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16.11.18 / Süßes Sabbelwasser / Bärenfang – Bei 50 Umdrehungen schlägt die Sprache Purzelbäume

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Süßes Sabbelwasser
Bärenfang – Bei 50 Umdrehungen schlägt die Sprache Purzelbäume
Wolfgang Reith

Löst man Honig in fast 100-prozentigem Alkohol auf, gibt Zimt, Vanille, Nelken und einen Schuss Wasser dazu, so erhält man den Bärenfang, einen aus Ostpreußen stammenden Honiglikör oder -schnaps, der seit dem 15. Jahrhundert dort in Ge­brauch sein soll. Allerdings ist auch überliefert, dass ihn bereits die alten Prußen kannten. Bärenfang galt bei den Ostpreußen als Nationalgetränk, es war, wie sie sagten, Essen und Trinken zu­gleich. Aber auch die nach 1945 dort angesiedelten Bewohner haben die Tradition bis heute fortgeführt und beibehalten.

Bärenfang wurde in früheren Zeiten ausschließlich in den Privathaushalten Ostpreußens hergestellt. Viele Familien entwickelten nach und nach ihre eigenen Rezepte, wobei kleinere unterschiedliche Zutaten (Gewürze) leicht abgewandelte Geschmacksrichtungen hervorriefen. Auch im Alkoholgehalt gab es Unterschiede, er lag zwischen 20 und 45 Prozent. Daneben gab und gibt es noch heute den 50-prozentigen Ur-Bärenfang, Meschkinnes ge­nannt – von meška, litauisch für Bär –, der in der Flasche einen Bodensatz aus in Alkohol kandiertem hochwertigen Lindenblütenhonig enthält. Vor dem Ausschenken muss man die Flasche schütteln, damit das Getränk eine naturtrübe Bernsteinfarbe erhält. Der hochprozentige Meschkinnes  ist besonders im Norden Ostpreußens, vor allem im Memelland, beheimatet, wo er schon zu deutscher Zeit mit diesem litauischen Wort bezeichnet wurde. In einem alten Gedicht wird seine Wirkung wie folgt beschrieben:

„Meschkinnes nennt man diesen Trank, / auf Deutsch, da heißt er Bärenfang. / Von diesem drei, vier Schnäpschen kleine / sind gut für Kopf und Bauch und Beine. / Doch trinkst du viel von dem Meschkinnes, / dann wirst du gänzlich anderen Sinnes. / Zu­erst versagt das Gleichgewicht, / die Beine, die gehorchen nicht, / dann schwindet die Gedächtniskraft, / das Denken wird sehr mangelhaft. / Am längsten hält sich noch die Sprache, / doch was man spricht, ist so ’ne Sache.“

Seit dem 19. Jahrhundert wurde der Bärenfang auch kommerziell hergestellt. Erster Produzent war die Firma „Teucke und Koenig“ in Königsberg, die ihren Honiglikör unter dem Namen „Bärenjäger“ anbot. Auf den Flaschenetiketten war ein Jäger zu sehen, der einen Bären in der Falle gefangen hatte, als dieser sich gerade an einem Bienenstock zu schaffen machte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte die Traditionsfirma  in Hannover weiter, ehe sie 1967 mit der Kornbrennerei Steinhäger fusionierte. Heute wird der „Bärenjäger“ (35 Prozent) von der Firma „Schwarze & Schlichte“ in Oelde/Ostwestfalen hergestellt.

Seit den 1950er Jahren hat er auch eine weltweite Verbreitung erfahren. Neben dem „Bärenjäger“ produziert derselbe Betrieb auch einen 33-prozentigen Ho­nig­likör mit dem Markennamen „Bärenfang“. Darüber hinaus gibt es weitere ursprünglich in Ostpreußen ansässige Spirituosenfirmen, die Bärenfang nach alten Rezepten anbieten – meistens mit einem Alkoholgehalt zwischen 35 und 38 Prozent. Allen diesen Likören gemeinsam sind die an­fangs erwähnten Bestandteile, wobei es sich bei dem Honig um Lindenblüten-, Heide- oder Akazienhonig handeln sollte. Die Verwendung von Wald- oder Tannenhonig ist nicht angeraten, weil dieser zu einer bitteren Ge­schmacksnote führen kann. Bä­renfang wird zwar zu allen Jahreszeiten getrunken, ist aber be­sonders im kalten Winter beliebt. Für einen echten Ostpreußen war das Getränk stets Medizin, bei Erkältungskrankheiten zum Beispiel Ersatz für Aspirin.

Der polnische Honiglikör heißt „Krupnik“ – von krupa, alt-slawisch für Gerstenkorn – und enthält neben dem Honig bis zu 50 verschiedene Kräuter in 40- bis 50-prozentigem Kornbrand. Auch die Russen kennen Honigschnaps, angereichert mit zahlreichen Kräutern und Gewürzen, der unter dem Namen „Okhotnichya“ („Jägerwodka“) vertrieben wird.

Neben dem Bärenfang kannte man in Ostpreußen andere be­kannte Liköre und Spirituosen, die zum Teil heute noch beziehungsweise wieder hergestellt werden, so etwa „Bärenblut“ (Honig und Holunderschnaps), „Marjellchen“ (schwarzer Johannisbeerlikör), „Gumbinner Marillchen“ (Aprikosen-Likör), „Lorbaß“ (Kartoffelschnaps), „Trakehner Blut“ (Halbbitter), „Kosaken-“ oder „Kurenkaffee“ (gebrannter Mokkalikör), „Pillkaller“ (klarer Korn, der mit einer Scheibe Le­berwurst und Senf genossen wird). Im Kreis Pillkallen – ab 1938 Schloßberg – gab es sogar einen Ort mit dem Namen Bärenfang, der aber zu Beginn des Jahres 1945 in Schutt und Asche versank.