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21.12.18 / Ja, ist denn schon Ostern? / Der nächste Traditionsbruch zu Weihnachten: Eier am Tannenbaum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52-18 vom 21. Dezember 2018

Ja, ist denn schon Ostern?
Der nächste Traditionsbruch zu Weihnachten: Eier am Tannenbaum
Helga Schnehagen

Bis vor Kurzem war die Welt noch in Ordnung. Zu Weihnachten wurden Ku­geln an den Tannenbaum gehängt, zu Ostern Eier an den Frühlingszweig. Das ist vorbei! Bei „Christmas in Salzburg“, dem ganzjährig geöffneten Fachgeschäft für Weihnachtsdekoration in der Ju­dengasse, dominiert eindeutig das Ei. Tausendfach bemalt und be­klebt, soll es auch zu Weihnachten den Christbaum schmücken. 

Ob Schneemann oder Schneelandschaft, Maria und Josef oder Weihnachtsmann, Engel oder Weihnachtsbaum, alles passt auf die weiße Schale des Hühnerprodukts. Von dem edlen Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule oder für alle Fälle – man weiß ja nie, wer seinen Fuß über die Ladenschwelle setzt – bis zur arabischen Moschee ist fast alles auf dem Ei zu haben, was das Herz erwärmen könnte. 

Und Weihnachten? Glaubt man den begeisterten Kommentaren im Internet, zählt alleine das kunstfertige Handwerk, der Glanz und das Funkeln von Brokat, Samt und Glitzerfarbe. Und wenn man es nicht ganz so genau nimmt, ist das Ei zu Weihnachten so abwegig nun auch wieder nicht.

In vielen Kulturen symbolisiert das Ei Fruchtbarkeit und neues Leben. Im Christentum wurde das Ei zum Symbol für die Auferstehung Jesu Christi. Somit stand das Ei symbolisch für das Grab in Jerusalem, aus dem der Heiland von den Toten auferstanden ist. Ob nun Geburt am Heiligen Abend oder Wiedergeburt am Ostersonntag – in beiden Fällen geht es doch um neues Leben, oder? Und Japanern, Chinesen, Koreanern und vielen anderen nicht-christlichen Besuchern der Mozartstadt sind Eier sicherlich vertrauter als Engel und Kugeln. Eier gibt es schließlich überall. 

Bei Käthe Wohlfahrt, der führenden Kette in Sachen Ganzjahres-Weihnachtsschmuck mit dem Deutschen Weihnachtsmuseum in Rothenburg ob der Tauber, hat das Ei zu Weihnachten allerdings noch keinen Einzug gehalten. Auch andere einschlägige Weih­nachtsmuseen hinken dem Zeitgeist hoffnungslos hinterher. Sie begnügen sich immer noch mit den traditionellen Klassikern 

in Sachen Weihnachtsbaumschmuck. Die Moderne zeigt sich höchstens in neuen Materialien oder neuen Formen der Anhänger und Krippenfiguren. Das Ei zu Weihnachten ist bisher definitiv nicht dabei.

Ein weiterer Vorteil ist nicht von der Hand zu weisen. Bei ge­schickter Ei-Auswahl können die ovalen Kunstprodukte unter Ausschluss der winterlichen Motive durchaus auch als Oster-Dekoration dienen. Bei den stattlichen Preisen ist die Doppelnutzung sowieso zu empfehlen. In Ab­wandlung der Böllschen Erzählung „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ müsste es dann heißen „Nicht nur zu Ostern“. Leider können wir nicht mehr erfahren, was Heinrich Böll aus dem Stoff gemacht hätte.