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04.01.19 / Hang zur Phantastik / Werke des böhmischen Malers Alfred Kubin in München ausgestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-19 vom 04. Januar 2019

Hang zur Phantastik
Werke des böhmischen Malers Alfred Kubin in München ausgestellt
Veit-Mario Thiede

Nach eigenen Worten ging es Alfred Kubin (1877–1959) in seinen unheimlichen Zeichnungen darum, „diese verdrehte Welt zu spiegeln“. Dafür schätzten ihn Wassily Kandinsky und Franz Marc, welche die Redaktion des Blauen Reiters bildeten. Sie luden Kubin ein, sich an ihren Projekten zu beteiligen. Das veranschaulicht jetzt die noch bis zum 17. Februar im Münchener Lenbachhaus laufende Ausstellung „Phantastisch!“ mit Werken und Dokumenten Kubins und aus dem Künstlerkreis des Blauen Reiters.

Die meisten Exponate stammen von Kubin. Er bekannte: „Ich hatte von jeher einen eigentümlichen Hang zur Übertreibung und Phantastik.“ Das bestätigt die frühe Federzeichnung „Die Menschen tanzen gerne“ (1899). Sie zeigt ein Tanzpaar, dessen untere Körperzone aus bloßen Knochen besteht. Auf vielen Blättern dämonisiert Kubin die Frau. Sie bringt Tod und Verderben, wie etwa „Die Dame auf dem Pferd“ (1900/01) veranschaulicht. Auf einem mit Wiegemessern unter den Hufen ausgerüsteten Schaukelpferd sitzt eine schwarz gekleidete Dame. Mit ihrem Wiegeritt zerstückelt sie winzig kleine Männer.

Auf Kubins Gouache „Verpuppte Welt“ (1906) gleißt aus der Dunkelheit ein grotesk ausgeformtes Wesen hervor. Es stößt durch zwei kurze Rüssel Gase aus. Wie romantisch erscheinen gegen solche Ausgeburten der Fantasie Kubins die etwa zeitgleichen Gouachen Kandinskys. Besonders anziehend ist sein Bild „Die Nacht“ (1903): Eine märchenhaft gekleidete junge Schönheit schreitet vorüber und wendet uns freundlich ihr Antlitz zu. Einige Jahre später schwang sich Kandinsky zum Wegbereiter der abstrakten Malerei auf. Damit aber kam er bei vielen Mitgliedern der Neuen Künstlervereinigung München schlecht an. Deshalb verließ er 1911 mit Marc, Münter und Kubin die Künstlervereinigung. Der Austritt beflügelte die Aktivitäten der Redaktion des Blauen Reiters. In der von internationalen Künstlern be­schickten ersten Schau des Blauen Reiters fehlte Kubin. Aber in der zweiten Ausstellung war er mit elf Blättern vertreten, und im Almanach sind drei seiner Zeichnungen abgedruckt.

Auf Einladung Marcs beteiligte sich Kubin mit weiteren Künstlern am letzten Projekt des Blauen Reiters: der Illustration der Bibel. Es ist kaum bekannt, weil die meisten Beteiligten nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Arbeit an den Illustrationen aufgaben. Marc etwa, der die Genesis bebildern wollte, hat wenig mehr als den Farbholzschnitt „Geburt der Pferde“ (1913) vollendet. Kubin hingegen schloss seine Illustration des Buches Daniel ab. Im Lenbachhaus ausgestellt ist das mit Drucken nach seinen Zeichnungen 1918 veröffentlichte Mappenwerk.


Bis 17. Februar im Lenbachhaus, Luisenstraße 33, München, geöffnet: Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, dienstags bis 20 Uhr, Eintritt: 10 Euro. Infos im Internet: www.lenbachhaus.de