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16.11.18 / 48 Stunden arbeitsfrei als Staatsgeschenk / 100 Jahre Unabhängigkeit – das kann man doch nicht an einem Tag abfeiern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

48 Stunden arbeitsfrei als Staatsgeschenk
100 Jahre Unabhängigkeit – das kann man doch nicht an einem Tag abfeiern
Chris W. Wagner

Seit 1937 ist der 11. November in Polen ein Nationalfeiertag. Gefeiert wird die 1918 erlangte vollständige Unabhängigkeit, nachdem der Staat über 100 Jahre zwischen Russland, Preußen/Deutschland und Österreich-Ungarn aufgeteilt war. 1945 ist dieser Feiertag für 44 Jahre aus Rücksicht beziehungsweise auf Geheiß der Sowjetunion gestrichen worden, bis er 1989 wieder zum Nationalfeiertag erklärt wurde. Am 8. November 1926 verlautbarte der damalige Premierminister Jozef Pilsudski, dass der 11. November stets im Gedächtnis der polnischen Gesellschaft bleiben sollte. Er regte an, dass dieser Tag frei von Arbeit und Schule sein sollte. Zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit bekommen polnische Staatsbürger noch einen zusätzlichen freien Tag geschenkt – den 12. November.

Die staatlichen Rundfunkstationen strahlten bereits am Vortag Konzerte mit patriotischen Liedern aus, die öffentlich-rechtlichen Radiosender spielten ausschließlich polnischsprachige Musik und in den Kirchen wurden Gratulationsworte von Papst Franziskus verlesen. Um 12 Uhr am 11. November übertrugen alle Rundfunkstationen die am Warschauer Pilsudski-Platz angestimmte Nationalhymne, damit jeder Pole diese zur gleichen Zeit mitsingen konnte, hieß es aus Warschau. 

In Breslau gingen in einer „Fröhlichen Unabhängigkeitsparade“ Familien aus vier Stadtteilen in Richtung Schlossplatz [Plac Wolnosci], um dort ebenfalls um 12 Uhr die Hymne mitzusingen und der offiziellen Jubiläumsfeier mit einer Militärzeremonie beizuwohnen. Das Breslauer Nationalmuseum organisierte für Kinder ein gemeinsames Suchen nach Nationalhelden auf dem Gemälde „Polonia“ von Jan Styka. 

Im Museumsfoyer sang der Chor der Technischen Hochschule patriotische Lieder des in Wartenburg in Ostpreußen [Barczewo] geborenen Feliks Nowowiejski (gestorben 1946 in Posen). Sein polnischer Vater setzte sich für das Polentum im Ermland ein, seine deutsche Mutter, die Pianistin Katharina Falk, unterstützte seine künstlerische Ader. Trotz der polnisch-patriotischen Einstellung des Vaters sprachen die Nowowjeskis besser Deutsch als Polnisch. 

Der Komponist der Spätromantik Feliks Nowowjeski spielte in Allenstein im Orchester der Preußischen Grenadiere und studierte später in Berlin Musik. 1907 gewann er den Kompositionswettbewerb in Lemberg mit dem Lied „Trauerzug Kosciuszkos zum Wawel“. 1907 komponierte er das große Oratorium Quo Vadis, das nach der Uraufführung am 22. Oktober 1909 in Amsterdam in mehr als 150 Städten in Europa, Nord- und Südamerika aufgeführt wurde und seinen Weltruf begründete.

Nowowiejski ließ sich in Krakau nieder, wo er als Direktor der Krakauer Musikgesellschaft tätig war. Gleichzeitig war er Organist und Kapellmeister der Warschauer Symphoniekonzerte. 

Am 15. Juli 1910 versammelten sich zum 500. Jahrestag der Schlacht bei Tannenberg die Krakauer auf dem Matejki-Platz und stimmten unter Nowowiejskis Leitung seine Komposition zum Gedicht von Maria Konopnickas „Rota“ an – dem Gedicht gegen die Germanisierung des polnischen Volkes. Aufgrund zunehmender Anfeindungen gegen Deutsche zog Nowowiejski nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Berlin. Er wurde zum Kriegsdienst eingezogen, schwor den Eid auf Kaiser Wilhelm II. und diente als Militärkapellmeister. 1918 ging er jedoch nach Posen und war dort als Dozent an dem Musikkonservatorium, Komponist, Dirigent und Chorleiter tätig. 

Wegen seiner Auftritte als Redner beim Plebiszit von 1920 im Abstimmungsgebiet Allenstein wurde dessen Musik im übrigen Deutschland boykottiert. Nowowiejski geriet mehr und mehr in Vergessenheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die deutschen Ostprovinzen an die Volksrepublik Polen fielen, wurde Nowowiejski wegen seiner propolnischen Einstellung und den polnischen Themen vieler seiner Musikwerke dann endgültig „zum Polen deklariert“. 

Auch das Historische Zentrum Strapenbahndepot (Centrum Historii Zajezdnia) in Breslau stand am Unabhängigkeitswochenende ganz im Zeichen des Patriotismus. Neben Ausstellungen und Vorträgen stand das Konzert „Polnische Blumen“ (Kwiaty Polskie) zum Epos von Julian Tuwim (1894 in Lodsch – 1953 in Zakopane) im Mittelpunkt. Dieses Epos gilt als das Meisterwerk Tuwims. Es spielt hauptsächlich in Tuwims Heimatstadt Lodsch und beginnt um 1905, in der Zeit, als die Stadt dem zaristischen Russland gehörte. Der Krakauer Zygmunt Konieczny hat Fragmente der „Polnischen Blumen“ vertont.

Musikalisch, wenn auch auf eine andere Art, ging es in der Breslauer Jahrhunderthalle zu. Dort traten am 11. November Stars der polnischen Rockszene auf.