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16.11.18 / Jüdisches Leben im Egerland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-18 vom 16. November 2018

Jüdisches Leben im Egerland
Karlheinz Lau

Der Band „Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland“ enthält die Referate zum Thema, die 2017 auf den „Egerer Gesprächen“ von deutschen und tschechischen Fachleuten gehalten wurden. Es sind Historiker, Ethnologen, Geografen und Museumsfachleute. Förderer der Tagung waren das bayerische Staatsministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Integration sowie die Landsmannschaft der Sudetendeutschen. Das Staatsministerium ist Träger des „Hauses des Deutschen Ostens“ in München. Die Referenten sind jeweils Fachleute auf ihren Gebieten, wobei man es bisher und lange Zeit versäumt hat, sich intensiv mit den jüdischen Gemeinden in den sudetendeutschen Ortschaften zu befassen. 

Jahrhundertelang lebte man überwiegend friedlich zusammen, die Zäsur bildete das Jahr 1938 mit dem Abschluss des Münchener Abkommens. Inhaltlicher Schwerpunkt in den meisten Beiträgen ist die Region um die alte Reichsstadt Eger, seit der politischen „Wende“ ein beliebtes Ziel zahlreicher Besucher aus Deutschland. 

Einleitend werden wichtige geografische und statistische Daten genannt, die für das Verständnis der nachfolgenden Ausführungen unabdingbar sind. Der Name Sudeten ist eine Sammelbezeichnung für das Riesengebirge, für das Glatzer Schneegebirge und das Altvatergebirge. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zerfall der Habsburgermonarchie, zu welcher der gesamte Raum der heutigen Tschechei und Slowakei gehörte, nannten sich die deutschen Bewohner der Grenzgebiete zu Bayern, Sachsen,  Schlesien und Deutsch-Österreich pauschal Sudetendeutsche. Ihre Gebiete wurden aufgrund des Münchener Abkommens dem Deutschen Reich angegliedert. Rein zahlenmäßig lebten etwa 120000 jüdische Bürger 1920 auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik, davon zirka 25000 im überwiegend deutsch besiedelten Sudetenland. Die weitaus meisten waren deutschsprachig. Es darf behauptet werden, dass sie sich als Deutsche beziehungsweise als Deutsch-Österreicher sahen. 

Die große Katastrophe für diese Bevölkerungsgruppe begann 1938. Im Sudetenland war bereits 1939 die jüdische Bevölkerung fast ganz eliminiert, die physische Vernichtung in der gesamten Tschechei geschah in den Jahren 1940 bis 1945. Auch der real existierende Sozialismus war nicht unbedingt judenfreundlich. Das zeigte zum Beispiel die Praxis der Rückgabe von enteignetem Eigentum. 

Die Wende im Verhältnis zu den Juden kam mit der samtenen Revolution nach 1989. Sie ist mit der Person Vaclav Havel eng verbunden. Heute werden noch etwa 3000 bis 4000 jüdische Bürger in Tschechien geschätzt. Die Zahlen zeigen das Auslöschen einer kleinen Minderheit durch eine verbrecherische Ideologie. Es ist zu begrüßen, dass trotz der geringen Zahl jüdischer Menschen im Sudetenland Historiker, noch lebende Zeitzeugen, Nachfahren der jüdischen Einwohner sowie  an der Geschichte und den Schicksalen dieser Menschen Interessierte sich mit diesen Themen beschäftigen. 

Folgende Schwerpunkte werden in den einzelnen Beiträgen behandelt: „Zur Jüdischen Geschichte des Egerlandes“, „Jüdische Spuren und Maßnahmen zum Schutz in der heutigen Tschechei“, „Gemeindehäuser, Synagogen und Friedhöfe in der östlichen Oberpfalz und im Egerland“, „das Schicksal der bekannten jüdischen Persönlichkeit Richard Goldmann und seiner Familie“. 

Mit Gründlichkeit und wohl auch Geduld rekonstruierten die Autoren Quellen und Spuren, die zum Teil bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen und im 20. Jahrhundert in der Zeit des Nationalsozialismus und auch im Sozialismus meistens eliminiert wurden. 

Die sichtbarsten Spuren bis heute sind – wenn sie erhalten blieben – Synagogen, Friedhöfe und Wohnhäuser. Zahlreiche Schwarz-Weiß- und Farbfotos ergänzen die Texte. Einrichtungen wie das „Egerländer Kulturhaus“ in Marktredwitz oder die „Sudetendeutsche Stiftung“ in München bestätigten auf Nachfrage die dürftige Quellenlage zu dem Thema. 

Umso wichtiger ist die Publikation von Wilfried Heller. Sie kann eine Ergänzung sein für die „Jüdische Geschichte im preußischen Osten“, die 2013 von der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ herausgegeben wurde.

Wilfied Heller (Hg.): „Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland“, Verlag Inspiration Un Limited, London/Berlin 2018, broschiert, 157 Seiten, 13,90 Euro