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23.11.18 / »Sprechen wir über Preußen« – und ... / Der Journalist, Bestseller-Autor, Maler und Kunstsammler Joachim Fernau schrieb viel über Deutschland, aber nicht nur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

»Sprechen wir über Preußen« – und ...
Der Journalist, Bestseller-Autor, Maler und Kunstsammler Joachim Fernau schrieb viel über Deutschland, aber nicht nur
Erik Lommatzsch

Es verfaulte. Man hätte es retten können. Aber man gab ihm Opium, statt zu schneiden. Hören Sie, was die Ruinen, was die Säulenstümpfe auf dem Forum romanum rufen? Schönen Gruß an die Enkel.“ So lässt Joachim Fernau seine 1971 erschienene Geschichte des Römischen Reiches enden. Und schon in diesen wenigen Sätzen findet sich vieles, für das er als Schriftsteller bekannt war und ist: der pointierte Stil sowie der lockere, ironisch-saloppe, jedoch nie oberflächliche Umgang mit historischen Themen. Kulturpessimismus ist prägend, er selbst fühlte sich „100 Jahre zu spät“ auf die Welt gekommen. Und nicht selten wird, wie im Zitat, der Vergleich der weit in der Vergangenheit liegenden Konstellation mit der eigenen Gegenwart heraufbeschworen, was nicht immer angenehm ist.

Zehn Jahre zuvor war bereits „Rosen für Apoll. Die Geschichte der Griechen“ erschienen, Fernaus wohl bekanntestes Buch. Allein in gebundener Form erreichte es eine Auflage von nahezu einer halben Million.

Geboren wurde Fernau im September 1909 in Bromberg. Seinen Vater verlor er früh. Infolge des Ersten Weltkrieges, Fernaus Geburtsstadt wurde polnisch, erfolgte die Umsiedlung. In Hirschberg besuchte er das Gymnasium. Fernau volontierte in Berlin bei der „Telegraphen-Union“. Vor allem als Sportreporter war er zunächst tätig. Neben dem Journalistischen folgte er einer weiteren Neigung, der Malerei. Vom Kunstprofessor Herman Sandkuhl ließ er sich ausbilden. 

Eingezogen wurde Fernau gleich zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Um eine Verwendung als Kriegsberichterstatter bemühte er sich; dass diese letztlich bei der entsprechenden Kompanie der Waffen-SS erfolgte, war nicht sein Wunsch. Er kam in der Kesselschlacht von Demjansk 1942 und bei Charkow 1943 zum Einsatz, 1944 an der Westfront. Von den in seiner Berichterstatterfunktion verfassten Publikationen wurde ihm später vor allem der im August 1944 im „Völkischen Beobachter“ und auch andernorts abgedruckte Beitrag „Das Geheimnis der letzten Kriegsphase“ vorgeworfen. 

Dass es sich – Fernaus Aufgabe gemäß – um einen propagandistischen „Durchhalteartikel“ im Sinne des NS-Regimes handelt, steht außer Frage. Zu spätem „Ruhm“ gelangte der Text, als der Literaturwissenschaftler Peter Wapnewski Fernau 1967 deswegen massiv angriff. Dass derartige Artikel in der Kriegszeit zu hunderten produziert worden waren, interessierte wenig, ebenso die Frage, ob der Gelehrte sich daran auch gestört hätte, wäre der Schreiber nicht inzwischen zu einem äußerst erfolgreichen Autor geworden. 

Fernau war im Übrigen nicht Mitglied der NSDAP – im Unterschied zu Wapnewski. Letzteres wurde allerdings erst 2003 bekannt. Dennoch wirkt das in der Folge entstandene Negativ-Bild bis heute nach. Der Fernau-Artikel der Online-Enzyklopädie Wikipedia beispielsweise überschlägt sich nahezu darin, ihn möglichst weit „rechts“ einzuordnen. Seinen Büchern wird Trivialität bescheinigt, ohne nennenswert auf sie einzugehen.

Bei der Entnazifizierung war Fernau im September 1949 als „entlastet“ eingestuft worden. Die von ihm seit Beginn der 1950er Jahre verfassten Werke erzielten hohe Auflagen. Er lebte in München, 1962 errichtete er in der Nähe von Florenz einen Zweitwohnsitz. In Florenz ist er am 24. November 1988 auch gestorben. 

Fernau schrieb über Kunst, fertigte selbst Ölbilder und Tuschezeichnungen an und sammelte. Weiter zurückliegenden Epochen galt seine Zuneigung. Von ihm stammt „Knaurs Lexikon der alten Malerei“ von 1958. Belletristisch betätigte er sich, heiter-leicht mit „Ein Frühling in Florenz“, einem „Wettbewerb“ dreier Studenten um eine schöne Frau. In „War es schön in Marienbad“ bemüht sich Johann Wolfgang von Goethe, der die 70 bereits überschritten hat, um die über 50 Jahre jüngere Ulrike von Levetzow. Fernau gestaltet das Ganze tragikkomisch, garniert mit einer Portion unaufdringlicher (Literatur-)Geschichte. 

Sehr ernst hingegen ist „Ein wunderbares Leben“, ein autobiografisch geprägter Roman. Eine Frau – für die Figur stand Fernaus Mutter Pate – erleidet schwere menschliche Verluste. Sie löst sich immer weiter von der Wirklichkeit, in ihrer Phantasie haben die Geschehnisse einen anderen, positiven Verlauf genommen. Die den Leser verstört zurücklassende Quintessenz besteht darin, dass sie auf ihre Weise bis zum Ende glücklich lebt.

Bekannt ist Fernau aber vor allem für seine – bis heute lieferbaren – historischen Darstellungen. Anekdoten-durchsetzt, Personen eindrücklich charakterisierend, mitunter karikierend, vermittelt er einerseits historischen Stoff, andererseits geschichtsphilosophische Denkanstöße und Einsichten. Der Verleger Götz Kubitschek, Mitverfasser eines Werk-Bild-Bandes über Fernau, betont dessen besondere Stärke: „Zu pädagogischer Meisterschaft lief er auf, wenn er im Vorübergehen erzog.“

Erster Erfolg war „,Deutschland, Deutschland über alles …‘ Von Arminius bis Adenauer“ von 1952, eine deutsche Geschichte, die Fernau mit dem Vorsatz versah: „Deutschland. Meine Liebe. Mein Alptraum“. Ein „Schurke von Format“ ist der Merowinger-König Chlodwig für Fernau. Nach dem Westfälischen Frieden habe die Landkarte von Deutschland „nun wie ein Kind, das die Masern hat“ ausgesehen und der Feldherr Helmuth von Moltke „arbeitete wie ein Chirurg“, der Politiker Otto von Bismarck hingegen „als Internist“. Aber es sind nicht nur die sprachlichen Bilder. In „Die Genies der Deutschen“ – Fernau betrachtet als „Genies“ Persönlichkeiten, die in ihrem Bereich als „Zeitenwender“ gewirkt haben, so etwa Martin Luther oder Johann Sebastian Bach – findet er klare, grundsätzliche Worte: „Der billigste ‚gesunde Menschenverstand‘ wurde heiliggesprochen, da Kultiviertheit und Wissen für die faule Menge nicht billig genug erreichbar waren.“ In einem anderen Buch lässt sich Fernau von historischen Gestalten „besuchen“. Er debattiert mit Aristides von Athen über den Gerechtigkeitssinn der Masse oder mit Andreas Hofer über den Heldentod. Die „Geschichte der Liebe“ von 1958 wäre um ein Haar als „jugendgefährdend“ eingestuft worden.

 „Meine Vorfahren waren Preußen“ bekennt Fernau in der Geschichte „seines“ Landes mit dem Titel „Sprechen wir über Preußen. Die Geschichte der armen Leute“. Militärisch, nicht kriegerisch sei es gewesen, und es habe „das Größte geschaffen, das ein Volk schaffen kann: einen Stil“. Der Größe-Begriff hatte ihn auch schon in „Deutschland, Deutschland über alles …“ beschäftigt. Friedrich II. sei mitnichten wegen gewonnener Schlachten „der Große“ gewesen. Groß sein heiße: „Lebensinhalt geben, Glauben geben, Stabilität geben.“

Man sollte Fernaus Werke ruhig wieder einmal zur Hand nehmen. Es lohnt sich.