25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
30.11.18 / Humanist statt Diktator? / Zum 125. Geburtstag von Mao Tse-tung – der »Weltrevolutionär« wird trotz millionenfachen Mordes verehrt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-18 vom 30. November 2018

Humanist statt Diktator?
Zum 125. Geburtstag von Mao Tse-tung – der »Weltrevolutionär« wird trotz millionenfachen Mordes verehrt
Wolfgang Kaufmann

Mao Tse-tung, der von 1943 bis 1976 an der Spitze der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) stand und sich als „Großer Steuermann der Weltrevolution“ feiern ließ, war der schlimmste Massenmörder der Geschichte: Auf sein Konto gehen wohl um die 70 Millionen Tote. Trotzdem wird das maoistische Terror-Regime bis heute verharmlost.

Dem Bauernsohn Mao Tse-tung, der am 26. Dezember 1893 im Dorf Shaoshan in der zentralchinesischen Provinz Hunan auf die Welt kam, war das Revolutionäre und Gewalttätige keineswegs in die Wiege gelegt worden: Er wuchs behütet in relativem Wohlstand auf und interessierte sich nicht für Politik. Das Letztere änderte sich aber um 1911 mit dem Besuch einer weiterführenden Schule in Changsha. Zehn Jahre später leitete der nunmehr 27-Jährige die dortige Zelle der KPCh, und 1923 avancierte er bereits zum Mitglied des Zentralkomitees der Partei. 

Als gewaltbereiter Despot entpuppte sich Mao jedoch erst ab 1927, als er nach dem fehlgeschlagenen „Herbsternte“-Aufstand mit großangelegten „Säuberungsaktionen“ in den eigenen Reihen begann. Diese fanden ihre Fortsetzung in der 1931 proklamierten „Sowjetrepublik Jiangxi“. Deren Tage waren allerdings gezählt, weil die mit den Kommunisten verfeindeten Nationalchinesen (Kuomintang) unter Chiang Kai-shek immer massiveren militärischen Druck ausübten. Im Oktober 1934 musste sich Mao deshalb mit seinen Anhängern aus Jiangxi zurückziehen und den legendären „Langen Marsch“ über 12000 Kilometer in Richtung der kommunistischen Basis in Nord-Shensi antreten. Dort errichtete er eine neue Räterepublik – und initiierte sofort weitere „Säuberungen“ und „Umerziehungsmaßnahmen“. In Yenan, seiner nunmehrigen Hauptstadt, saß Mao während des 1937 ausgebrochenen chinesisch-japanischen Krieges in relativer Sicherheit. Gleichzeitig stieg er mit Rückendeckung Moskaus zum Führer der KPCh auf. Das geschah am 

20. März 1943 während einer Geheimsitzung des Politbüros der Partei. Die offizielle Bestätigung dieser Personalie erfolgte später auf dem 7. Parteikongress am 25. April 1945.

Wenige Monate darauf brach der Bürgerkrieg mit den Kuomintang erneut aus – und diesmal obsiegten die Kommunisten: Am 23. April 1949 eroberten sie Chiang Kai-sheks Hauptstadt Nanking, woraufhin Mao am 1. Oktober desselben Jahres in Peking die Volksrepublik China ausrief. Als nunmehriger Herrscher über das gesamte „Reich der Mitte“ – mit Ausnahme von Taiwan, dem Rückzugsort der Kuomintang – ließ er sofort zahlreiche tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner liquidieren. Zudem griff Mao im Oktober 1950 auf Bitten der kommunistischen Führung in Pjöngjang in den Korea-Krieg ein und begann zeitgleich mit der gewaltsamen Besetzung Tibets. Knapp drei Jahre später zog er seine Truppen wegen des Drängens Moskaus aus Korea zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte Mao Tse-tung bereits den Tod von über acht Millionen Menschen zu verantworten – so lauten zumindest die Schätzungen von Experten wie dem US-Politikwissenschaftler Rudolph Joseph Rummel. Doch es sollte noch deutlich schlimmer kommen. 

Im Mai 1958 verkündete der „Große Steuermann“ beziehungsweise „Große Vorsitzende“ sein Programm des „Großen Sprungs nach vorn“. Dessen Ziel bestand darin, den Rückstand des Agrarstaates China gegenüber den westlichen Industrieländern aufzuholen und den Weg hin zum Kommunismus deutlich zu verkürzen – nicht zuletzt auch, um der Sowjetunion die Führungsrolle innerhalb der sozialistischen Welt streitig zu machen. Hierzu wurden die Bauern in riesigen Volkskommunen zusammengefasst und fast sämtlicher Privatbesitz beschlagnahmt. 

Zudem sollte die Landbevölkerung nun „nebenher“ Staudämme oder Kanäle bauen sowie Stahl mithilfe improvisierter Hochöfen produzieren. Wie zu erwarten, endete dieser größte Menschenversuch aller Zeiten in einem gigantischen Fiasko: Während die Industrialisierung kein Stück vorankam, sank die Agrarproduktion zugleich aufs Dramatischste. Da half auch kein noch so übler Terror gegenüber den komplett überforderten Bauern. Nach einer Untersuchung des holländischen Historikers Frank Dikötter, der auch Zugang zu den Archiven der KPCh hatte, verhungerten bis zum Ende des „Großen Sprungs“ im Januar 1962 um die 45 Millionen Chinesen. Dies kommentierte Mao mit den Worten: „Wenn es nicht genug zu essen gibt, verhungern die Menschen. Es ist besser, die Hälfte der Menschen sterben zu lassen, damit die andere Hälfte genug zu essen hat.“

Am Ende musste er freilich dann doch „Selbstkritik“ üben, was ihn jedoch nicht daran hinderte, mit seinen Widersachern in Partei, Armee und Zivilgesellschaft abzurechnen. Diesem Zweck diente die Ende Mai 1966 in Gang gesetzte „Große Proletarische Kulturrevolution“, welche drei Monate später den ersten Toten forderte. Im Verlaufe von Maos erneuter Terrorkampagne kamen möglicherweise bis zu 7,7 Millionen Menschen ums Leben – Schätzungen, die von nur 400000 Ermordeten ausgehen, dürften angesichts der Ausdehnung des „Reiches der Mitte“ und dem Weiterlaufen der „Kulturrevolution“ bis zum Tode des „Großen Vorsitzenden“ jedenfalls deutlich zu niedrig gegriffen sein. Außerdem verlängerte sich die Liste der Opfer des roten Diktators noch um jene zehn Millionen Chinesen, welche die Zwangsarbeit in den Straflagern und die gewaltsamen Enteignungen auf dem Lande während der Jahre vor 1966 nicht überlebten.

Damit hatte der chinesische Kommunistenführer Mao Tse-tung wahrscheinlich um die 70 Millionen seiner Landsleute auf dem Gewissen, als er am 9. September 1976 in Peking an Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, starb.

Diese erschreckende Bilanz hinderte notorische Mao-Verehrer allerdings nicht daran, den Gründer der Volksrepublik China weiterhin als ideologische Kultfigur zu feiern. Dabei fanden sich solche Apologeten des Massenmörders keineswegs nur im eigenen Lande und unter den späteren KPCh-Führern, die ihm ab 1981 wiederholt attestierten, sein Wirken sei „zu 70 Prozent positiv“ zu bewerten. Vielmehr bescheinigten auch Persönlichkeiten wie der französische Senator und spätere Präsident François Mitterrand, Mao nach Besuchen in Peking, ein „Humanist“ und „kein Diktator“ zu sein. Und natürlich sahen die Maoisten in der Bundesrepublik, insonderheit die Mitglieder der 

K-Gruppen, von denen einige später bei den Grünen und der SPD reüssierten, ebenfalls keinen Grund zur Kritik am „Großen Vorsitzenden“ und dessen Tun.