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23.11.18 / Hofer Reihe „Berühmte Ostpreußen“: Ludwig Diehl

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

Hofer Reihe „Berühmte Ostpreußen“: Ludwig Diehl
Jutta Starosta

Der Kulturwart der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Kreisgruppe Hof, Bernd Hüttner, stellt regelmäßig berühmte Ostpreußen und deren Lebensgeschichte vor. Im Ok-tober war dies der Württemberger und Wahl-Ostpreuße Dr. med. Ludwig Diehl, der zu den profiliertesten Arztpersönlichkeiten Ostpreußens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte. Er wurde am 16. Dezember 1876 in Tübingen geboren und studierte in Leipzig. 

Im Sommer 1908 erfuhr der ausgebildete Arzt, der mittlerweile als Oberarzt in Oberhausen arbeitete, dass das neu erbaute 60-Betten-Krankenhaus in Rastenburg einen Leitenden Arzt suchte. Diehl bewarb sich und übernahm am 8. August die Stelle, nachdem der Kreis seine Wünsche bezüglich des Gehalts, einer Verbesserung des Instrumentariums und der Beschaffung eines neuzeitlichen Röntgengerätes großzügig erfüllt hatte.

Dieses gute Verhältnis zwischen der Verwaltung des Hauses und ihrem Chef zahlte sich aus. Das Kreiskrankenhaus wurde unter Diehls Leitung zu einer Musterklinik in der Provinz. Der Württemberger brachte ein gutes fachliches Können, das er bis ins Alter hinein erweiterte, und die preußischen Tugenden mit, auf die es in seiner Stellung besonders ankam: außerordentliche Gewissenhaftigkeit und ausgeprägtes Pflichtgefühl. Und so wuchs die Rastenburger Klinik ständig. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde sie durch Anbau eines Flügels auf 120 Betten erweitert. Nach Ausbruch des Krieges erfolgte ein weiterer Anbau, um eine große Verwundetenstation aufzunehmen. Im Sommer 1917 wurde Diehl selbst eingezogen, um in einem Feldlazarett in Bauske in Kurland als Chirurg zu wirken. Im November 1918 entließ man ihn wieder nach Rastenburg. Ende 1919 hatte das Haus bereits 200 Betten, die in mehrere selbständige Abteilungen gegliedert waren. Eine neue Periode umfangreichen Schaffens brach an. Diehl war in seinem Element und galt bald in der ganzen Provinz als gesuchter Konsiliarius und hervorragender Operateur, der die Kranken von weither anzog. 

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde infolge der Nähe des Kriegsschauplatzes im Polenkrieg das Krankenhaus extrem beansprucht. Es folgten schwere Jahre für Diehl, der seine Wohnung ins Krankenhaus verlegte, um jederzeit zur Stelle zu sein. Im Jahre 1941 fielen seine beiden Söhne innerhalb von zwei Monaten im Luftkampf. In fanatischer Arbeit suchte Diehl, der das Krankenhaus kaum noch verließ, mit diesem Schicksalsschlag fertig zu werden.

Er erkannte früh, dass es um das Schicksal seiner Wahlheimat schlimm bestellt sein würde, wenn die Front nicht zu halten war. Als am 26. Januar 1945 endlich der Räumungsbefehl kam, entschloss sich Diehl, bei den nicht transportfähigen Kranken zu bleiben, und schickte seine Gattin, die bis zuletzt bei ihm ausgehalten hatte, mit den Worten fort: „Jeder Soldat muss auf seinem Posten aushalten; du musst fort, ich habe sonst keine Ruhe mehr. Du musst dich den Kindern erhalten.“ Ein Wiedersehen gab es nicht. Die letzten Tage dieses hoch verdienten Mannes müssen fürchterlich gewesen sein. Er war als einziger Arzt im Krankenhaus verblieben. Und dann brachen Tod und Verwüstung in Rastenburg ein. Schreckliche Dinge spielten sich ab, so schlimm, dass alle in der Stadt verbliebenen Ärzte sich selbst und ihren Angehörigen und Angestellten das Leben nahmen. 

Auch der Chefarzt Diehl sah keine Hoffnung mehr und wählte am 31. Januar 1945 den Freitod. Seine Schwestern bestatteten ihn im Krankenhausgarten.

Bis zum letzten Augenblick folgte der Arzt jedoch seinem hippokratischen Eid und Lebensmotto, einem Wort des Sokrates: „Wo einer sich selbst hinstellt, weil er meint, dort sei es am richtigsten, oder wo er von seinem Vorgesetzten hingestellt wird, dort muss er nach meiner Meinung ausharren, auch wenn es gilt, Gefahren zu bestehen.“