung des Gebäudes.

Anfangs gab es eine lange, überdachte Veranda, die von dekorativen, durchbrochenen Holzsäulen getragen wurde. In späterer Zeit (vermutlich um 1910) wurde diese Veranda zugebaut und auf diese Weise ein zusätzlicher Flügel geschaffen. Die Fronten am Ende des Daches wurden mit Fenstern, die eine Nachahmung neugotischer Architektur waren, abgeschlossen.

Wilhelm II. war ein Liebhaber des altnordischen Stils. Das Jagdschloss in Rominten wurde ebenfalls in diesem Stil gebaut. Die dekorativen Elemente der Holzschnitzereien werden mit der Wikingerkultur in Verbindung gebracht, so etwa am Dachstuhl mit stilisierten Drachenköpfen. Die hölzernen Dachkonsolen, die die Dachtraufe stützten, enden als geschnitzter Dreizack. Die Veranda an der Seite der Gleise und der Ostflügel erhielten eindrucksvolle Spitzbogenfenster, Dekorationselemente ragten in Form von Widderhörnern oder Tierköpfen darüber hinaus.

Nach dem Ende der Monarchie wurde der Haltepunkt Prökelwitz 1918 vollständig aufgelöst und nach Bauditten verlegt. Das hölzerne Bauwerk wurde komplett ab- und am heutigen Standort etwa 1925 wieder aufgebaut. Dabei und später wurden Umbauten vorgenommen, die das ursprüngliche Erscheinungsbild des „Kaiserpavillons“ veränderten.

Während der Zwischenkriegszeit wurde der Bahnhof wahrscheinlich zwischen den 1920er  und 1930er Jahren modernisiert. Nach der strategischen Bedeutung der Eisenbahnstrecken im Zweiten Weltkrieg wurde die Strecke Marienburg nach Miswalde 1945 von den Sowjets demontiert. 1949 wurde die Strecke wiedererrichtet, auf der nie mehr als vier Zugpaare täglich verkehrten. Das Nebengebäude bewohnten danach Eisenbahnerfamilien. In den 1950er Jahren wurde der Bahnhof zu Wohnzwecken umgebaut. 

Später verschlechterte sich dessen Zustand. Bis Mitte der 1990er Jahre gab es eine geschnitzte Holzbank im Wartezimmer. 1989 wurde die Wirtschaftlichkeit der Strecke betrachtet, die schon jahrelang Verluste einbrachte. Nach der Einstellung des Güterverkehrs enthielten die letzten Fahrpläne ab 1997 nur noch zwei Zugpaare. Dann dauerte es noch bis Ende 1999 bis zur Einstellung des Personenverkehrs und der Schließung des Bahnhofes. Am 26. April 2004 fiel die Entscheidung, die Strecke endgültig stillzulegen. Entgegen der sonst in Polen oft geübten Praxis, die Gleise von stillgelegten Strecken liegen zu lassen, wurden diese 2008 entfernt.

Das Gebäude blieb nicht von Plünderern und Vandalismus verschont. Nachdem die gesamte Inneneinrichtung gestohlen wurde, nagelte man die Fenster zu. Der Bahnhof stand mehrere Jahre zum Verkauf.

Zu Beginn dieses Jahres begannen die Instandsetzungsarbeiten des Bahnhofes, der nun wieder – in etwas anderer Form als beim Bau vor über 120 Jahren – ein Schmuckstück darstellt. An den Bahnbetrieb erinnern nur noch die vorhandene Bahnsteigkante außerhalb des Grundstückes, eine nicht mehr betriebsbereite Bogenlampe mit Betonmast mitten im Garten und die kleine Bahnbrücke, unter der die einzige Zufahrt hindurchführt.