18.04.2024

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23.11.18 / Schlechte Voraussetzungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

Schlechte Voraussetzungen
Hermann Paul Winter

Bei der Bundestagsdebatte Anfang des Monats über den umstrittenen UN-Migrationspakt trat der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Stephan Harbarth als Verfechter des Paktes auf. Durch ihn würden weniger Immigranten nach Deutschland kommen, weil diese in Länder zögen, in denen die Versorgungsleistungen angehoben würden. Welche Länder dies angesichts der angeblichen Unverbindlichkeit des Paktes sein würden, konnte der Honorarprofessor der Universität Heidelberg nicht beantworten. Wer den Pakt ablehne, schaffe gar die Voraussetzung dafür, dass noch mehr Immigranten nach Deutschland kämen.

Bisher galt Harbarth als eher konservativer CDU-Politiker. „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich“, zitierte er Anfang des Jahres Joachim Gauck. Später kritisierte er, der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte würde einen wesentlichen Anreiz schaffen, in Deutschland Asyl zu beantragen. „Stephan Harbarth hat ähnliche Sorgen wie sie auch von der AfD genannt werden“, resümierte der Bayerische Rundfunk damals. 

Umso erstaunlicher nun sein Plädoyer für den Migrationspakt. Dieses wirkte allerdings aufgesetzt und ließ Nervosität und Unsicherheiten erkennen. Was war geschehen?

Am Tag nach seiner Rede wurde öffentlich: Harbarth war von der CDU mit Unterstützung von SPD, FDP und Grünen für das Amt des Vizepräsidenten am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nominiert worden. Ende November soll er in das Amt gewählt und 2020 Präsident des Gerichts werden. Dafür braucht er jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Wenn überhaupt, so könnte seine Wahl nur noch an den Grünen im Bundesrat scheitern. So war Harbarths Rede wohl eine geschmeidige Referenz an die grüne Asylpolitik, bei der er sich offenbar selbst nicht wohlfühlte.

Harbarth gelte als „parteiübergreifend konsensfähig“, interpretierte eine Tageszeitung. Wenn aber das Asylrecht Konsensfähigkeiten und Kompromissen unterworfen wird, statt ehern zu gelten, wird der Rechtsstaat der Erosion ausgesetzt. 

Auch andere Bedenken stehen hinsichtlich Harbarth im Raum. Er könne als Verfassungsrichter befangen sein, weil er als ehemaliger Politiker über Gesetze werde urteilen müssen, die er mit auf den Weg gebracht habe. Außerdem bestünden bei Harbarth Interessenskonflikte, da er den VW-Konzern in der Abgasaffäre anwaltlich gegenüber Aktionären vertritt. Dieses Mandat könne seine höchstrichterliche Unabhängigkeit infrage stellen.

Wendigkeit, politische Vorbelastungen und potenzielle Befangenheit sind denkbar schlechte Voraussetzungen für das Amt des höchsten deutschen Richters.