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23.11.18 / Hier liegt man richtig / Diesen Sonntag ist wieder Totengedenken – Ein Besuch auf zwei Nürnberger Friedhöfen, die vor 500 Jahren eingeweiht wurden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

Hier liegt man richtig
Diesen Sonntag ist wieder Totengedenken – Ein Besuch auf zwei Nürnberger Friedhöfen, die vor 500 Jahren eingeweiht wurden
Veit-Mario Thiede

Die Nürnberger Johannis- und Rochusfriedhöfe zählen zu den schönsten Begräbnisstätten Europas. Kunstvolle Epitaphien zieren die Gräber berühmter Persönlichkeiten wie Albrecht Dürer.

Am 31. Oktober 1518 richtete Kaiser Maximilian I. ein folgenreiches Schreiben an den Nürnberger Rat. Der über die hygienischen Verhältnisse auf den innerstädtischen Friedhöfen entsetzte Herrscher verfügte, dass die Toten fortan außerhalb der Mauern der Reichsstadt beerdigt werden sollen. Der Rat richtete daraufhin die Friedhöfe St. Johannis und St. Ro­chus ein. Sie haben es zu Weltruhm gebracht. Der geht sowohl auf die Grabstätten prominenter Persönlichkeiten wie Albrecht Dürer als auch auf eine gestalterische Besonderheit zurück: Die Gräber sind mit liegenden Steinen überdeckt, die kunstvolle Grabschilde aus Bronze oder Messing aufweisen. Die beiden Friedhöfe „leben“: Noch heute kommt es zu Beisetzungen in historischen Grabstätten.

Wegen seiner Ro­senstöcke wird der Johannisfriedhof auch „Ro­senfriedhof“ ge­nannt. Für den Rochusfriedhof hat sich die Be­zeichnung „Handwerkerfriedhof“ eingebürgert, weil auf ihm die „Epitaphien“ ge­nannten Grabschilde von Handwerkern reich vertreten sind. Viele beschränken sich in gekonnter Schlichtheit auf Namen und Beruf der Bestatteten. So teilen uns eine Brezel und ein Brötchen mit, dass Jorg Feirabend Bäcker war. Sein Epitaph ließ er 1523 gießen. Es war üblich, sich bei Zeiten selbst um den Kauf der Grabstätte und die Gestaltung des Grabschildes zu kümmern. 

Andere Epitaphien geben der christlichen Auferstehungshoffnung Ausdruck. Die Brüder Se­bold und Hans Mair erwarben für sich und ihre Ehefrauen Anna und Katharina ein Gemeinschaftsgrab. Das Grabschild von 1564 zeigt Sebold und Hans beim Gebet unter dem am Kreuz hängenden Christus. Hinter beiden steht je eine Bügeltasche zum Zeichen dafür, dass sie das Handwerk des „Täschners“ ausübten.

Zwischen den Grabsteinen von Bierbrauern, Brillenmachern, Lebküchlern, eines Henkers und Angehöriger vieler anderer Berufe liegen die von historischen Persönlichkeiten. Allen voran Peter Vischer der Ältere (um 1460–1529), den die Stadt mit einem Ehrengrab bedacht hat. Der Leiter der seinerzeit bedeutendsten Messinggießerei im Lande hatte fürstliche und kirchliche Auftraggeber in ganz Europa. Herausragend ist das von ihm und seinen Söhnen für die Reliquien des heiligen Sebaldus geschaffene Grabmal in der Nürnberger Sebaldus­kirche. Viele der frühen Epitaphien der beiden Friedhöfe gingen aus seiner Werkstatt hervor. Sein eigenes trägt die lateinische Inschrift: „Das (ewige) Le­ben, nicht den Tod fasse ins Auge.“

Auf dem Johannisfriedhof be­finden sich die Ehrengräber weiterer Künstler. Einer von ihnen ist Wenzel Jamnitzer (1508–1585), der für den Rat und den Kaiserhof Goldschmiedearbeiten schuf. Der für Kaiser Maximilian I. tätige Bildhauer Veit Stoß (1447–1533) erfreut sich eines Ehrengrabs, obwohl ihn der Stadtrat wegen Urkundenfälschung schwer be­straft hatte: Er ließ dem Künstler mit einem glühenden Spieß die Backen durchbohren und erkannte ihm das Bürger- wie Meisterrecht ab. Gleichwohl blieb Stoß tätig. Sein vor 500 Jahren vollen­deter „Engelsgruß“ mit den überlebensgroßen Figuren der Heiligen Jungfrau und des Verkündigungsengels ist ein Glanzlicht der künstlerischen Ausstattung der Nürnberger Lorenzkirche.

Trotz Ausschilderung ist es gar nicht so einfach, das Ehrengrab Albrecht Dürers ausfindig zu machen. Die lateinische Inschrift des pultartig aufgerichteten Kopf­endes lautet: „Was an Albrecht Dürer sterblich war, liegt unter diesem Grabhügel.“ Die in der Gießhütte Peter Vischers d. Ä. angefertigte Bronzetafel stiftete der ebenfalls auf dem Johannisfriedhof bestattete Patrizier Willibald Pirckheimer seinem Freund Dürer. Der wohlhabende Künstler hatte sich die Grabstätte übrigens nicht etwa selbst geleistet, sondern folgte seinen Schwiegereltern in die von ihnen erworbene nach. Des später mit mehreren neuen Bestattungen versehenen Dürergrabes nahm sich 1681 der Maler und Kunsthistoriker Joachim von Sandrart an. Er ließ den Grabstein erneuern und steuerte Bronzetafeln mit langen lateinischen und deutschen Lobeshymnen auf Dürer bei.

Nicht weit vom Dürergrab entfernt klappert ein Totenschädel mit den Zähnen. Und das kommt so: Der Patrizier Andreas Georg Paumgartner (1613–1686) leistete sich eines der aufwendigsten Epitaphien des Johannisfriedhofs. Der Entwurf stammt von dem Künstler Georg Schweigger. Auf eigene Initiative setzte er auf das Fußende des Grabsteins eine Zu­gabe, die sich bei den Besuchern des Friedhofs größter Beliebtheit erfreut: Einen Totenschädel aus Bronze, der mit beweglichem Unterkiefer ausgestattet ist.

Rund 6000 Epitaphien sind auf den beiden Friedhöfen erhalten. Als besonders schützenswert gelten die des 16. bis 18. Jahrhunderts. Die jüngeren werden in vielen Fällen entfernt, wenn die Grabstätte einen neuen Besitzer bekommt. Die Tradition der ge­gossenen Grabschilde lebt bis heute fort. Unter den jüngeren des Johannisfriedhofs fällt ein Spitzdrachen auf. Er zieht scheinbar die Namensschildchen der Bestatteten gen Himmel. 

Auf dem Rochusfriedhof wiederum findet sich ein Grabschild, das einen Schmunzeln lässt. In Anspielung auf ein populäres Lied von Frank Sinatra blickt eine Dame zufrieden auf ihr Leben zurück: „I did it my way“ (Ich hab es auf meine Weise getan) – und bekräftigt das mit dem Zusatz „Extraordinary“, also auf „außergewöhnliche“ Art.


Der Nürnberger St. Johannisfriedhof liegt an der Johannisstraße, der St. Rochusfriedhof an der Rothenburger Straße, geöffnet bis 6. Dezember von 8 bis 17 Uhr, danach bis 6. Januar nur bis 16 Uhr und von April bis September von 7 bis 19 Uhr.