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07.12.18 / Der Revolution entgegen / Die strukturlose Graswurzelbewegung der Gelben Westen wird dem französischen Staat gefährlich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-18 vom 07. Dezember 2018

Der Revolution entgegen
Die strukturlose Graswurzelbewegung der Gelben Westen wird dem französischen Staat gefährlich
Eva-Maria Michels

Geht Frankreich einer Revolution entgegen? Seit Anfang November mehren sich die Anzeichen dafür, denn seit eine Internetpetition gegen die Erhöhung der Benzinsteuern, die von fast einer Million Franzosen unterzeichnet wurde, online ging und ein Lkw-Fahrer auf YouTube zur Blockade des Landes aufrief, organisiert sich eine neue Art von Bürgerprotest. Die Gilets Jaunes (GJ), benannt nach der neongelben Rettungsweste, die jeder Autofahrer mit sich führen muss und die nun in Millionen Fahrzeugen als Zeichen des Protests auf dem Armaturenbrett liegt, stellen für die staatlichen Autoritäten ein großes Problem dar.


Die Gelben Westen sind eine Graswurzelbewegung ohne Struktur und zentrale Organisation. Keiner weiß genau, wie viele es sind, noch wer aktiv ist, noch wo, wie, wann sich ihr Protest organisiert. Der Staat ist deshalb in der Defensive und kann keine Strategien planen wie bei klassischen Demonstrationen. Die Kraftstoffsteuererhöhung ist nicht die Ursache ihres Protests, sondern nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Ursächlich ist die gesamte Unzufriedenheit mit der Lage in Staat und Gesellschaft: Masseneinwanderung, Unsicherheit, Kriminalität, Bildungsmisere, Rück­bau staatlicher Infrastruktur, Deindustrialisierung und staatliche Überschuldung, zu der sich nun eine immer größer werdende Steuerlast gesellt. Gerade die schwer arbeitende aber häufig schlecht bezahlte untere Mittelschicht in der Provinz leidet unter einer Verarmung aufgrund staatlicher Steuern und Zwangsabgaben. Diese Menschen können es sich finanziell nicht erlauben, in der Nähe der wirtschaftlich dynamischen Großstädte zu leben und müssen für alles lange Wege zurücklegen. Das Dieselauto, aufgrund seines geringen Verbrauchs und seines geringen CO2-Ausstoßes lange vom Staat steuerlich gefördert, ist das Fortbewegungsmittel dieser Menschen.

Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen machte die Regierung Macron den Fehler, seit Anfang des Jahres mehrere äußerst unpopuläre Maßnahmen gegen Autos im Allgemeinen und den Dieselmotor im Besonderen zu erlassen und dies mit Klimaschutz und Sicherheit zu begründen: Die Herabsetzung der maximalen Geschwindigkeit von 90 auf 80 Kilometer pro Stunde auf Landstraßen, immer mehr Geschwindigkeitskontrollen durch Radar und Gendarmerie, ein neues, wesentlich strengeres TÜV-Gesetz, ein schrittweises Dieselverbot ab 2019 in Paris, das Verbot aller konventionellen Fahrzeuge im Großraum Paris bis 2030 und schließlich die progressive Erhöhung der Kraftstoffsteuer: Bis 2022 soll sie pro Liter Dieselkraftstoff um insgesamt 23 Cent ansteigen und dem Preis für Ottomotoren-Kraftstoff angeglichen werden.

In diesen Maßnahmen sehen die Gelben Westen nicht nur eine faktische Enteignung, sondern auch die Zementierung der territorialen Apartheit, da sie ohne teures Elektroauto auf die Dauer in der Provinz gefangen sind. Besonders erbost sind sie jedoch darüber, dass sie den Eindruck haben müssen, von der Regierung für dumm gehalten zu werden. Der 51-jährige Lkw-Fahrer Alain bringt es auf den Punkt: „Bis jetzt wollten sie, dass wir unbedingt Diesel kaufen, weil Diesel weniger CO2 ausstoßen. Doch jetzt sind die Diesel plötzlich für die Klimakatastrophe verantwortlich, und wir sollen nur noch Elektroautos kaufen, während sie die Kernkraftwerke stilllegen und wir über immer weniger Elektrizität verfügen. Die spinnen doch!“

Während anfangs Straßenblockaden das Herz der Aktionen der GJ waren, richtet sich ihr Protest inzwischen immer mehr gegen Finanzämter und Präfekturen. 20 bis 30 Prozent der Radargeräte zur Geschwindigkeitskontrolle sind mittlerweile zerstört. Laut Umfragen unterstützen bereits 84 Prozent der Franzosen die Forderungen der Gelben Westen.

Die Ausschreitungen der Autonomen und der Banlieue-Kriminellen auf den Champs-Elysées am 24. November, für welche die Regierung trotz gegenteiliger visueller, polizeilicher und geheimdienstlicher Beweise die politische Rechte und Marine Le Pen verantwortlich macht, tun der Mobilisierung bisher keinen Abbruch. Im Gegenteil, die Antwort der Regierung auf den Protest der GJ, die darin besteht, noch mehr Kommissionen zu gründen, die „Energiewende“ noch besser zu erklären und für die Ärmsten noch mehr Finanzhilfen anzubieten, fordert die Wut der Bürger geradezu heraus: „Wir wollen nicht zu Sozialfällen der Regierung werden, wir wollen würdig von unserer Hände Arbeit leben können!“, entrüstet sich der Lkw-Fahrer Jacques. Und somit bleibt die Motivation groß, weiterhin zu protestieren und zu blockieren.