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21.12.18 / Blondheitsgebot für Maria / Von Leonardo da Vinci bis Botticelli – Münchener Alte Pinakothek präsentiert Kostbarkeiten aus Florenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52-18 vom 21. Dezember 2018

Blondheitsgebot für Maria
Von Leonardo da Vinci bis Botticelli – Münchener Alte Pinakothek präsentiert Kostbarkeiten aus Florenz
Veit-Mario Thiede

Gefördert von Lorenzo dem Prächtigen. „Florenz und seine Maler“: Münchens Alte Pinakothek präsentiert Meisterwerke der Renaissance.

Fra Angelico, Sandro Botticelli, Leonardo da Vinci: Mit einer exzellenten Schau über das Florentiner Kunstschaffen des 15. Jahrhunderts weiht Münchens Alte Pinakothek den neu eingerichteten Bereich für Sonderpräsentationen ein. Ausgestellt sind 120 Werke von berühmten und zahlreichen weniger bekannten Renaissancekünstlern. Im Mittelpunkt steht die Malerei, aber auch Zeichnungen von Fra Bartolommeo oder Lorenzo Ghiberti, Reliefs von Andrea della Robbia und Kleinplastiken von Donatello sind zu sehen. 

Ausstellungskurator Andreas Schumacher bewundert die singuläre Innovationskraft, Qualität und Vielfalt der in Florenz erbrachten künstlerischen Leistungen und beurteilt die Arnostadt als Geburtsstätte der Renaissance. Deren Vertreter studierten die Werke der Antike mit dem Ziel, sie zu überbieten. 

Konzeptionelle und praktische Basis ihrer künstlerischen Aktivitäten war das Zeichnen, wie die Ausstellung zum Auftakt zeigt. Die Künstler kopierten Werkstattvorlagen, schufen Studienblätter nach lebenden Modellen und zeichneten Antiken. In der Malerei entwickelten sie vielfältige neue Ausdrucksformen für altbewährte christliche Motive. Die versetzten sie in die detailfreudig wiedergegebene Florentiner Le­benswirklichkeit und stellten die Heiligen gefühlsbetont dar, um die Anteilnahme der Bildbetrachter zu erwecken und dadurch deren Gläubigkeit zu stärken.

Zudem etablierten die Maler neue weltliche Bildgattungen wie Szenen aus der antiken Mythologie und griffen die bereits von den Niederländern eingeführte Porträtmalerei auf. Die ist mit schönen Beispielen von Filippino Lippi und Piero Pollaiuolo vertreten. Die porträtierten Damen sind stets blond. Damit entsprachen sie dem Schönheitsideal der Zeit.

Dem Blondheitsgebot ist auch die Heilige Jungfrau Maria unterworfen. Die Schutzherrin von Florenz tritt auf zahlreichen Werken in Erscheinung. Beliebte Themen der Andachtsbilder waren die Verkündigung und Maria mit dem Kind. Die Andachtsbilder dienten nicht nur dem stillen Gebet, sondern waren ebenso als luxuriöse Kunstwerke geschätzt. 

Besonders prächtig ist Fra Angelicos Madonnengemälde (um 1445/50) ausgefallen. Der links und rechts dargestellte Vorhang sieht wie Goldbrokat aus und auch die Heiligenscheine von Mutter und Kind sind betont kostbar gestaltet. Maria blickt ernst auf das Jesuskind. Der Kleine kümmert sich jedoch nicht um die Mutter, sondern kehrt uns das gedankenvolle Gesicht zu und hebt die rechte Hand zum Se­gensgestus. 

Während Fra Angelico auf würdevoll unterkühlte Repräsentation bedacht war, setzte Leonardo da Vinci im Gemälde „Madonna mit der Nelke“ (um 1475) auf Gefühlswärme. Auf die von der Mutter in der Linken gehaltene Nelke hat es der verspielte kleine Jesus abgesehen. Er zappelt mit den Beinen und streckt beide Hände nach der Blume aus. Das ist weit mehr als eine realitätsnahe Darbietung: Die Nelke ist Zeichen göttlicher Liebe und Symbol der Passion.

Sowohl Leonardo da Vinci als auch Sandro Botticelli waren Schützlinge von Lorenzo de’ Medici, „der Prächtige“ genannt. Die Mitglieder der reichen Ban­kiersfamilie besetzten höchste Führungsämter in der Republik Florenz. Als Förderer von Künstlern und Wissenschaftlern trugen sie wesentlich zur Entfaltung der Renaissance bei. 

Die anderen Patrizierfamilien eiferten ihnen nach. Davon kündet Botticellis Gemälde „Anbetung des Kindes durch die Heiligen Drei Könige“ (um 1475). Sein Auftraggeber war der Wechselmakler Guasparre di Zanobi del Lama. Es war für den Altar seiner als Grablege dienenden Kapellenstiftung bestimmt, die sich in der Florentiner Kirche Santa Maria Novella befand. Der in der rechten Gruppe des königlichen Gefolges dargestellte Stifter blickt zu uns, während er mit dem Zeigefinger auf sich deutet. 

Auch rechts vorn wendet sich eine Figur an uns. Vermutlich hat sich da Botticelli verewigt. Guasparres so fromme wie berechnende Bildbestellung offenbart Jenseitsvorsorge und verrät weltliches Kalkül. Denn mit dem Ge­mälde wollte er sich offensichtlich den Medici anbiedern. Gleich fünf ihrer Mitglieder ließ er ins Bild setzen. Lorenzo der Prächtige und sein Bruder Giuliano führen das in zwei Gruppen aufgeteilte Gefolge der Heiligen Drei Könige an. In deren Rollen huldigen die zur Entstehungszeit des Bildes bereits verstorbenen Cosimo so­wie seine Söhne Piero und Giovanni dem von Maria präsentierten Kind.

Den Schlusspunkt des Rundgangs setzt Botticellis gefühlsgeladene „Beweinung Christi“ (um 1490/95). Ohnmächtig sinkt Ma­ria zur Seite. Johannes steht ihr bei und sorgt zugleich dafür, dass der tote Jesus nicht vollends vom Schoß der Mutter rutscht. Zwei Klagefrauen halten Haupt und Füße des Herrn, dem Botticelli nach dem Vorbild klassischer an­tiker Bildwerke einen idealschönen Körper verliehen hat. Eine weitere Klagefrau betrachtet düster den blutigen Kreuzesnagel, den sie in der Linken hält. 

Botticelli hat drei in der konventionellen Bilderzählung nicht vorkommende Heilige hinzugebeten. Links neigen sich Hieronymus und Paulus in synchroner An­teilnahme gen Maria und Jesus. Rechts steht aufrecht und gefasst Petrus mit dem Himmelsschlüssel im Arm.

Bis 27. Januar in der Alten Pinakothek, Barer Straße 27, München, geöffnet Dienstag und Mittwoch von 10 bis 21 Uhr, Donnerstag bis Sonntag bis 18 Uhr, Eintritt: 12 Euro. Telefon (089) 23805216, Internet: www.pinakothek.de. Der im Hirmer Verlag erschienene Ausstellungskatalog kostet 34,90 Euro