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07.12.18 / Glückliche Zuwanderer / Mit Ukrainern gibt es in Niederschlesien keine Integrationsprobleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-18 vom 07. Dezember 2018

Glückliche Zuwanderer
Mit Ukrainern gibt es in Niederschlesien keine Integrationsprobleme
Chris W. Wagner

Laut des Ukrainischen Statis-tikamtes (Analytikzentrum) arbeiteten Ende 2017 zwei Millionen ukrainische Staatsbürger in Polen. 2016 waren es 1,3 Millionen. Breslau zählt zum beliebtesten Ziel für sie.

In der schlesischen Metropole Breslau begegnet man beim Warten auf die Tram, in den Straßenbahnen, in Geschäften und Restaurants oder unterwegs vielen Ukrainern. Sie heben sich optisch überhaupt nicht ab, sind wie unter Polen üblich modisch gekleidet. Oft merkt man erst nach dem zweiten Hinhören, dass sie Polnisch mit dem üblichen „Singsang“ des Ukrainischen sprechen, den übrigens auch viele vertriebene Ostpolen sprachen.

Ausländer dürfen in Polen sechs Monate lang ohne Arbeitserlaubnis einer Beschäftigung nachgehen, und dies betrifft Bürger der Ukraine, Russlands, Georgiens, Moldawiens oder Armeniens gleichermaßen. Laut Informationen der niederschlesischen Arbeitsämter, so die Tageszeitung Gazeta Wyborcza, kamen 2017 120000 Ukrainer in die Woiwodschaft Niederschlesien, 62000 davon fanden Arbeit in Breslau. Sie sind meist zwischen 26 und 40 Jahre alt und arbeiten hauptsächlich als Reinigungskräfte, im Security-Bereich, in Callcentern, in der Pflege von Grünflächen oder bei der Straßenreinigung. 21000 ukrainische Staatsbürger sind im Baugewerbe tätig, 12500 Menschen fand in der Industrie Arbeit. Viele kommen mit ihren Familien. Ihre Kinder besuchen Breslauer Kindergärten und Schulen. Viele junge Menschen nehmen in Breslau ein Studium auf. Sie bilden die größte nationale Minderheit unter den Breslauer Studenten.

Das Breslauer Magistrat hat bereits Mitte 2017 eine Bevollmächtigte für Belange der Ukrainer berufen. Gleich zu Beginn ihrer 

Arbeit konnte Anna Szarycz 50000 Euro, die sie vom damaligen Stadtpräsidenten (Oberbürgermeister) Rafal Dutkiewicz erhalten hat, an die „Stiftung Ukraine“ weitergeben, die sich um die Ukrainer in Niederschlesien kümmert. Der Betrag stammte aus dem Preisgeld des Deutschen Nationalpreises, den Dutkiewicz im Juni 2017 in Berlin für seine Verdienste „um die europäische Einbettung seiner Stadt und um die deutsch-polnischen Beziehungen“ verliehen bekam. Daraus wurden Polnisch-Sprachkurse unterstützt und ein Informationsbüro für Ukrainer geschaffen. In diesem erhält man kostenlose Beratung in Sachen Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen, Arbeitssuche, Krankenversicherung oder Hilfe bei Behördengängen. Informationen werden dort in Russisch, Ukrainisch, Englisch und Polnisch erteilt. In der im Mai 2018 eingerichteten Beratungsstelle in der Innenstadt trifft man jedoch nicht nur Ukrainer. Auch Bürger aus Russland, Kasachstan, Weißrussland, China, Vietnam oder Indien suchen dort Hilfe.

„Hier ist es viel einfacher zu leben. Man kann hier ein Auto für viel weniger Geld als bei uns kaufen. Bald habe ich das Geld zusammen und muss nicht mehr Straßenbahn fahren“, freut sich der angesprochene Passant Oleksandr. Auch Oksana ist in Breslau glücklich. Sie arbeitet tagsüber in einem Bekleidungsgeschäft und trägt sich mit dem Gedanken, ein Studium im Bankwesen aufzunehmen. Erste Gespräche hätte sie schon geführt, denn sie kennt viele Ukrainer, die an der Breslauer Hochschule für Bankwesen studieren. 650 Ukrainer sollen dort studieren, so Oksana. Doch vorher will sie sich eine Wohnung in Ohlau [Olawa] suchen. Dort sind die Wohnungen viel günstiger und sie ist mit der Eisenbahn in 20 Minuten in Breslau. Sie wisse dies von Bekannten, die in Ohlau leben und arbeiten. Zurzeit wohnt Ok-sana in einer Wohngemeinschaft (WG) im Stadtteil Gräbschen [Grabiszyn]. Dort teilt sie sich sogar das Zimmer mit ihrem Ehemann. In der WG wohnen außerdem zwei polnische Schüler und eine deutschstämmige Oberschlesierin, die nach dem Studium in Breslau geblieben ist. Seitdem Oksanas Ehemann, der in Jeltsch [Jelcz] Sicherheitsgurte und Airbags für bekannte Automarken montiert, zu ihr zog, wird es den beiden in der WG zu eng. „Für polnische Verhältnisse verdienen wir wenig, aber in der Ukraine habe ich umgerechnet 100 Euro verdient. Es gefällt uns in Niederschlesien. Vielleicht bleiben wir für immer“, so die 23-jährige Oksana.

„Niederschlesien braucht Arbeitskräfte“, sagt Hubert Papaj, Vorsitzender der Niederschlesischen Wirtschaftsagentur, denn die Ukrainer allein können den Bedarf gar nicht stillen. Deshalb würden Gespräche mit Arbeitsvermittlern aus Vietnam geführt. Man wolle sich ein Beispiel an Tschechien nehmen. Dort habe man gute Erfahrungen mit Vietnamesen gemacht. Allein im vergangenen Jahr kamen 7000 Arbeiter in das Mitteleuropäische Nachbarland.