18.04.2024

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30.11.18 / Ostpreußen im September / Eindrücke einer Reise mit Dieter Wenskat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-18 vom 30. November 2018

Ostpreußen im September
Eindrücke einer Reise mit Dieter Wenskat
Alfred Thieme

Die Reise begann am 14. September von Düsseldorf nach Warschau und weiter nach Königsberg., dessen Flughafen mit seiner modernen Architektur und Technik überraschte.

Nun ging es richtig los, mit dem Reiseführer Dieter Wenskat, der Dolmetscherin Diana Oblakova und unserem Busfahrer Alexander, der uns mit seinem Omnibus durch Ostpreußen fuhr.

Auf einer neuen Autobahn ging es bei sehr regem Autoverkehr in die Stadt hinein, vorbei an vielen Plattenbauten und modernen Gebäuden und nur wenigen erhaltenen Altgebäuden.

Durch die Stadtrundfahrt erfuhren wir viel über die heutige Stadt, zum Beispiel, dass derzeit etwa 30000 Deutsche dauerhaft in Königsberg, dessen deutsche Geschichte die Bewohner stolz macht, leben. Jüngere wünschen sich eine Renaissance des Namens Königsberg.

Die Stadt hat durch die Fußball-WM 2018 sehr gewonnen: ein modernes Stadion steht in der Stadtmitte, alte Gebäude wurden renoviert und herausgeputzt, Straßen wurden neu asphaltiert, auch neue Gebäude versucht man in traditionellen Formen zu errichten.

Das öffentliche Orgelkonzert im Königsberger Dom war der erste Höhepunkt des Tages. Danach schloss sich der zweite an, nämlich die Bootsfahrt auf dem Pregel um die Kneiphofinsel herum und eine kurze Hafenrundfahrt.

Weiter besichtigten wir die Markthallen, einen von der Farbe Gold dominierenden russisch-orthodoxen Dom, von denen es vier Stück in der Stadt gibt. 65 Prozent der Russen bekennen sich zur russisch-orthodoxen Kirche, deren Geistlichkeit sowie Gebäudebestand staatlich finanziert werden. Einen krönenden Tagesabschluss bildete der Chor „Legende“. 

Am folgenden Tag ging es über eine Huppelstraße ins Dorf Waldwinkel, wo wir eine alte Schule besuchten. Heute ist sie „Labdschulmuseum“, das den Schulunterricht  „wie in alter Zeit“ erleben lässt.

Weiterfahrt ins Große Moorbruch mit Besuch des Moorbruchhauses bei Lauknen am Rande des Elchwaldes, von dem aus ein interessanter Spaziergang ins angrenzende Naturparadies Hochmoor, startete. Am Spätnachmittag erreichten wir Tilsit, die zweitgrößte Stadt Ostpreußens. Nach einem Besuch im Park Jakobsruh mit dem wieder errichteten Denkmal der Königin Luise erreichten wir am Spätnachmittag das Hotel.

Von hier aus unternahmen wir eine Rundfahrt durch die Elchniederung, besuchten zunächst das „Kloster der Heiligen Elisabeth“ bei Heinrichswalde. In dem erst in den 90er Jahren, in moderner weißer Architektur errichteten Kloster leben etwa 30 Nonnen, die ein normales Leben mit Familie geführt haben und auch jetzt absolut im Leben stehen.

Sie haben sich das Kloster mit Nebenanlagen selbst (natürlich mit vielen Spenden) aufgebaut und betreiben Landwirtschaft und eine Baumschule. Die „Heilige Elisabeth“ war mit dem Bruder des letzten Zaren verheiratet, habe damals viel für die Armen getan und wurde 1917 von den Bolschewiken ermordet. Das sehr ansehnliche Kloster ist mit mehreren Kirchen und Wirtschaftsgebäuden hinter dicken Mauern und hohen Toren verborgen. Die Nonnen verlassen tagsüber das Gelände zur Arbeit und sind erst ab den Abendstunden wieder versammelt.

Die evangelische Gemeinde Heinrichswalde besteht heute aus 47 Mitgliedern. Erst seit 1990 dürfen sie wieder Gottesdienst abhalten in einer stark kriegsgeschädigten Kirche. Einmal im Monat kommt ein Pfarrer aus Insterburg. Lydia, die gute Seele der Gemeinde mit über 80 Jahren hielt uns einen erschütternden Vortrag. Die Gemeinde lebt von Spenden aus Deutschland.

Wir fuhren weiter durch die Elchniederung über einfache, schlechte Landstraßen in schnurgerader Alleeform aus preußischer Zeit, vorbei an einzeln stehenden Gebäuden als Reste verschwundener Dörfer und verwahrlostem, unbestellbarem Land.

Die Elchniederung liegt durchschnittlich zirke 50 Zentimeter unter dem Meeresspiegel. Die Russen haben nach 1945 aus Unwissenheit und Überheblichkeit sowjetischer Kolchosbauern die alten Entwässerungsgräben und Drainagen der deutschen Siedler zerstört und machten so das Land unbestellbar, da der Grundwasserspiegel anstieg. Die früheren fruchtbaren Felder (Kartoffeln, Weizen, Roggen) sind heute verwildert, bedeckt mit Gras und Büschen. Viele kleine Dörfer sind nicht mehr existent, einfach eingeebnet, Millionen Deutsche, die hier lebten, sind weg. Das Land verkommt. Wer hier lebt, hat keine Perspektive, praktisch nur noch Rentner. Wir fanden das Jagdschloss Pait, das heute tief im Lande liegt, am Ende aller Straßen.

Kaiser Wilhelm II liebte dieses Land. Er war oft hier, auch mit Staatsgästen. Das große Anwesen ist heute verfallen. Ein russischer Oligarch hat es vor Jahren gekauft, hatte wohl große Pläne damit, lässt es aber weiter verfallen. Dennoch steht das Anwesen unter Denkmalschutz.

Weiter ging es Richtung Trakehnen, Gumbinnen und Rominter Heide. Dieses Land liegt deutlich über dem Meeresspiegel, ist leicht hügelig mit einigen kleinen Wäldern zwischen Feldern. Hier sind die Böden trockener als in der Elchniederung.

Die Felder waren hier immer groß und fruchtbar (Kornkammer des Reiches). Auch hier haben die Russen 1946 den Boden falsch behandelt, sodass jetzt vieles brach liegt. Man sieht aber auch einige Großfelder wieder, die russische Großgrundbesitzer bewirtschaften.

Unser Weg führte uns weiter ins Memelland und damit über die Luisenbrücke. 

Über sehr gut ausgebaute Straßen in Litauen erreichten wir Heydekrug und besichtigten die dortige Kirche, die ein ganz besonderes Altarbild enthält. Die evangelische Kirche mit ihrem Tonnengewölbe wurde 1924/26 erbaut. Der Königsberger Künstler Richard Pfeiffer malte diese aus. Weltweit einzigartig ist das rund 80 Quadratmeter große Altarfresko, auf dem die Gesichter aller bis dahin namhaften Persönlichkeiten aus Politik, Musik, Religion und Kultur zu sehen sind.

Nach einem Picknick in Kintai erkundeten wir die Minge, die Memel, durch das Memeldelta und über das Kurische Haff nach Nidda mit dem Motorboot. 

Unser Hotel „Nidda Banga“ steht am Platze des historisch interessanten Gasthauses „Hermann Blode“, das im Zusammenhang mit der Künstlerkolonie Nidda besonders in den 20er Jahren einen Namen hatte, aber schon seit 1865 existierte. Der damalige Inhaber Hermann Blode ließ die meist mittellosen Künstler bei sich wohnen, wenn sie ihm jeweils ein Bild vermachten. So war das alte Hotel gefüllt mit Bildern von Künstlern, die später weltbekannt wurden. Leider wurden diese Kunstwerke verheizt. Nur wenige existieren noch und befinden sich im Ostpreußischen Heimatmuseum in Lüneburg. Hier erlebten wir die ganze Schönheit der Kurischen Nehrung und auch das über 70 Steinstufen zu erreichende Thomas-Mann-Haus. 

Memel enttäuscht. Die Altstadt ist mit schlechtem Kopfsteinpflaster bedeckt. Sehenswert ist allein der Simon-Dach-Brunnen mit dem Denkmal des Ännchens von Tharau. Das Lied sangen wir natürlich dort gemeinsam. Auf der Rückfahrt pausierten wir in Schwarzort auf der Kurischen Nehrung . Dort gibt es den „Hexenberg“, eine frühere Düne, die jetzt ziemlich bewaldet ist. Wir folgten auf Wegen mit furchterregenden litauischen Hexen-, Kobold- und Sagenfiguren den Erzählungen unserer Reiseleiterin. So richtiges Meererlebnis gab es bei Rossitten auf einer Aussichtsplattform. Es herrschte Starkwind mit Stärke 10, der Schaumkronen tanzen ließ. Auf der anderen Seite lag das stille Haff. Sehr beeindruckend.

Nach der Besichtigung des „tanzenden Waldes“, Koniferen wachsen im Zickzack, ging es weiter zur Vogelwarte, in der alle Vögel, die dort ins Netz gehen, bestimmt, beringt, registriert, gemessen, gewogen und wieder freigelassen werden. Im Jahr 1895 war diese Vogelwarte einzigartig.

Weiter führte unsere Reise nach Cranz. Vom einst mondänen Seebad ist nichts mehr übrig. Der Ort wirkt veraltet, beengt, die Seepromenade ist eintönig und mit Bauruinen flankiert. Vor dem Ort auf der Landseite erheben sich einige bis zu 15-geschossige Hochhäuser.

Ganz anders sieht es in Rauschen aus. Die Vorortbebauung besteht auch aus solchen Hochhäusern wie in Cranz. Der Ort selbst ist ohne Kriegsschäden. Die Gebäude sind meist im Jugendstil ausgeführt, alles harmonisch zueinander passend. Die Seepromenade ist breit gepflastert und durch elegante Restaurants und größeren Hotels begrenzt.

Natürlich durfte auch das bernsteinreiche Palmnicken nicht fehlen. 

Zum Schluss fuhren wir nach Pillau. Hier liegt ein Großteil der russischen Flotte. Deshalb ist die Stadt Sperrgebiet und man darf nur nach Anmeldung hinein.

Da wir einen deutsch-russischen Soldatenfriedhof besuchen wollten, durften wir passieren.

Wir fuhren vorbei an vielen alten Kasernenanlagen, an vielen stillgelegten Fahrzeugen der russischen Armee, die den Abrüstungsvereinbarungen zum Opfer gefallen sind, alten Befestigungs-

anlagen aus preußischer Zeit und besuchten die Kais, an denen sich menschliche Schicksale entschieden haben während der großen Flucht 1944/45.

Der Leuchtturm am Hafen von Pillau ist etwas Besonderes: Er ist ein Schinkel-Bau mit besonderer Bautechnik, denn das Gebäude ist auf einer Kugel erbaut, die es ermöglicht, dass sich der Turm bei Starkwind neigt, ohne Schaden zu nehmen.

Am folgenden Tag hieß es: Abschied nehmen. Dieter Wenskat, der mit viel Herzblut eine wundervolle Reise mit ganz privatem Charakter ermöglicht hat, wurde herzlich gedankt.