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30.11.18 / Umstrittenes Genie / Vor 150 Jahren wurde der Nobelpreisträger für Chemie Fritz Haber geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-18 vom 30. November 2018

Umstrittenes Genie
Vor 150 Jahren wurde der Nobelpreisträger für Chemie Fritz Haber geboren
Erik Lommatzsch

Im Juni 1920 fand im Festsaal der Stockholmer Musikakademie eine Nobelpreisverleihung statt. Kriegsbedingt verspätet nahmen einige der in den Vorjahren ausgezeichneten Wissenschaftler erst jetzt ihre Preise entgegen oder hielten ihre Reden. Fritz Haber erhielt die renommierte Ehrung für das Fach Chemie nachträglich für das Jahr 1918, für 1919 wurde in dieser Kategorie kein Preis vergeben. 

Bahnbrechendes bezüglich der Ammoniaksynthese, vor allem in industriell umsetzbarer Form, hatte der in Berlin tätige Haber geleistet. Der Präses der schwedischen „Königlichen Akademie der Wissenschaften“ würdigte das Ganze als „überaus wichtiges Mittel zur Hebung der Landwirtschaft und des Wohlstandes der Menschheit“, vom „Triumph im Dienste Ihres Landes“ war in weiteren Ausführungen die Rede.

Der Wert der Forschungen, für die Haber den Nobelpreis entgegennehmen durfte, stand außer Frage. Aus einem anderen Grund war er jedoch vor allem außerhalb Deutschlands des Preises für unwürdig erklärt worden. Ambivalent beurteilt wurde er auch nicht erst seit der Entscheidung des Komitees. 

Geboren wurde Fritz Haber am 9. Dezember 1868 in Breslau. Sein Vater führte eine Farben- und Chemikalienhandlung, die er später übernehmen sollte. Dementsprechend erfolgte die Wahl seiner Studienrichtung. Das wenig harmonische Zusammenwirken mit dem Vater, aber wohl vor allem Habers wissenschaftliche Neigung und Begabung waren es, welche ihn vom ursprünglich vorgesehenen Weg verlassen und eine Karriere als Forscher anstreben ließen. Nachdem er sich bereits zwei Jahre zuvor habilitiert hatte, wurde Haber 1898 an der Technischen Hochschule Karlsruhe zum außerplanmäßigen Professor für technische Chemie ernannt. 

Hervorgetreten war er unter anderem mit dem Werk „Grundriß der praktischen Elektrochemie“. 1902 weilte er mehrere Wochen in den USA. von der „Deutschen Bunsengesellschaft“ war er delegiert worden, um Industrie und Unterrichtsmethoden seines Faches in Augenschein zu nehmen. In seine Karlsruher Zeit fällt eine Vielzahl von grundlegenden Forschungen, deren Wert zum Teil erst  nach seinem Tod erkannt wurde. 

Herausragende Leistung war das sogenannte Haber-Bosch-Verfahren. Zur Herstellung von Düngemittel und damit zur Sicherung der allgemeinen Ernährung galt die Synthese von Ammoniak aus atmosphärischem Stickstoff und Wasserstoff als unabdingbar. Carl Bosch erhielt für seinen Anteil, der sich vor allem auf die großtechnische Realisierung, das Hochdruckverfahren, bezog, ebenfalls einen Nobelpreis, allerdings erst 1931. Die Entwicklung des „Haber-Bosch-Verfahrens“ war vor dem Ersten Weltkrieg abgeschlossen.

Vom jüdischen Glauben war Haber bereits 1892 zum Christentum konvertiert. Dass die Aussicht auf eine akademische Laufbahn, die ihm als Jude im Deutschen Reich dieser Zeit versagt gewesen wäre, dabei eine große Rolle spielte, vermutet der Historiker Fritz Stern, dessen Taufpate Haber war.

In Karlsruhe inzwischen zum Lehrstuhlinhaber avanciert, wurde Haber 1911 nach Berlin berufen. Ihm oblag die Gründung und Leitung des „Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie“ der „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“.

Fritz Haber verstand sich stets als glühender Patriot. Im September 1914 war er einer der 93 Unterzeichner des „Aufrufs an die Kulturwelt“. Künstler und Wissenschaftler verwahrten sich hier gegen Vorwürfe des Auslandes über das Vorgehen des deutschen Militärs in den ersten Kriegswochen. Haber stellte sich als Wissenschaftler mit seinem Institut dem Heer zur Verfügung. Er leitete die „Zentralstelle für Chemie“ beim preußischen Kriegsministerium. Den Gaskrieg forcierte er, und er reiste auch selbst zur Front. Der Chemiker Otto Hahn, später Entdecker der Kernspaltung, beschreibt ein Treffen mit Haber im Januar 1915 in Brüssel. Haber habe Hahn gegenüber ausgeführt, „dass der Krieg, so wie er sich jetzt festgefroren habe, wo die Fronten nicht mehr beweglich seien, in anderer Weise geführt werden müsse, um zu einem günstigen Ende zu führen. Er hielt mir dann einen Vortrag über Gaswolken von Chlor, die man über die feindlichen Gräben abblasen müsse, um den Feind zu zwingen, aus den Gräben herauszukommen.“ Auf den Einwand, dass der Einsatz der Giftstoffe völkerrechtswidrig sei, habe Haber entgegnet, „die Franzosen hätten so etwas Ähnliches im Herbst 1914 mit Gewehrgranaten versucht.“

Tragisches hatte sich im Privatleben Habers ereignet. Seine Frau, Clara Immerwahr, ebenfalls Chemikerin und eine der ersten promovierten Frauen in Deutschland, hatte sich im Mai 1915 im Garten der Villa der Familie erschossen. Im April war bei Ypern ein großer Giftgaseinsatz erfolgt, welcher als Beginn des „Gaskrieges“ gilt. Haber war vor Ort und wurde zum Hauptmann befördert. Der Selbstmord seiner Frau wird als Protest gegen seiner Tätigkeit im Krieg gedeutet, sicher belegt werden kann dieser Zusammenhang allerdings nicht.

Habers Rolle im Giftgaskrieg war es dann auch, welche zu massiver Kritik an der Verleihung des Nobelpreises führte – nicht der Wissenschaftler Haber, sondern dessen Persönlichkeit waren der Anlass. Er selbst war auch in der Weimarer Republik einflussreich. Einerseits war er Organisator. So geht die im Oktober 1920 gegründete „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“, welche um entsprechende Finanzierung und Koordinierung bemüht war, maßgeblich auf ihn zurück. In Japan war er während einer Weltreise 1924/25 auf äußerst positive Resonanz gestoßen, daraus entwickelten sich Kontakte, die 1926 in die Gründung des „Japan-Instituts“ mündeten. Andererseits war er weiterhin als Forscher tätig. 

Verbunden mit seinem Namen – und demjenigen von Max Born, der unabhängig von ihm zu gleichen Erkenntnissen gekommen war – ist der „Haber-Born-Kreisprozess“, welcher die Berechnung der Gitterenergie von Ionenverbindungen ermöglicht. Die Reparationsforderungen der Kriegssieger waren Anlass zu sechsjährigen Forschungen Habers, welche zum Ziel hatten, Gold aus Meerwasser zu gewinnen. Das Ganze erwies sich als wirtschaftlich unrentabel, die – durchaus vorhandenen – Goldkonzentrationen waren viel zu gering.

Im Mai 1933 legte Haber seine Ämter nieder. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung war ihm ein Weiterwirken in Deutschland kaum möglich. Für mehrere jüdische Mitarbeiter hatte er sich zuvor um Beschäftigung und Versorgung im Ausland bemüht. Zunächst ging er nach Cambridge, nahm aber bald darauf das Angebot an, eine Leitungsfunktion in dem von  Chaim Weizmann – später erster Staatspräsident Israels – begründeten Institut in Rehovot im damaligen Palästina zu übernehmen. Dazu sollte es nicht mehr kommen. Haber starb im Januar 1934 in Basel.