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23.11.18 / Unter Sachsen / Auf der Suche nach dem »rechten Mob« – Ein Herbstreise durch ein gespaltenes Land

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

Unter Sachsen
Auf der Suche nach dem »rechten Mob« – Ein Herbstreise durch ein gespaltenes Land
Thilo Gehrke

Magdeburg, Aktionstag Schule gegen Rassismus, Schule mit Courage:  Cornelia Habisch sieht gestresst aus. Die gedrungene Endfünfzigerin ist Landeskoordinatorin des jährlichen Aktionstages Schule gegen Rassismus, Schule mit Courage. Der findet direkt vor ihrer Dienststelle, der Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen-Anhalt in Magdeburg, statt. Auf dem Platz wurden Bücherstände des Veranstalters und eine Bühne aufgebaut. Man findet viele Publikationen über Asyl, den Holocaust und den vermeintlich rechten Terror, Hass und Rassismus, der in Deutschland angeblich tobt. 

Bildungsreisen für Kinder und Jugendliche in ein KZ in Polen werden angeboten. Auf der Bühne animiert ein Moderator die Schüler zum Tanzen für eine bessere Welt ohne Grenzen und Rassismus. Einige tragen Hemden mit Anglizismen wie „Refugees Wel­come“, „no Nazis“ und „take care of the Planet“. Fast religiös verbrämt wird im staatlichen Auftrag für bunte Vielfalt, Multikultur und gegen „Rechts“ gepredigt, gleich einem Gottesdienst ohne Kreuz für alle Immigranten ohne Ziel. 

Frau Habisch scheint wenig begeistert von meinen Fragen. Wo denn der Rassismus herkomme und wer ihn in die Schulen trage? Habisch: Die Kolonialzeit und rechte Eltern seien die Wurzel. Sie verabschiedet sich schnell und verweist auf ihre Sekretärin zur Terminvergabe. 

Viola Rieck ist Lehrerin, Referentin für interkulturelle Kommunikation, Toleranz, Gesundheit und Kreativität in Halle. Sie gleicht vom Habitus eher Regine Hildebrandt und ist schon redseliger als Habisch. Rassismus komme stets aus der rechten Ecke, Antisemitismus habe stark zugenommen in Deutschland, sei aber nicht gruppenspezifisch, da er stets von Menschen kommt, sagt sie. Nicht „gruppenspezifisch“? Ich denke mir, eine Praxiswoche in einer Neuköllner Schule könnte bei ihrer Entscheidung, für welche Minderheiten sie sich künftig engagieren will, heilsam sein. Auf meine Frage, wo denn die muslimischen Teilnehmer seien, passt ihre Antwort ins Konzept: Die Eltern hätten Angst um ihre Kinder wegen rechter Gewalt und Rassismus. 

Das Netzwerk für Demokratie und Toleranz der Landeszentrale bietet politisch korrekte Fortbildungen an: „Argumentationstraining gegen rechte Stammtischparolen, Blue-eyed-Brown-eyed- Training gegen Rassismus und Diskriminierung, ,Eine Welt der Vielfalt‘ zum Thema interkulturelles Lernen“.

Magdeburg, Stadthalle, Vortrag von Birgit Kelle: Schon von Weitem erblicke ich viele junge Leute vor der Stadthalle. „Mehr Weiblichkeit wagen“, ein Thema, zu dem der Verein „Verantwortung und Wert“ geladen hat, begeistert also auch Deutschlands Zukunft, freue ich mich. Beim Näherkommen erblicken sie meine Deutschlandfahne am Fahrrad und ich schaue in finstere, teils vermummte Gesichter. Eine Kommunikation ist seitens der jungen Leute nicht erwünscht. Die Anführerin, eine Frau Anfang 20 mit Ameisenfigur, verteilt Flugblätter: „Gegen faschistische und rechtskonservative Werte wie von Birgit Kelle, Ehe, Küche, Vaterland – unsere Antwort Widerstand.“ 

Die Journalistin und Publizistin Kelle beginnt ihren Vortrag mit einer wissenschaftlichen Untersuchung der Gender-Ideologie: einem erfundenen soziologischen Konstrukt ohne wissenschaftlichen Beweis, das Mann und Frau als Keimzelle des Lebens und Geschlecht negiere, schaffe den Einheitsmenschen ohne Identität und vor allem Arbeitsplätze, die niemand brauche. Fünf Milliarden Euro würden in der EU für Genderlehrstühle, Genderbeauftragte in Kirchen, Wirtschaft und Verwaltung, gegenderte Gärten, Toiletten, Spielplätze, Bauwesen und Universitäten ausgegeben, so Kelle. Die Genderindustrie arbeite nicht am Erhalt, sondern an der Zerstörung der Gesellschaft, denn die Mutterschaft der Frau wird zur Mutterrolle, vergleichbar mit einer Rolle in einem Theaterstück bar jeder Realität. 

Fast unbemerkt haben sich die jungen Leute mit der schlechten Laune in die letzte Reihe im Vortragssaal gesetzt. Die Ameisenfrau gibt den Takt vor, Kelles Vortrag zu sprengen. 

Erst sind es nur vereinzelte Zwischenrufe, Störgeräusche und Wurfgeschosse, dann wird skandiert: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda.“ Fast alle sind nun vermummt und werden handgreiflich gegenüber den Vortragsgästen. Die Polizei muss kommen. 

Kelle bleibt gelassen, sie kennt das schon. Als die Meinungswächter weg sind, sagt sie: „Widerspruch ist anstrengend, Wahrheiten werden niedergebrüllt, als rechts beschimpft und der Vortragende gesellschaftlich vernichtet.“ Schade, denn die jungen Leute hätten aus Kelles Ausführungen viele Erkenntnisse gewinnen können, hätte sie ihr Hass nicht daran gehindert. 

Von meiner Deutschlandfahne draußen am Fahrrad blieb nur ein verkohlter Rest. 

Chemnitz, Rat der Stadt: Im düsteren Rathaus benebelt mich der schwere Duft von Wofasept, einem DDR-Desinfektionsmittel der VEB Leuna-Werke „Walter Ul­bricht“. Durchdrungen von der Duftmischung aus Braunkohle und Formalin erreiche ich das Büro für Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Der freundliche Empfang nimmt rasch eine Wendung, als ich Auskunft über die Geschehnisse der vergangenen Wochen, den Messermord an Daniel H., begangen von Asylsuchern, den Trauermarsch und die angeb­lichen Hetzjagden gegen Ausländer begehre. 

„Sie sind nicht angemeldet, Anfragen nur schriftlich. Eine Antwort muss mit den Vorgesetzten und der oberen Verwaltungsbehörde abgestimmt werden“, wird das Gespräch von der Vorzimmerdame jäh beendet. Die Angst regiert in deutschen Amtsstuben, seit Hans-Georg Maaßen für seine Ehrlichkeit medial fast täglich öffentlich hingerichtet wurde. In Köthen in Sachsen-Anhalt erlebte ich dieselbe Szene im dortigen Rathaus. In dem barocken Städtchen starb Markus B., nachdem er einen Streit zwischen muslimischen Asylsuchern schlichten wollte. Im Dresdener Rathaus gibt es sogar eine „Abteilung Politische Steuerung/Strategie“. 

Nun betrete ich das Büro der Organisatoren der Bürgerproteste, der Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“. Als Wandschmuck irritiert ein großes Porträt des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. „Hetzjagden gab es keine, Ausländer sind sicher in unserer Stadt“, beschwört der freundliche junge Büroleiter. Nicht weit entfernt vom Rathaus befindet sich ein Wohnblock für Asylsucher gegenüber dem Programmkino „Metropol“. 

Im Ort begegnen mir, wie auch in vielen anderen Städten Sachsens, Kopftuchfrauen und afrikanische Asylsucher. Sie wirken selbstbewusst und keinesfalls ängstlich. Die Büroleiter der Linkspartei und Grünen im Chemnitzer Rathaus sehen das anders: Hier tobe der rechte Mob, Ausländer würden gejagt, wissen beide, obwohl sie bei den Kundgebungen selbst nicht dabei waren. Mit „Pro Chemnitz“ reden sie nicht, denn „das sind Nazis“. 

Dresden, Tag der Deutschen Einheit: „Deutschland und Sachsen ging es noch nie so gut wie heute“, und „die größte Gefahr für unser Land kommt von rechts“, triumphiert Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer beim Empfang in der Staatskanzlei zum Tag der Deutschen Einheit. Ein paar Straßen weiter hat als einzige Partei die AfD unter dem Motto „Mut zu Deutschland“ zum Bürgerfest geladen. 

„Vor Kurzem hat sich bei der Zwangsräumung ihrer Wohnung eine 70-jährige Frau aus dem Fenster ihrer Wohnung gestürzt. Einer Million Kindern fehlt die Grundausstattung in der Schule, weil dafür kein Geld da ist. Ich habe nichts gegen Ausländer, bin aber dagegen, dass mit 78 Milliarden Euro die Asylindustrie am Laufen gehalten wird. Die Politik lockt kulturfremde Migranten an, wir müssen sie dauerhaft alimentieren, und dafür werden hier nicht wenige straffällig“, empört sich mein Sitznachbar, ein Herr um die 60 im Lodenjanker und Jägerhut. 

An auffällig vielen öffentlichen Gebäuden sind, wie damals im Realsozialismus, politische Losungen angebracht. Im Bahnhof wird der Reisende empfangen mit: Unsere Identität heißt Vielfalt, im Stadtbild wird der Bürger vielfach propagandistisch auf Trab gebracht: Refugees Welcome, gegen Rassismus, für Weltoffenheit, Religionsfreiheit, Asylrecht und Toleranz lauten die Sprüche. 

Bei einem Vortag in der TU Freiberg zeichnet Politikwissenschaftler Werner Patzelt ein düsteres Bild: „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal, dies ist der Weg der Eliten. Sie haben den Kontakt zum Volk verloren und sprechen die Sprache der Bürger nicht. Der Bürger stellt fest, im System stimmt etwas nicht und verleiht seinem Gefühl in Demonstrationen und Kundgebungen Ausdruck. Dafür wird er dann von den politischen Eliten als Pack, Nazi, brauner Mob und Rassist beschimpft. Das Versagen der herrschenden Politik ist leider bisher das beste Konjunkturprogramm für die AfD.“ 

3. Oktober, Tag der offenen Moschee: „Wir sind für die Erhaltung von Toleranz, Integration, Gemeinschaft“, bekennt sich das „Marwa Elsherbiny Kultur- und Bildungszentrum Dresden“. In ihrer Moschee, einem schmucklosen Plattenbaurumpf, werden Koran- und Arabischunterricht angeboten. Alte Männer mit langen Bärten und hinter ihnen verhüllte Frauen stehen in drangvoller Enge auf dem Gebetsteppich. 

Lina ist Konvertitin und freut sich, mir von ihrer Erleuchtung berichten zu können. Sie stammt aus Hamburg, mit ihren blauen Augen und den blonden Haaren unter dem Kopftuch fällt sie hier sofort auf. Die 30-jährige vollschlanke Frau ist nach islamischem Recht mit einem 20 Jahre älteren Ägypter verheiratet, der gerade auf Heimaturlaub weilt. Sie ist erst seit Januar 2018 gläubige Muslimin. Die Ehe wurde hier in der Moschee arrangiert. 

Lina wurde antiautoritär erzogen, kennt das Christentum kaum und war eigentlich immer auf der Suche nach Stärke und klaren Regeln. Sie meint, wenn der Islam Staatsreligion wäre, sei es für die Gesellschaft sicherer, da der Koran und die Scharia dann die tragenden Säulen seien. Sie arbeitet als Sozialpädagogin in einer staatlichen Einrichtung und ist stolz, durch ihre Tätigkeit muslimische Familienzusammenführung zu ermöglichen und Abschiebungen zu verhindern. Sie findet, Allah macht glücklich. 

Berlin, Demo „Unteilbar“: „Solidarität statt Ausgrenzung“. Mehr als 450 Verbände, Immigrantenorganisationen, „Geflüchteteninitiativen“ und prominente Einzelpersonen unterstützten das Bündnis #unteilbar, heißt es auf der       Homepage der Tafel Deutschland e.V. Als Nachhaltigkeitsfan und langjähriger Mitarbeiter bei einer Tafel habe ich selbst erlebt, wie politisch die Tafeln in Deutschland mittlerweile geworden sind. 

Wir reihen uns ein in die endlose Menschenschlange, die sich an diesem Spätsommer-Sonntag durch die Hauptstadt zieht. Kopftuchfrauen, LGBT´(Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender, also Lesben, Bisexuelle, Schwule und Transgender), Türken und Kurden, Iraner und Afghanen, Juden und Moslems, Gruppen, die im Alltag verfeindet sind, eint an diesem Tag das Motto „gegen Rechts, Diskriminierung und Rassismus“. 

Wir entdecken in der Menge einen Mann mit Cowboyhut und Deutschlandfahnen. Als wir ihn erreichen, ist er bereits umringt von aufgebrachten Meinungswächtern. Die Stimmung ist aggressiv. Er stehe hier für das Grundgesetz und wolle verhindern, dass nur Pegida das Nationalsymbol für sich beansprucht, beteuert er angsterfüllt. Sogleich wird er niedergebrüllt. 

Während der rote Mob über den Fahnenmärtyrer herfällt, ereifert sich eine junge Antifa-Aktivistin: Der Mann habe doch selbst schuld, da er sich einen falschen Ort für seinen Bildungsauftrag ausgesucht habe. Nationalfahnen stünden für Nationalstaat und Abgrenzung, über 200000 Antifaschisten und Internationalisten stehen aber hier für grenzenlose Solidarität, für „No Border – No Nation“. Zudem sei die Deutschlandfahne negativ behaftet. 

Meiner Frage, warum das so ist, folgt im ideologisch aufgeladenen Duktus: „Das reicht jetzt!“ Schon ihr Äußeres mutet rebellisch an: Rothaarig, Nasenring und viel Metall im Gesicht. Sie sagte vorhin noch, sie sei für Toleranz und gegen Ausgrenzung. Wir haben den Mann mit den verhassten Nationalsymbolen nie wieder gesehen. 

Die Deutungshoheit, ob der Bürger rechts, in der Mitte oder politisch links steht, obliegt nicht ihm selbst, sondern anderen. 

Marcelo, ein sympathischer Deutsch-Brasilianer Mitte 30, hat es gerade heute wieder zu spüren bekommen. Wegen seines Schildes mit der Aufschrift: „Der Feind steht nicht rechts, sondern sitzt oben! Miteinander reden, Spaltung überwinden! Gemeinsam für eine bessere Welt kämpfen!“ Dem Kampfsportler wurden mehrfach Prügel angedroht, er wurde als Nazi beschimpft, Antifa-Aktivisten wollten sein Schild zerstören. 

Marcelo ist verstört. „Ich bin Patriot, für Rechtsstaatlichkeit, das Grundgesetz und liebe meine deutsche Heimat. Das sind doch wohl Selbstverständlichkeiten für jeden deutschen Bürger“, meint er. Er verortet sich somit weder politisch rechts noch links, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Doch das will hier keiner hören.