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23.11.18 / Verharren im Status quo / Selbsternannte Volksrepubliken Donezk und Lugansk behalten nach der Wahl ihre bisherigen Anführer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

Verharren im Status quo
Selbsternannte Volksrepubliken Donezk und Lugansk behalten nach der Wahl ihre bisherigen Anführer
Manuela Rosenthal-Kappi

Am 11. November wurde in der Ostukraine in den Separatisten- Republiken Donezk und Lugansk das Staatsoberhaupt neu gewählt. Während die USA und die EU die Wahlen als illegal und als „Farce“ bezeichneten, besiegelte Russland deren Rechtmäßigkeit.

Was haben Kartoffeln, Kohl und Möhren mit der Wahl eines Staatsoberhaupts zu tun? In der selbsternannten Volksrepublik Donezk sehr viel: Am Wahltag, dem 11. November, mussten die Wähler mit vergünstigten Lebensmitteln, geschenkten Freiminuten von Mobilfunkanbietern und weiteren Geschenken offenbar in die Wahllokale gelockt werden. In Lugansk sah es ähnlich aus. 

Nach vier Jahren Krieg und Entbehrung ahnt die Bevölkerung im Donbass offenbar, dass sie zwischen Baum und Borke sitzt. Die wirtschaftliche und soziale Lage ist desolat. Die erwartete Hilfe aus Moskau ist weitgehend ausgeblieben (siehe Seite 8), und von der Ukraine fühlen sie sich verraten: Erst versuchte Petro Poroschenkos Regierung sie ihrer russischen Sprache zu berauben, dann stellte die ukrainische Regierung Gehalts- und Rentenzahlungen für in den Rebellengebieten lebende Bürger ein und verhängte eine Blockade für ostukrainische Waren. Alles Maßnahmen, die kaum dazu geeignet sind, die Reintegration der Rebellengebiete in die Ukraine zu befördern. Die anhaltend schwierige Lage verschärft die Skepsis der Menschen gegenüber den Machthabern in Kiew.

Doch auch vor der Wahl ihres Oberhaupts am 11. November zeigten sich zahlreiche Menschen im Donbass desillusioniert. Sie sagten, dass sie nicht wählen gehen wollten, weil der Wahlausgang schon feststehe und die Ostukraine ohnehin aus Moskau gelenkt werde. Erstmals trat das Offensichtliche, vom Kreml bisher stets geleugnet, mehr oder weniger offen zu Tage: Sowohl Leonid Pasetschnik, Moskaus Kandidat für die Lugansker Volksrepublik, als auch der russische Duma-Abgeordnete Andrej Kosenko sprachen darüber, dass die Wahlen dem eingeschlagenen Kurs der Integration der Republiken in Russland dienten

Nach dem Tod des bisherigen Präsidenten der Donezker Volksrepublik, Alexander Sachartschenko, der am 31. August dieses Jahres einem Anschlag auf ein Restaurant zum Opfer gefallen war, hatte man vorgezogene Neuwahlen für nötig gehalten, um seinem Nachfolger Denis Puschilin die Legitimation für den Chefposten zu sichern. Puschilin soll bei undurchsichtigen Geschäften einiger großer Firmen beteiligt gewesen sein. Seit Beginn der Kampfhandlungen im Donbass sitzt er im Donezker Parlament, Er nahm als Sprecher an den Minsker Friedensverhandlungen teil, und ihm wird nachgesagt, in ständigem Kontakt mit Moskau zu stehen.

In Lugansk wären eigentlich keine Wahlen notwendig gewesen, aber man wollte gleichziehen. Der dortige Präsident Leonid Pasetschnik war bis zum Krieg ein hochangesehener Offizier, arbeitete für den ukrainischen Geheimdienst und widerstand der Korruption. Im Ukrainekrieg stellte er sich auf die Seite der Aufständischen. Beide Kandidaten gelten als vom Kreml gesetzt. Erwartungsgemäß erhielten sie je über 60 Prozent der Stimmen.

Zu beiden Kandidaten gab es keine echten Alternativen. Auf den Wahllisten befanden sich nur einige Zählkandidaten ohne besondere Qualifikation. Es handelte sich um Museumsleiter, Ingenieure oder Rentner, die bisher kaum mit Politik in Berührung gekommen waren. Die völlig unbekannten Kandidaten erzählten auf Wahlveranstaltungen von ihrer Jugend, lasen Gedichte vor und sangen sogar Lieder, nur über Politik sprachen sie nicht. Der einzige ernstzunehmende Kandidat, Alexander Chodakowskij, wurde mit allen Mitteln daran gehindert, auf die Wahlliste zu gelangen

Unter diesen Voraussetzungen zeigten die Bürger im Donbass wenig Begeisterung über die Wahlen: „Welchen Sinn hat es wählen zu gehen, wenn schon vor den Wahlen Puschilin als Sieger gilt? Um einen Rabatt auf die Mobilfunkrechnung zu bekommen, wie es meine Nachbarn gemacht haben? Das ist erniedrigend“, so ein Bewohner von Gorlowkij.

Es überwog die Überzeugung, dass kein Kandidat würdig sei: „Ich denke, in Moskau wurde auch ohne uns schon entschieden, wer gewinnt und wer verliert. Deshalb mache ich bei diesem Theater nicht mit“, schimpfte eine Bewohnerin von Donezk.

Dass die Wahlbeteiligung dennoch mit 77 Prozent in Lugansk und 80 Prozent in Donezk vergleichsweise hoch war, liegt daran, dass gerade Mitarbeiter großer Firmen oder der Verwaltung gezwungen wurden, wählen zu gehen. Eine Mitarbeiterin der Donezker Stadtverwaltung erzählte Reportern von „Rosbalt“, vor der Wahl habe der Chef eine Versammlung abgehalten und allen Angestellten gesagt, sie müssten am Sonntag wählen gehen. Zwar sei ihnen nicht befohlen worden, wen sie zu wählen hätten, aber alle hätten hingehen müssen. Die Teilnahme sei kontrolliert worden.

Die Wahl in der Ostukraine hatte kaum eine andere Funktion als den Status Quo zu bekräftigen. Für die enttäuschten Bürger wird sich kaum etwas ändern. Weder ist mit einer baldigen Reintegration in die Ukraine zu rechnen noch mit einer Integration als russische Teilrepubliken. Vor den gewählten Politikern stehen vordergründige Aufgaben. Sie müssen das soziale und wirtschaftliche Gefüge der Region wiederherstellen. Noch genießen sie Kredit bei der Bevölkerung, da erste Erfolge bereits zu verzeichnen sind. Die Menschen haben wieder Arbeit, und die Industrie erholt sich langsam. Aufgrund der scharfen Sanktionspolitik, die Kiew gegen die eigenen Landsleute im Osten betreibt, gibt es aber keinen Absatzmarkt für Produkte der Separatistengebiete. Selbst wenn weitere Fabriken wieder in Betrieb gehen sollten, bleibt das Problem bestehen. Es kann nur im Rahmen der Minsker Verträge gelöst werden.

Die Ostukrainer blicken erwartungsvoll nach Kiew. Denn, so die Meinung vieler: „Solange nicht klar ist, wer die Wahl in der Ukraine gewinnt, wird sich bei uns nichts ändern. Siegt ein Kandidat, der loyal gegenüber Russland ist, werden die Volksrepubliken einen Autonomiestatus innerhalb der Ukraine erhalten, siegt ein Nationalist, dann gibt es Krieg.“ 

Puschilin werden die größten Chancen auf Verhandlungen mit Kiew eingeräumt, da er ein Politiker sei, an dessen Händen kein ukrainisches Blut klebe. Es wächst die Hoffnung, dass die Ukraine mit den nun gewählten Republikchefs über Frieden verhandeln wird.