29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.11.18 / Ist »mehr Europa« beim Militär eine Lösung? / Die Erfahrungen mit Grande Armée, Europäischer Verteidigungsgemeinschaft und Europa-Jeep gemahnen zur Vorsicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

Ist »mehr Europa« beim Militär eine Lösung?
Die Erfahrungen mit Grande Armée, Europäischer Verteidigungsgemeinschaft und Europa-Jeep gemahnen zur Vorsicht
Manuel Ruoff

Als Reaktion auf die aktuelle Krise fordert das Estab­lishment „mehr Europa“ oder – um es nüchterner zu formulieren – eine Vertiefung der Integration in der EU. Dabei soll der militärische Bereich nicht ausgenommen werden. Das Neueste ist die Forderung des französischen Präsidenten nach einer europäischen Armee für das 21. Jahrhundert. 

Der historisch Interessierte fühlt sich an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) des 20. Jahrhunderts und die Grande Armée des 19. Jahrhunderts erinnert. Die beiden unterscheidet, dass es die Grande Armée wirklich gab, während die EVG im Planungsstadium steckenblieb. Ansonsten weisen die beiden jedoch bemerkenswerte Parallelen auf. Beide französischen Projekte sahen eine multinationale Armee vor, in denen die Deutschen Soldaten stellen, ohne angemessen an der strategischen Führung beteiligt zu sein. Großbritannien und Russland waren wohlweislich nicht dabei, da bei deren politischen Führungen nicht zu erwarten war, dass sie das militärische Potenzial ihres Landes in den Dienst Frankreichs stellen würden. Es spricht nichts gegen die Befürchtung, dass die von Macron vorgeschlagene europäische Armee auch wieder auf eine französische Armee kontinentaleuropäischer Nationalitäten hinauslaufen soll.

Wer in dieser Frage keine Wiederholung der Geschichte fürchtet, möge sich zwei Fragen stellen: Warum hat Emmanuel Macron mit seinem Vorschlag solange gewartet, bis neben den Russen auch das aus der EU aussteigende Großbritannien außen vor war und sich Frankreich somit in einer europäischen Armee den Zugriff auf das deutsche Militärpotenzial mit keiner anderen Großmacht teilen muss? 

Und wie soll sich eine europäische Armee in einer Situation verhalten wie beispielsweise bei der westlichen Militärintervention in Libyen 2011, als Frankreich an führender Stelle mitmachte und Deutschland nicht? Hier treffen zwei Philosophien und Mentalitäten aufeinander. Da ist zum einen die alte Kolonialmacht, deren imperiale, interventionistische und imperialistische Tradition nach zwei – wenn auch mit fremder Hilfe – gewonnenen Weltkriegen ungebrochen ist. Und da sind auf der anderen Seite die nach zwei verlorenen Weltkriegen leidgeprüften friedfertigen Deutschen. 

Bei der Beantwortung der Frage, wessen Geistes eine gemeinsame Armee wäre, hilft ein Blick auf die bereits existierende gemeinsame Währung. In der Europäischen Zentralbank (EZB) prallen ebenfalls gegensätzliche Philosophien und Mentalitäten aufeinander, auf der einen Seite die traditionelle französische Weichwährungspolitik, auf der anderen Seite die Bundesbankpolitik der Deutschen, die im 20. Jahrhundert gleich zweimal ihr Geldvermögen eingebüßt haben. Wer sich die Zinspolitik der EZB anschaut, erahnt zumindest, wessen Philosophie und Mentalität sich bei derartigen im Kern deutsch-französischen Projekten durchsetzt. 

Schon jetzt, wo die Deutschen mit der Bundeswehr noch eigenständige Streitkräfte besitzen, werden beispielsweise in der französischen Exkolonie Mali deutsche an der Seite französischer Soldaten für die Durchsetzung der Interessen Frankreichs in dessen vermeintlichem Hinterhof eingesetzt. Wie soll das erst werden, wenn die deutschen Soldaten nicht mehr einer deutschen Armee angehören?

Etwas weniger ambitioniert ist der Plan einer Vertiefung der Integration in der Europäischen Union auf dem Gebiete der Rüstungsindustrie. Synergieeffekte liegen auf der Hand. Hohe Stück­zahlen würden die Kosten pro Waffe vermindern. Die Logistik würde durch eine einheitliche Ausrüstung erleichtert. Und schließlich würde eine gemeinsame europäische Wehrindustrie wettbewerbsfähiger gegenüber der außereuropäischen und den Europäern erlauben, Waffenprojekte anzupacken, für welche die europäischen Einzelstaaten zu klein sind. 

Allerdings liegen auch hierzu bereits Erfahrungen vor, die wenig ermutigend sind. Ein halbes Jahrhundert ist es nun schon her, dass die großen Kernstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und die Italienische Republik, für ihre Streitkräfte ein gemeinsames, trinationales modernes Pendant zum US-amerikanischen Jeep beschaffen wollten, den sogenannten Europa-Jeep. Die Italiener zogen jedoch letztlich einen Alleingang vor. Sie ersetzten ab 1974 ihren Fiat 1101 Campagnola statt durch den projektierten Europa-Jeep durch eine rein italienische Weiterentwicklung, den Fiat 1107 Nuova Campagnola, und schieden aus dem Drei-Staaten-Projekt aus. 1976 folgte Frankreich.  

Es war einmal wieder die Bundesrepublik, die bis zuletzt auf eine europäische Lösung gesetzt hatte. Selbst als die Ersetzung des DKW Munga (Mehrzweck-Universal-Geländewagen mit Allradantrieb) keinen Aufschub mehr erlaubte, scherte die Bundesrepublik nicht etwa aus, sondern beschaffte ab 1969 als Interimslösung den VW Typ 181 Kurierwagen, ein Provisorium, das keinen Vierradantrieb besaß und damit nicht voll geländegängig war. 

Nachdem sich die Partner aus dem Europa-Jeep-Projekt verabschiedet hatten, blieb der Bundesrepublik jedoch keine Alternative mehr zu einer nationalen Lösung. Nachdem über zehn Jahre mit der Entwicklung des Europa-Jeeps vertan waren, war nun Eile geboten. Eine klare Zusage für die Auslieferung der ersten Fahrzeuge bis Ende 1978 erhielt die Bundeswehr nur von Volkswagen, das denn auch den Auftrag für den Munga-Nachfolger erhielt. 

Vor 30 Jahren am 30. November übergab der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, Toni Schmücker, dem stellvertretenden Generalinspekteur des Heeres, Generalleutnant Rudolf Reichenberger, und  dem Abteilungsleiter Rüstung im Verteidigungsministerium,  Ministerialdirigent Siegfried Sadtler, die ersten 200 Exemplare des neuen VW-Geländewagens, denen bis 1982 8600 weitere folgen sollten. Den Namen des Fahrzeugs begründete Volkswagen wie folgt: „Als wendiges, gewissermaßen wieselflinkes und obendrein ungewöhnlich kräftiges Klettertier ist der Iltis allgemein bekannt. Was liegt näher, als ein Automobil, dessen Stärken im unbefestigten Gelände liegen, wo es ähnliche Eigenschaften entwickelt, mit gleichem Namen zu versehen.“