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07.12.18 / Blitz aus heiterem Himmel / Seit 1050 Jahren trotz der mächtige Dom von Meißen vielen Naturgewalten – Begehrtes Ausflugsziel in der Adventszeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-18 vom 07. Dezember 2018

Blitz aus heiterem Himmel
Seit 1050 Jahren trotz der mächtige Dom von Meißen vielen Naturgewalten – Begehrtes Ausflugsziel in der Adventszeit
Wolfgang Kaufmann

Wer keinen Geschmack am Ba­rock-Disneyland und dem Ad­vents-Trubel in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden findet, dem sei vor Weihnachten der Be­such des nahegelegenen Meißen empfohlen. Hier wartet mit dem auf dem Burgberg gelegenen Dom St. Johannis und St. Donatus ein sehenswertes Beispiel hochgotischer Baukunst auf die Besucher. Dessen Geschichte reicht mittlerweile schon 1050 Jahre zurück.

Um das Jahr 929 herum suchte der deutsche König Heinrich I. nach einem Platz für eine neue Burg, von der aus man die unterworfenen Slawenstämme an der Elbe kontrollieren konnte. Er fand diesen auf der Felskuppe oberhalb der Mündung des Baches Misni. Später diente das hier errichtete Bauwerk dann dem Markgrafen von Meißen als Residenz, während südlich davon eine Marktsiedlung entstand, welche um 1332 das Stadtrecht erlangte. Aufgrund der chaotischen Herrschaftsverhältnisse in der Region wechselten die Markgrafen in schneller Folge, bis das Amt schließlich im Jahr 1123 an Konrad I. von Wettin, den Stammvater des späteren sächsischen Königshauses, ging.

Zu diesem Zeitpunkt herrschte auf dem Meißner Burgberg schon ziemliche Enge, denn in unmittelbarer Nachbarschaft zur Behausung des Markgrafen entstand nun auch eine viertürmige romanische Basilika. Die selbige ruhte auf den Fundamenten des kleineren Gotteshauses, dass zwischen 1006 und 1073 als bischöfliche Kathedralkirche errichtet worden war und seinerseits die bescheidene hölzerne Kapelle auf dem Burgberg aus dem Jahr 968, also vor 1050 Jahren, ersetzt hatte. 

Die Errichtung dieser Kapelle wiederum resultierte aus der in jenem Jahr vorgenommenen Gründung des Bistums Meißen durch Papst Johannes XIII. Dieser folgte damit einem Vorschlag des römisch-deutschen Kaisers Otto I. sowie dessen Gemahlin Adelheid von Burgund und schuf damit quasi in Meißen die Keimzelle für die Christianisierung des heutigen Sachsen.

Angesichts der repräsentativen gotischen Dombauten, die zum Anfang des 13. Jahrhunderts in Magdeburg, Halberstadt und Naumburg entstanden, wuchs in Meißen das Bedürfnis nach einem Neubau im gleichen Stil. Wahrscheinlich war Bischof Konrad I. die treibende Kraft hinter dem Ganzen – jedenfalls erwirkte er 1249/50 drei Ablässe bei der päpstlichen Kanzlei, die das nötige Geld in die Kassen spülen sollten. Denn die Umgestaltung und Erweiterung versprach teuer zu werden, weil man nun weit über die ursprüngliche Hangkante hinaus bauen musste. 

Dennoch war der neue Chor samt Querhaus bereits 1268 liturgisch nutzbar, aber es fehlten noch das geplante große Langhaus einschließlich der Seitenschiffe sowie die Westturmfront. Viel Arbeit also für die hessischen Baumeister, die ab 1270 nach Meißen kamen und sich nun vor allem an der Gestaltung der Eli­sabethkirche in Marburg und der Kirche in der Zisterzienser-Abtei von Haina orientierten. Außerdem erhielten die unteren Turmblöcke an der Westseite spätgotische Elemente nach Vorbild des Prager Veitsdoms.

Die Schlussweihe des Meißner Gotteshauses erfolgte 1401 durch Bischof Thimo von Colditz – in etwa zeitgleich mit der Exemtion des Bistums Meißen vom Erzbistum Magdeburg. Nur zwölf Jahre später warf ein schwerer Sturm die beiden hölzernen Glockentürme auf der Westseite hinab, woraufhin der Baumeister Arnold von Westfalen, welcher ab 1470 anstelle der alten Markgrafenburg ein spätgotisches Schloss errichtete, neue Pläne für die Westturmanlage erarbeitete. Diese brachen mit allen bisherigen architektonischen Konventionen: So löste Arnold die Türme in vier Pfeiler auf und verband sie mit frei schwebenden Treppenarmen. Dann ging allerdings das Geld aus, weshalb die kühne Konstruktion 1503 nur mit drei hölzernen Spitzen gekrönt werden konnte. Diesen Anblick bot der Dom bis zum 25. April 1547 – dem Tag, an dem trotz wolkenlosen Himmels ein Blitz in die Westturmanlage einschlug, woraufhin die Holzaufsätze komplett niederbrannten.

Anschließend bemühte sich niemand mehr um deren Wiederherstellung, weil der Dom infolge der Reformation einen Großteil seiner Bedeutung verloren hatte, obzwar in der ab dem Jahr 1425 erbauten Fürstenkapelle am Fuß der Westfront inzwischen mehrere Herzöge und Kurfürsten von Sachsen wie Friedrich der Streitbare ruhten.

Das Interesse an dem Torso blieb solange gering, bis die prominenten Architekten Karl Fried­rich Schinkel und Gottfried Semper in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Vollendung des Bauwerkes anregten. Daraufhin beauftragte der Dombauverein den renommierten Karlsruher Architekten Carl Schäfer sowie dessen Meißner Kollegen Joseph Schäffler mit dem Weiterbau der Westturmanlage. Dem folgte heftige Kritik an der „Verschäferung“ des Domes – insbesondere vorgebracht von dem Dresdener Kunsthistoriker und Barockforscher Cornelius Gustav Gurlitt. 

Doch die Obergeschosse und Aufsätze der Türme in dem einfühlsamen neugotischen Stil Schäfers, welche 1909 fertiggestellt wurden, harmonieren durchaus mit der innovativen Kreation Arnold von Westfalens. Deshalb ahnen die wenigsten Besucher des Doms, wie viele Jahrhunderte zwischen Grundsteinlegung und Fertigstellung der beiden, nunmehr 81 Meter hohen Westtürme liegen, die heute die Silhouette des gesamten Ensembles auf dem Burgberg prägen.

Dabei drohte den Türmen zwi­schenzeitlich erneut der Einsturz, weil es die realsozialistische DDR nicht vermochte, die Bauwerke instand zu halten. So brach 1977 die Aufhängung der fast acht Tonnen schweren Johannesglocke, wo­nach diese sich aber glücklicherweise im Glockenstuhl verklemmte. Ansonsten hätte ihr Absturz wohl das komplette Innere des Nordwestturmes demoliert. Dem folgte in den 1980er Jahren die baupolizeiliche Sperrung beider Türme.

Letztlich bedurfte es erst der Vereinigung von West- und Mitteldeutschland von 1990, damit ein großangelegtes Restaurierungsprogramm für den Meißner Dom anlaufen konnte, dass nunmehr zum 1050. Jubiläum im Wesentlichen abgeschlossen ist.