19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.12.18 / Und spielt und spielt / Mit 95 Jahren voll im Geschäft – Der älteste Konzertpianist der Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-18 vom 14. Dezember 2018

Und spielt und spielt
Mit 95 Jahren voll im Geschäft – Der älteste Konzertpianist der Welt
Helga Schnehagen

Stehende Ovationen sind Menahem Pressler gewiss. So feierte ihn auch die Hamburger im August in ihrer Elbphilharmonie, wo der Pianist im Rahmen des Schleswig-Holstein-Musikfestivals mit Werken von Mozart, Schumann, Debussy und Chopin sein Debüt im großen Saal gab, mit nicht enden wollendem Applaus. Zwei Zugaben er­trotzte es sich. Auch nach zwei Stunden versagte die Tastenkunst des Pianisten nicht. Im Gegenteil: Mit Chopins „Nocturne cis-Moll“ und Debussys „Clair de Lune“ setzte er dem Konzert zum Abschluss noch ein brillantes Sahnehäubchen auf. 

Wie gewohnt zelebrierte Pressler sein Spiel, ließ seine Finger gefühlvoll über die Tasten gleiten und die Töne federleicht durch den Konzertsaal schweben. Presslers filigraner Anschlag erzeugte in dem Konzertraum höchsten harmonischen Wohlklang, der in dem hochakustischen Saal keine automatische Selbstverständlichkeit ist.

Was treibt einen Musiker dazu, sich noch im hohen Alter von bald 95 Jahren solchen Konzert-Strapazen auszusetzen? „Wenn ich spiele, bin ich niemals älter als 50. Wenn ich unterrichte, bin ich niemals älter als 40. Nur wenn ich die Treppen raufgehen muss, dann ist mein volles Alter da“, scherzte Pressler anlässlich der Verleihung des Echo-Klassik für sein Lebenswerk 2015 in Berlin. Heute muss sich der Künstler auch auf der Ebene stützen lassen. Ohne seine Vertraute und Managerin Lady Annabelle Weidenfels geht es nicht mehr. Die hochgewachsene blonde Frau wirkt mit ihren 72 Jahren geradezu wie ein junges Mädchen an seiner Seite.

Der schmächtige Grandsei­gneur am Klavier hatte den Echo wohlwollend angenommen, ob­wohl er auf seiner Homepage schreibt: „Es gibt keinen Preis für das Lebenswerk. Erst wenn du im Grab liegst und alles getan hast, was du tun konntest, kann ein solcher Preis verliehen werden. Ich habe immer sehr, sehr hart gearbeitet und arbeite immer noch sehr, sehr hart. Ich habe nie daran gedacht, weniger zu arbeiten.“ Der Widerspruch sei ihm verziehen. Möge er noch viele Jahre bestehen bleiben. 

Von Presslers Lebensmotto, besonders dessen drittem Teil, profitieren nicht zuletzt auch alle seine Zuhörer. „Wenn du die Zeit anhalten willst, küss. Wenn du durch die Zeit reisen willst, lies. Und wenn du der Zeit entfliehen willst, musizier“, verriet er in einem Interview zu den Ludwigsburger Schlossfestspielen. An dem Künstler soll es nicht liegen. Pressler ist bis 2019 ausgebucht!

Menahem Pressler wurde am 16. Dezember 1923 in Magdeburg als Max Pressler geboren. 1939 floh er mit seiner jüdischen Familie nach Palästina. Der Sieg des Debussy-Klavierwettbewerbs in San Francisco 1946 war der Startschuss für eine grandiose Karriere. 1955 gründete er das Beaux Arts Trio, das sich zu einer weltweit führenden Kammermusikformation entwickelte, und ließ sich in Bloomington, Indiana, nieder. Als sich das Trio – mit dem Violinisten Daniel Hope und dem Cellisten Antonio Meneses – 2008 trennte, zählte Pressler 85 Jahre und startete als Solist noch einmal durch. 91-jährig gab er 2014 sein Debüt bei den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.


Infos: Film-Doku „The Life I Love – The Pianist Menaham Pressler“. Buchtipp: „Dieses Verlangen nach Schönheit – Menahem Pressler im Gespräch mit Holger Noltze“ (Edition Körber 2016, 18 Euro).