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14.12.18 / Nach vorne geboxt / Kommunalwahlen in Polen – Posen will liberale Wende einleiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-18 vom 14. Dezember 2018

Nach vorne geboxt
Kommunalwahlen in Polen – Posen will liberale Wende einleiten
Bodo Bost

Bei der zweiten Runde der Regional- und Kommunalwahlen in Polen konnte sich die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Ex-Ministerpräsi­dent Jaroslaw Kaczynski in keiner der großen Städte durchsetzen. In Krakau, Danzig und Kielce konnten die Kandidaten der Opposition die Rathäuser erobern. 

Bereits in der ersten Runde am 21. Oktober konnte die Bürgerkoalition, ein Zusammenschluss der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) und der liberalen Nowoczesna-Partei, die Hauptstadt Warschau sowie Lodz, Posen, Lublin und Breslau für sich gewinnen. Die PiS konnte sich allerdings in neun von 16 Regionalparlamenten durchsetzen.

Der bereits im ersten Wahlgang mit 56,6 Prozent der Stimmen wiedergewählte Stadtchef von Posen, Jacek Jaskowiak, der durch  einen Schaukampf gegen den früheren Boxweltmeister Dariusz Michalczewski äußert populär und beliebt wurde, gilt innerhalb der liberalen Bürgerplattform (PO) als Galionsfigur des liberalen Polen. Posen hat heute 550000 Einwohner und liegt im Zentrum Polens, auf halbem Weg zwischen Warschau und Berlin. Vor dem Zweiten Weltkrieg lag die Stadt am Rande des Kaiserreichs.

Jaskowiak möchte die Stadt nach Westeuropa zurückführen. Der nationalkonservativen Regierung wirft er vor, mit ihren autoritären Tendenzen das ganze Land nach Osten, nach Moskau hin zu orientieren. Diese hört das gar nicht gerne, spricht sie doch von Russland als neuer geopolitischer Bedrohung Polens. Jaskowiak bekämpft die seit 2015 mit absoluter Mehrheit regierende PiS-Partei und ihren Schattenpremier Kaczynski auf allen Ebenen. So propagierte er öffentlich das Recht der Frauen auf Abtreibung und stellte die Schwulenparade in Posen unter seine Schirmherrschaft, woraufhin Gegner sein Privathaus mit anzüglichen Parolen beschmierten. 

Posen ist heute ein liberales Einsprengsel und so etwas wie eine Wohlstandsinsel im konservativ-katholischen Polen. Daran hat auch VW einen Anteil, denn die Firma hat in einer Vorstadt ihre Zentrale für Polen. Jaskowiak, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt, hatte nach der Wende 1989 rasch ein Vermögen mit allerlei Geschäften gemacht. Erst 2010 wurde aus dem finanziellen Aufsteiger ein politischer Quer­einsteiger. Eine Posener Bürgerinitiative hatte ihn damals gefragt, ob er für sie kandidieren wolle.

Beim zweiten Anlauf gelang ihm 2014, unter dem Banner der PO, der Aufstieg zum Bürgermeister. Er ließ das Warthe-Ufer aufpolieren, Stadtteilinitiativen fördern, die Theaterszene subventionieren und Fahrradwege bauen. So gilt Posen heute als trendigste Stadt Polens. 

Jaskowiaks Rolle im heutigen Polen erinnert etwas an die Rolle seines Vorgängers‚ des Nationalliberalen Richard Witting, in deutscher Zeit. Auch Witting, der ebenfalls aus armen Verhältnissen stammte, hatte sich als Oberbürgermeister von Posen, wo er von 1891 bis 1902 wirkte, große Verdienste erworben, die ihn für Höheres qualifizierten. In wenig mehr als einem Jahrzehnt hatte Wittig aus dem armseligen, abseits von aller Kultur gelegenen geruhsamen Ort ein modernes Gemeinwesen mit stark entwi-ckeltem Geschäftsverkehr, blühender Industrie und Verwaltungssitz der Ostmark gemacht. Die Stadt Posen ernannte ihn zum Ehrenbürger und benannte eine Straße nach ihm.