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07.12.18 / Zweimal 30 Jahre Ostpreußen in Lüneburg / Vor 60 Jahren öffnete des »Ostpreußische Jagdmuseum – Wild, Wald und Pferde Ostpreußens« im Alten Kaufhaus seine Tore

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-18 vom 07. Dezember 2018

Zweimal 30 Jahre Ostpreußen in Lüneburg
Vor 60 Jahren öffnete des »Ostpreußische Jagdmuseum – Wild, Wald und Pferde Ostpreußens« im Alten Kaufhaus seine Tore
Joachim Mähnert

„Ein Volk, das durch Krieg und Kriegsschuld mehr als drei Provinzen verliert, ist geschlagen und hat Verlust erlitten; ein Volk jedoch, das aus freien Stücken darauf verzichtet, einen Teil der kulturellen Substanz jener verlorenen Gebiete zu sammeln, zu retten und … weiter wirksam zu machen, ein solches Volk versagt erbärmlich vor sich und seiner eigenen Kultur.“

Dieser flammende Appell zur Rettung ostdeutschen Kulturguts, 1972 an den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt gerichtet, stammt nicht etwa aus Kreisen einer Landsmannschaft, sondern vom Brandt-Freund Günther Grass. Tatsächlich entspringt die Idee, staatlich finanzierte Landesmuseen für die Ostgebiete zu gründen, dieser Zeit. Aber erst 1987 öffnete mit dem Ostpreußischen Landesmuseum das erste seiner Art: der Prototyp aller nach Paragraf 96 Bundesvertriebenengesetz finanzierten Landesmuseen. 

Die Rahmenbedingungen hatten sich indes deutlich verschlechtert. Für nicht wenige politische Akteure war die Erinnerung an Ostpreußen nunmehr überflüssig, wenn nicht gar Provokation oder Revanchismus. Die Museumseröffnung musste unter Polizeischutz erfolgen. Nicht weniger schmerzlich war die unzureichende Finanzierung, weshalb die neue Ausstellung provisorisch und für viele im Vergleich zum Vorgänger Jagdmuseum zunächst eine Enttäuschung war. Erst einige Jahre später erreichte die Präsentation ein angemessenes Niveau. Mit Hilfe öffentlicher Fördergelder, aber auch vieler privater Spender wuchs die Sammlung rasch. Die Ausstellungen begeisterten die Besucher, und aus dem gesamten Bundesgebiet reisten die Ostpreußen an, um „ihr“ Museum zu sehen. Denn auch nach Ende des Eisernen Vorhangs blieb das Lüneburger Haus mit seinem Anspruch, die einst östlichste Provinz geografisch und thematisch in voller Vielfalt abzubilden, einzigartig. Denn auch wenn seit 1990 ungeheuer viel passiert ist: Die vielen Museen im heute russischen, polnischen und litauischen Ostpreußen widmen sich seit 1990 auch dem deutschen Kulturerbe, sind aber eher auf die eigene Region konzentriert. Wenig erfährt man etwa in Ermland und Masuren über das Memelland und umgekehrt. Ostpreußen in Gänze als einen über Jahrhunderte gewachsenen und lange zusammengehörigen Kulturraum abzubilden scheint vor allem in der Bundesrepublik von Relevanz zu sein.

Rasch stellte sich allerdings heraus: Der Neubau von 1987 war angesichts des kulturellen Reichtums Ostpreußens zu klein gedacht, Erweiterung tat not. Doch der Weg dahin war lang und wäre ohne die tatkräftige, auch finanzielle Unterstützung der Ostpreußen selbst nicht möglich gewesen.

1994 war die Trägerschaft vom bisherigen „Ostpreußischen Jagd- und Landesmuseum e.V.“ auf die neu gegründete „Ostpreußische Kulturstiftung“ übergegangen. Nunmehr waren das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen (Bayern) als Archiv für Ostpreußen und das Landesmuseum sinnvollerweise unter einem Dach. Für beide Einrichtungen erhält die Stiftung vom Bund sowie aus Niedersachsen und Bayern staatliche Förderung, welche eine professionelle Kulturarbeit auf hohem Niveau ermöglicht. 

Es waren aber die Ostpreußen, die benachbarte Grundstücke für die Erweiterung erwarben, teils abgestimmt mit der Deutschbaltischen Kulturstiftung. Denn klar war: Modernisierung und Erweiterung würden nur finanziert werden, wenn unter dem Dach des Ostpreußenmuseums auch eine Deutschbaltische Abteilung realisiert würde. 2013 endlich wurde mit dem Umbau begonnen. Der Zugang zum Museum erfolgt jetzt über das 500 Jahre alte „Scharffsche Haus“ in der touristenstarken Heiligengeiststraße, in dem auch das Museumscafé und die Verwaltung liegen. Durch einen Neubau erhielt das Museum ein modernes Foyer sowie einen großartigen Sonderausstellungsraum. 

Die neue Dauerausstellung stand vor der Herausforderung, Jung und Alt, Zeitzeugen ebenso wie Menschen ohne Vorkenntnisse glei-chermaßen anzusprechen. Nur wenn es gelingt, auch die Jüngeren an die Faszination Ostpreußens heranzuführen, wird das Museum dauerhaft erfolgreich Besucher anziehen. Daher finden sich viele sinnliche Erlebnisse in den vollständig überarbeiteten Räumen, unterhaltsame Möglichkeiten zum Ausprobieren oder Anfassen, Museumsobjekte mit großem Schauwert oder starken Geschichten und andere, die als Vertiefungsebene sich an den versierten Kenner richten.

Die bisherigen begeisterten Reaktionen der Besucher geben Anlass zur Hoffnung, dass der eingeschlagene Weg der richtige war. Ostpreußen bietet auch heute, über 70 Jahre nach Flucht und Vertreibung, starke Themen, kulturellen Reichtum und faszinierende Persönlichkeiten, die begeistern, von der einzigartigen Schönheit des Landes ganz zu schweigen.

Und wie geht es weiter? Seit 2016 bereichern die Sammlungen des Duisburger Museums Stadt Königsberg die Lüneburger Bestände. Die Pregelstadt mit ihrer Universität, ihrer Weltoffenheit und ihren großen Köpfen, besonders Immanuel Kant, steht im Zentrum des nächsten großen Projekts. 2024, zum 300. Geburtstag des Philosophen, soll ein nächster Erweite-rungsbau mit zusätzlich 700 Quadratmetern Ausstellungsfläche eröffnen. Königsbergs größter Sohn hat auch uns Heutigen viel zu sagen und wird international verehrt. Kein Wunder, dass die notwendigen Mittel bereits in öffentliche Haushalte eingestellt wurden. 

Es geschieht viel im Ostpreußischen Landesmuseum, für den Erfolg der nächsten 60 Jahre ist es auf gutem Weg. Wenn im Jahr 2078 an Ostpreußen gedacht wird, dürfte das Lüneburger Haus als dann wohl wichtigster verbleibender Leuchtturm weiterhin den Wogen des Vergessens trotzen.