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30.11.18 / Nachsitzen für die Kohlekommission / Mitteldeutsche Ministerpräsidenten schreiben Brandbrief an die Kanzlerin und fordern ein Bundesgesetz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-18 vom 30. November 2018

Nachsitzen für die Kohlekommission
Mitteldeutsche Ministerpräsidenten schreiben Brandbrief an die Kanzlerin und fordern ein Bundesgesetz
Norman Hanert

Die sogenannte Kohlekommission sollte eigentlich bereits Ende des Monats einen Abschlussbericht präsentieren. Auf der Zielgeraden wurde allerdings erheblicher Nachbesserungsbedarf deutlich. Die Bundesregierung wird für den Verzicht auf die Nutzung der heimischen Braunkohle vermutlich noch viel mehr Geld in die Hand nehmen müssen.

Scharfe Kritik aus mehreren Ländern mit Braunkohlevorkommen hat dazu geführt, dass die Bundesregierung das Mandat der Kohlekommission bis Januar 2019 verlängert hat. Ursprünglich war geplant, dass ein Fahrplan für den Kohleausstieg noch vor der UN-Klimakonferenz vorliegt, die im Dezember im schlesischen Kattowitz stattfindet. Unter Umweltverbänden herrscht Einigkeit darüber, dass Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) auf dem UN-Gipfel ein baldiges Aus für die Kohleverstromung verkünden muss.

Die Regierungschefs von drei Braunkohle-Ländern haben diesen Zeitplan inzwischen durcheinandergebracht. In einem Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel übten Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD), sein sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer (CDU) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) massive Kritik an der Arbeit der Kohlekommission. Laut Medienberichten ist in dem Brief der Ministerpräsidenten mit Blick auf Entwürfe der Kommission von Befürchtungen die Rede, dass zulasten der Regionen einseitig der Ausstieg aus der Kohleverstromung vorangetrieben werden soll. Die Regierungschefs fordern dagegen massive Investitionen und auch mehr Zeit. Für sie ist ein deutliches Vorziehen des Kohleausstiegs zudem nur hinnehmbar, „wenn zu diesem Zeitpunkt bereits die infrastrukturelle, industrielle und innovationstragende Neuorientierung in der Region wirklich begonnen hat“.

Offenbar ist der Eindruck entstanden, Teilen der Kohlekommission würde es vorrangig um die schnellstmögliche Abschaltung von Kraftwerken gehen – egal wie die Folgen für die Region aussehen, egal was es kostet. Im Gespräch sind etwa Zahlungen an Betreiber der Kohlekraftwerke, die schon bis 2022 abgeschaltet werden sollen.

Auch die Kraftwerksbetreiber, die bereits genehmigte Revierkonzepte nicht mehr vollständig umsetzen und vorzeitig aussteigen, können möglicherweise mit milliardenschweren Entschädigungen rechnen. Sachsens Ministerpräsident kritisiert derartige Ideen scharf: „Entschädigen heißt, der Staat zahlt Steuergelder dafür, dass er vertragsbrüchig wird: Wir kaufen uns von Tagebaugenehmigungen frei.“ Zudem fordert Kretschmer: „Wir brauchen Milliarden für neues wirtschaftliches Leben, nicht für das Stilllegen von Arbeit und Wertschöpfung.“ Im Zusammenhang mit den Kohleausstiegsplänen erinnerte der sächsische Ministerpräsident daran, dass die betroffenen Regionen in den drei östlichen Bundesländern bereits einen Strukturbruch nach der deutschen Wiedervereinigung erlitten hätten. Kretschmer sagte, dies dürfe sich nicht wiederholen.

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg wollen für den Verlust der Kohleförderung für die nächsten 30 Jahre Anpassungshilfen in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr, insgesamt also 60 Milliarden Euro. Die Ministerpräsidenten Woidke, Kretschmer und Haseloff sprechen sich zudem für ein Bundesgesetz aus. Darin sollen die Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Bau neuer Infrastruktur in den vom Kohle-Ausstieg betroffenen Regionen festgeschrieben und auch langfristig gesichert werden. Als Vorbild wird das Bonn-Berlin-Gesetz zum Hauptstadtumzug genannt. Der Brandbrief an die Kanzlerin und auch der Ruf nach einem Bundesgesetz sind ein Signal dafür, dass in den betroffenen Braunkohle-Ländern mittlerweile die Furcht umgeht, mit deindustrialisierten Regionen und den Folgen des Kohleausstiegs im Stich gelassen zu werden. Tatsächlich sind für die betroffenen Bundesländer bis 2021 zunächst einmal nur 1,5 Milliarden Euro an Hilfen einkalkuliert.

Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet hat inzwischen angemahnt, dass für einen Strukturwandel ausreichende Mittel nötig sind. Der CDU-Politiker sagte, Nordrhein-Westfalen sei bereit, ein Gesamtpaket zum Kohleausstieg mitzutragen, „wenn die Bedingungen für die betroffenen Menschen und Unternehmen tragbar sind“. Zudem fordert Laschet eine Revisionsmöglichkeit, eine „Wenn-dann-Klausel“, beim Ausstieg aus der Kohleverstromung. Aus Sicht Laschets müssen Versorgungssicherheit, der Ausbau der Netze und auch die Bezahlbarkeit von Strom gewährleistet sein.

Die Kohlekommission hat inzwischen einem Bericht widersprochen, wonach der Ausstieg aus der Kohleverstromung im Westen Deutschlands beginnen soll. Der „Spiegel“ hatte unter Berufung auf einen Entwurf für den Abschlussbericht der Kohlekommission gemeldet, dass zunächst Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt fünf Gigawatt stillgelegt werden sollen. In Nordrhein-Westfalen würde dies das Rheinische Revier betroffen. Die Kraftwerke im Osten würden dann ab 2030 abgeschaltet werden.