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23.11.18 / Sie hatten viele Kameraden / In Plawniowitz, Stollarzowitz und Tost halten die Deutschen den Volkstrauertag in Ehren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

Sie hatten viele Kameraden
In Plawniowitz, Stollarzowitz und Tost halten die Deutschen den Volkstrauertag in Ehren
Chris W. Wagner

Mit dem Lied „Ich hatt‘ einen Kameraden“, gespielt vom Blasorchester „Ostroppa“ aus dem gleichnamigen Gleiwitzer Stadtteil, begann die Gedenkfeier des Deutschen Freundschaftskreises Plawniowitz (Plawniowice) an der dortigen Kapelle des heiligen Johannes Nepomuk. Gedacht wurde – wie an vielen Orten in Oberschlesien ganz in der alten deutschen Tradition des Volkstrauertages – allen Opfern des Krieges. Im großen Saal der Feuerwehr konnten die Besucher eine historische Ausstellung „1914–1918” sehen.

Die Sammler und Hobbyhistoriker Roland Skubala und Norbert Koziol aus Peiskretscham [Pyskowice] präsentierten Originaluniformen aus preußischer Zeit. Koziol hatte bereits 2017 eine große Ausstellung seiner Sammlung preußischer Militaria im Gleiwitzer Museum, Skubala im Museum der Stadt Peiskretscham.

Ebenso wurde in Stollarzowitz [Stolarzowice] und Tost [Toszek] Kriegsopfern gedacht, in Tost standen besonders die Internierten des dortigen Lagers des Innenministeriums der UdSSR (NKWD) im Mittelpunkt. Sie stammten neben Oberschlesien auch aus der preußischen Provinz Sachsen, aus Brandenburg und dem Sudetenland. In der Christus-König-Kirche in Stollarzowitz wurde eine Gedenkmesse gelesen und im Anschluss in einem Vortrag an die Internierten, Ermordeten und Vermissten des Lagers Tost erinnert. Die Gedenkfeiern in Sollarzowitz, Tost und Plawniowitz zu den Stillen Tagen im November werden im Jahreskalender der deutschen Volksgruppe besonders wahrgenommen, die die Gedenken sich auf Lager in der Nähe dieser Orte beziehen und die drei genannten Deutschen Freundschaftskreise (DFK) organisatorisch besser aufgestellt sind als viele Nachbarortsverbände.

Das Lager Tost wurde in der örtlichen Psychiatrischen Klinik, der ehemaligen Landespflegeanstalt, eingerichtet. Hier befand sich zuvor ein Lager der Nationalsozialisten, in dem ab Mai 1945 zunächst etwa 1000 Oberschlesier sowie Breslauer festgehalten wurden. Im Sommer 1945 kamen weitere 3600 Gefangene aus dem überfüllten Speziallager Bautzen hinzu. Insgesamt wurden dort mehr als 4600 Menschen interniert. Die Gefangenen mussten in der Umgebung Zwangsarbeit leisten. Im Lager haben etwa 3300 Gefangene ihr Leben verloren, weitere verstarben nach ihrer Freilassung an den Folgen der Internierung. Begraben wurden die Gefangenen zuerst auf dem jüdischen Friedhof in Tost, später aus Platzmangel in einer Sandgrube. 

Nach der Auflösung des Lagers Ende 1945 haben sich Ordensschwestern der Ordensgemeinschaft der Borromäerinnen und die Anwohner um die freigelassenen Lagerinsassen gekümmert. Seit 1993 arbeitet Sybille Krägel geb. Rasmussen von der Initiativgruppe NKWD-Lager Tost/Oberschlesien aus Hamburg, deren Vater selbst im Lager umkam, an der Erfassung der im Lager Internierten. 1998 wurde für die Toten des NKWD-Lagers Tost ein Gedenkstein errichtet. An dieser Gedenkstätte finden alle zwei Jahre im Mai Gedenkveranstaltungen zur Erinnerung an die Lagerinsassen, die unmenschlichen Bedingungen erleiden mussten, statt. Auch in Oberschlesien wurde eine Gefallenenliste, die sogenannte „Wycisk-Liste“ erarbeitet. 

Der Toster DFK engagiert sich seit den frühen 90er Jahren an der Aufarbeitung der Geschichte des Lagers und pflegt Grabstätten und die Kontakte zu den Familien der dort Inhaftierten. Eine weitere Veranstaltung im Rahmen des Opfergedenkens ist die Ausstellung „Wörter meine Fallschirme. Horst Bienek 1930–1990”, die bis Ende Dezember auf dem Toster Schloss präsentiert wird. Der in Gleiwitz geborene Horst Bienek wurde nach der Vertreibung in Ostberlin 1951 durch das polnische Volkskommissariat des Inneren für vier Jahre festgenommen. In seinen ersten Werken beschreibt er seine Erfahrungen aus der Lagerzeit, später war sein literarisches Schaffen mit Gleiwitz und Oberschlesien verbunden. Seine Heimatstadt besuchte er erstmals nach 42 Jahren im Rahmen einer filmischen Biographie.