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23.11.18 / Eine Jahrhundertfälschung / Vor 250 Jahren sorgten die »Prillwitzer Idole« für viel Wirbel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-18 vom 23. November 2018

Eine Jahrhundertfälschung
Vor 250 Jahren sorgten die »Prillwitzer Idole« für viel Wirbel
Bettina Müller

Der Neubrandenburger Arzt Dr. Hempel machte 1768 einen Hausbesuch bei der Familie Sponholz. Über den Breesener Pastor August Sponholz war sie mit dem Maler Caspar David Friedrich verwandt, dessen ältere Schwester Catharina 1791 in die Pastorenfamilie eingeheiratet hatte. Dr. Hempel traf an diesem Tag auf Johanna Sponholz, die Witwe des Goldschmieds und Geldverleihers Andreas Friedrich Sponholz. Aus der Ehe entstammten drei Söhne: der exzentrische Gideon und die Goldschmiede Jonathan und Jakob. 

Dr. Hempel fiel schon bald eine mit Runen verzierte Löwenfigur ins Auge, angeblich habe sie ein priesterlicher Vorfahre der Familie Sponholz im Pfarrgarten von Prillwitz ausgegraben. Der Doktor war begeistert, kaufte 35 Figuren, aber nicht nur er. Man riss den Brüdern die Figürchen aus den Händen und zahlte ihnen viel Geld dafür. 

„Rethra“, das Heiligtum der Slawen, war das Zauberwort, das ein Runen-Kenner auf einer Löwenfigur entziffert haben wollte. Der verschrobene Gideon entwickelte sich zum gefragten Altertumskenner, aber auch zum Schrecken der Stadt. Gerüchte gingen um, er sei mit dem Teufel im Bunde gewesen. Als er 1807 unverheiratet im Alter von 62 Jahren starb, warf man Leinsamen auf seinen Sarg, das sollte vor seiner Wiederkehr als Untoter schützen. 

Jahrzehnte später kamen Zweifel über die Echtheit der nach ihrem Fundort benannten „Prillwitzer Idole“ auf. Die Großher­zog­liche Kommission verhörte 1827 schließlich mehrere ehemalige Angestellte der Familie Sponholz, darunter den Goldschmied Neumann. Ihn ereilte die Reue, und er gestand seine Beteiligung an den Fälschungen. Bis heute gilt Gideon als der kreative Kopf der Fälscherbande, Jakob war vermutlich für die Feinarbeit zuständig gewesen, während Jonathan, zur fraglichen Zeit auf Gesellenwanderung, unbeteiligt am Herstellungsprozess war. 

Dessen Tochter Johanna Wilhelmine wurde schließlich selber Opfer eines Mannes mit krimineller Energie, die in dem Fall nicht in kreative Bahnen gelenkt wurde. 1802 heiratete sie in der Dorfkirche von Sabel bei Neubrandenburg den Pächter Georg Heinrich Wollmer. Von „häuslichen Um­ständen“ ist in einer rätselhaften Aktennotiz des bekannten „Dichterpfarrers“ Ernst Theodor Jo­hann Brückner am 31. Oktober 1802 die Rede, die die „Beschleunigung einer ehelichen Verbindung“ erfordere. 

Zu einem unbekannten Zeitpunkt suchte Wollmer Jahre später das Weite, ließ Frau und Kinder bei Nacht und Nebel im Stich. 1819 veröffentlichte die Stettiner Regierung einen Steckbrief, darin fahndete die Polizei nach dem „angeblichen Amtmann“ wegen „Herumtreibens als Spieler“. Am 7. Dezember 1825 starb der mysteriöse Wollmer in Penzlin an der Schwindsucht. Seine leidgeprüfte Ehefrau überlebte ihn um 34 Jahre. Friedrich Otto war ihr einziger Sohn, der in Neubrandenburg blieb. 

Der eine Sohn Wilhelm Fried­rich Wollmer blieb nach seiner Gesellenwanderung als Bäcker in Dänemark. Der andere Sohn Heinrich Wollmer zog als Mehl- und Vorkosthändler nach Charlottenburg, wo er 1833 Henriette Emilie Rungenhagen heiratete, eine Großnichte zweiten Grades des Komponisten und Direktors der Berliner Sing-Akademie, Carl Friedrich Rungenhagen. 

Die Prillwitzer Idole werden heute im Mecklenburgischen Volkskundemuseum Schwerin-Mueß aufbewahrt.


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