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14.12.18 / Anschlag auf Kant-Denkmal in Königsberg / Veteranen hetzen gegen den deutschen Philosophen – Gouverneur Alichanow spricht von Provokation der Polittechnokraten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-18 vom 14. Dezember 2018

Anschlag auf Kant-Denkmal in Königsberg
Veteranen hetzen gegen den deutschen Philosophen – Gouverneur Alichanow spricht von Provokation der Polittechnokraten
Jurij Tschernyschew

Der Philosoph Immanuel Kant ist eines der bekanntesten Markenzeichen des Königsberger Gebiets. Nun steht er im Mittelpunkt eines Skandals. In Königsberg wurden  das Denkmal und das Grab des Philosophen Opfer von Vandalismus.

Früh morgens wurde das Denkmal des Philosophen gegenüber der Albertina [Baltische Staatliche Universität Kant]  mit rosa Farbe beschmiert. Den Anschlag hat eine Überwachungskamera gefilmt. Ein Wächter, der gerade die Universität umrundete, sah einen Mann weglaufen. Neben dem Denkmal lagen Flugblätter, mit denen sich die Täter an die Studenten mit den Worten wandten, dass sie „in Mauern, die den Namen des Feindes tragen“ studierten. Weiter hieß es: „Bekreuzigt Euch mit dem orthodoxen Kreuz vor diesem feindlichen Namen, vor einem Deutschen, dessen Volk uns so viel Leid gebracht hat.“ Dann folgte ein Appell: „Kant hat das russische Land verraten, das ihn aufgenommen hat. Zerreißt die Schilder und entfernt den fremden Namen aus Euren Dokumenten.“ Ironie des Schicksals: Die Farbe, die über das Denkmal gegossen wurde, war in einer Cognac-Flasche der Marke „Altes Königsberg“ abgefüllt. Die Reste lagen neben dem Denkmal.

Das heutige Kant-Denkmal ist eine Rekonstruktion der Skulptur von Christian Rauch, die in der Vorkriegszeit vor der Albertina gestanden hatte. Der Bildhauer der jetzigen Skulptur, die 1992 an ihrem historischen Ort aufgestellt wurde, ist Harold Haake. Das Denkmal hat den Status eines Objekts von kultureller Bedeutung und steht unter staatlichem Schutz. In derselben Nacht hatten die Übeltäter auch das Kantgrab am Dom  beschmutzt. Auch dort wurden sie von Überwachungskameras gefilmt. Außerdem wurde die Tafel an Kants Wohnhaus besudelt. 

Auch am Kant-Grab lagenFlugblätter verstreut, diesmal jedoch mit etwas anderem Inhalt: „Umso erfreulicher ist die Nachricht, dass der Name des deutschen Kant unseren Flughafen nicht verunreinigen wird!“. Also richtet sich die Aktion unmittelbar gegen die kürzlich erfolgte Abstimmung für die Umbenennung des Flughafens Powunden [Chrabrowo]. Unter den Vorschlägen war auch der Name Kants. 

Vor einiger Zeit ergriffen das russische Ministerium für Kultur und die Gesellschaftskammer eine Initiative, Flughäfen mit „berühmten Namen Russlands“ zu versehen. Die Initiative betraf auch den Flughafen Powunden [Chrabrowo]. Auf die Königsberger Liste schafften es neben Immanuel Kant Zarin Elisabeth Petrowna, Marschall Alexander Wassiljewskij und General Iwan Tschernjachowskij. 

Der Name Kant führte während der gesamten Abstimmung, bis sich plötzlich ein Abgeordneter der Staatsduma aus Tatarstan, Marat Barijew, gegen die Wahl der Gebietsbevölkerung aussprach. Veteranen aus dem Gebiet Iwanowsk, in dem General Wassiljewskij geboren wurde, hätten sich an ihn gewandt und ihn gebeten nicht zuzulassen, dass der Flughafen nach einem Deutschen benannt werde. Sie hätten gesagt, es wäre beschämend, wenn Kant, der nichts für das Land getan habe, gewänne.

Dabei haben Rentner aus Königsberg überhaupt nicht protestiert. Wladimir Wukolow von der „Partei der Pensionäre“ teilte mit, in seiner Organisation sei die Frage erörtert worden und niemand habe etwas gegen den Namen Kant einzuwenden gehabt. „Das ist ein einheimischer Name für uns. Wir leben gut mit der Kultur zusammen, die wir geerbt haben. Wir begegnen diesem Nachnamen jeden Tag und wir sind stolz, dass wir solche Landsleute haben, die einst auf dieser Erde gewirkt haben.“

Der Abgeordnete des Königsberger Gebiets in der Staatsduma Alexander Pjatikop, dagegen teilt den Standpunkt des Abgeordneten aus Tatarstan und gab eine neue Umfrage in Auftrag, um die „wirkliche“ Auffassung der Bewohner des Gebiets herauszufinden.

Innerhalb eines Tages lag plötzlich Elisabeth Petrowna vor Kant und siegte in der Abstimmung. 144000 Menschen hatten sich an der Umfrage beteiligt. Am Ende führte Zarin Elisabeth mit 34, Immanuel Kant und Alexander Wassiljewskij jeweils mit 27 und Iwan Tschernjachowskij mit elf Prozent der Stimmen.

Nur die wenigsten Bewohner des Königsberger Gebiets haben eine Vorstellung davon, was Elisabeth Petrowna mit der Region verbindet. Wie sie plötzlich so populär werden konnte, bleibt ein Rätsel. Vor Kurzem trat aber der Stabschef der Baltischen Flotte, Vize-Admiral Igor Muchametschin, vor Matrosen auf und sagte wörtlich: „Um über Kant zu sprechen: dieser Mensch hat seine Heimat verraten. Er erniedrigte sich und kroch auf Knien, um an der Universität einen Lehrstuhl zu bekommen. Er schrieb einige unverständliche Bücher, die keiner der hier Stehenden gelesen hat und niemals lesen wird.“ Er forderte das Militär und dessen Familien auf, für Marschall Wassiljewskij zu stimmen.

Wer sich mit der Geschichte Ostpreußens befasst hat, weiß, dass russische Offiziere sehr wohl die Möglichkeit hatten, sich mit den Arbeiten des Philosophen Kant vertraut zu machen. Und zwar im 18. Jahrhundert. Während der vier Jahre, die das Gebiet von russischen Streitkräften besetzt war und unter russischer Verwaltung stand, wurde den Offizieren der zaristischen Armee dringend empfohlen, Vorlesungen an der Albertina zu besuchen. Unter den beliebtesten waren Immanuel Kants Seminare zu Metaphysik, Pyrotechnik und Fortifikation.

Die Meinungen über die Hintergründe des Anschlags gehen auseinander. Der Direktor der Universität, Klemeschew, sieht einen Zusammenhang mit der Abstimmung. Gouverneur Anton Alichanow erklärte: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um Manipulatoren der öffentlichen Meinung aus den Reihen der Polittechnologen handelt.“ Auch der Vorsitzende des Königsberger Stadtrats, Andrej Kropotkin, glaubt, dass es sich um eine Provokation handelt: „Ich glaube nicht, dass es nur ein paar Hooligans waren, das war geplant.“

Von den politischen Parteien meldeten sich als erstes Vertreter von „Jabloko“ zu Wort: „Wir halten es für angebracht, an die Worte des Präsidenten ... Wladimir Putin bei einem Treffen mit Studenten der Baltischen Staatlichen Universität im Jahr 2013 zu erinnern: ,Kant kann und soll nicht nur ein Symbol für Ihre Universität sein, sondern in gewissem Sinne ein Symbol der gesamten Region, des gesamten Kaliningrader Gebiets,  ... eines seiner ersten grundlegenden Werke ist die Abhandlung ,Zum ewigen Frieden‘. In der Tat ist dies der erste Versuch, die Einigung Europas nach dem Siebenjährigen Krieg zu rechtfertigen. Es ist eine philosophische, religiöse, kulturelle Rechtfertigung für den Einigungsprozess in Europa. In diesem Sinne stellt die Figur Kants sein Symbol für die heutige Weltordnung dar.“

Gemäß dem Erlass des Präsidenten vom 28. November 2018 wird es nun überhaupt keinen Namenszusatz für den Königsberger Flughafen geben. Die Mehrheit der Bevölkerung des Gebiets wie auch Gouverneur Alichanow sind der Meinung, dass der Flughafen keinen anderen Namen bekommen sollte. 

Das Kant-Denkmal und das Grab wurden unmittelbar nach dem Farbanschlag gereinigt.