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04.01.19 / Italien vor der nächsten Krise / Stimmung in der Wirtschaft so schlecht wie die Aussichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-19 vom 04. Januar 2019

Italien vor der nächsten Krise
Stimmung in der Wirtschaft so schlecht wie die Aussichten
Peter Entinger

Kurz vor den Weihnachts-Feiertagen hatten sich Italien und die Europäische Kommission im Haushaltsstreit doch noch aufeinander zubewegt. Das Land steuert dennoch auf eine große Krise zu.

Nach zähen Verhandlungen mit Brüssel soll die Neuverschuldung Italiens im kommenden Jahr bei 2,04 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Ursprünglich waren 2,4 Prozent vorgesehen, was die EU-Kommission wegen der extrem hohen Staatsverschuldung Italiens als Verletzung der Euro-Stabilitätskriterien abgelehnt hatte. Der Kompromiss auf den letzten Metern war möglich geworden, weil auch Frankreich eine höhere Neuverschuldung plant. Die Aussichten Italiens für das kommende Jahr sind allerdings düster. Experten befürchten sogar, dass die Finanzmärkte durch Turbulenzen in Rom stärker reagieren könnten als durch den Brexit.

Wie das „Handelsblatt“ unlängst berichtete, würden sich in den Bilanzen von Italiens Banken Kredite in Höhe von rund 360 Milliarden Euro türmen, bei denen Kunden Probleme mit der Rückzahlung haben. Das entspräche einem Drittel der gesamten faulen Darlehen in der Euro-Zone. Betroffen seien viele Regionalbanken. Neben der jahrelangen Talfahrt der italienischen Wirtschaft liege dies nach Einschätzung von Fachleuten auch am Missmanagement bei der Vergabe von Krediten. „Italien kann eine größere Gefahr für die Eurozone werden als der Brexit“, erklärte Neil Wilson von der Handelsfirma ETX Capital gegenüber dem Handelsblatt.

Die Aufseher der Europäischen Zentralbank sind alarmiert. In einem Schreiben drängen sie die von faulen Krediten besonders belastete Großbank Monte dei Paschi di Siena zu einem drastischen Abbau der faulen Kredite. In den vergangenen Wochen hatten die angeschlagenen Banken des Landes für massive Schlagzeilen gesorgt. So musste die Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena mit Staatshilfen gerettet werden. Das schlug sich auch gravierend auf die Neuverschuldung des Staates durch.

Die Turbulenzen des italienischen Bankensektors sind damit offenbar noch nicht beendet: Der italienische Bankenverband ABI rechnet nach einem Bericht von „Spiegel Online“ damit, dass sich die Zahl der Geldhäuser schon im kommenden Jahr deutlich verringern wird. Der Generaldirektor der Bankenvereinigung, Giovanni Sabatini, sagte der „Börsenzeitung“, in Italien würden „bis Ende 2019 von den mehr als 500 Instituten nur noch 110 Bankengruppen oder unabhängige Banken übrig bleiben“.

Die Sieneser Bank war dabei wohl nur die Spitze des Eisbergs. Wie die „Wirtschaftswoche“ schreibt, hat vor allem das schwache Wirtschaftswachstum viele italienische Geldhäuser geschwächt. Anders als viele Krisenbanken anderer Länder hätten sich Italiens Geldhäuser nicht so sehr mit fragwürdigen Produkten verzockt. Stattdessen hänge ihr Schicksal überdurchschnittlich häufig am Zustand der mittelständischen Wirtschaft. „Geht es der schlecht, drohen unverhältnismäßig viele Kredite in den Bankbilanzen auszufallen“, lautet das Urteil. Und so wachsen auch bei der größten Bank des Landes, der Unicredit (auch die Mutter der deutschen Hypover­einsbank), die Sorgen vor neuen Problemen. Sie gilt als global systemrelevant. Eine Schieflage des Instituts könnte an den internationalen Finanzmärkten erheblichen Wirbel auslösen.

Offenbar gibt es vonseiten der Europäischen Zentralbank Überlegungen, Italien mit finanziellen Hilfen die ganz große Krise zu ersparen. Wie aus EU-Kreisen verlautete, seien diese Gedanken allerdings noch in einem sehr frühen Stadium. Die angeschlagenen Banken Italiens bräuchten allerdings schnell Staatshilfe, erklärte der Vizepräsident des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, Phi­lipp Hildebrand, in der „Financial Times“. Eine solche Hilfe sollte allerdings mit der klaren Vorgabe an die Institute einhergehen, endlich strukturelle Reformen anzugehen. Dann bestehe die Chance, den Bankensektor wirklich zu stärken und die Hilfsgelder zu­rück­zubekommen.

Dennoch hat sich die Stimmung in Italiens Wirtschaft zum Jahres­ende massiv verschlechtert. Die Links-Rechts-Regierung aus Fünf Sternen und Lega vermeldet zwar innenpolitische Erfolge und hohe Zustimmungswerte wegen ihrer Flüchtlingspolitik. Aber vor allem die Industrie drängt zu mehr Reformen. So fordern Wirtschaftsverbände, die insgesamt drei Millionen Firmen mit 13 Millionen Beschäftigten repräsentieren und die zusammen 65 Prozent des italienischen Bruttosozialprodukts und 80 Prozent der Exporterlöse erwirtschaften, eine andere Politik.

„Wir können so nicht weitermachen“, klagte Gabriele Buia, Sprecher der Bauwirtschaft, derzeit lägen längst beschlossene „Projekte für 25 Milliarden Euro still“. Die Regierung habe sich einen unnötigen Kleinkrieg mit Brüssel geliefert und zu Hause für einen massiven Stillstand gesorgt.

Die Zahlen sind beunruhigend. Im dritten Quartal 2018 war die Wirtschaftsleistung erstmals seit mehr als drei Jahren rückläufig, die Zahl der Arbeitslosen sinkt nicht mehr, dagegen die der Beschäftigten. Die Angst vor einer Rezession wächst, zumal sie von Analysten, wie jüngst erst von Goldman Sachs, schon für Anfang 2019 vorausgesagt wird. Kenner der italienischen Szene befürchten Demonstrationen und Streiks.