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04.01.19 / Tod zweier Revolutionäre / Der Spartakusaufstand vor 100 Jahren in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-19 vom 04. Januar 2019

Tod zweier Revolutionäre
Der Spartakusaufstand vor 100 Jahren in Berlin
Wolfgang Kaufmann

Vor 100 Jahren tobte in Berlin ein Aufstand, mit dem die ersten reichsweiten freien Wahlen nach der Novemberrevolution verhindert werden sollten. Dieser sogenannte Spartakusaufstand ging zwar zunächst nicht vom kommunistischen Spartakusbund aus, doch stellten sich führende Spartakisten alsbald an die Spitze der Aufständischen. 

Im Zuge der Novemberrevolution von 1918 wurde eine provisorische Reichsregierung aus je drei Vertretern der SPD und deren linker Abspaltung Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) gebildet. Dieser sogenannte Rat der Volksbeauftragten stand unter der faktischen Leitung des SPD-Vorsitzenden Fried­rich Ebert und strebte umgehende Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung an, die dem Land neben einer neuen Verfassung auch eine demokratisch legitimierte Regierung geben sollte. Dem stimmte am 16. Dezember 1918 auch der Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte mit rund 400 gegen 50 Stimmen zu. Das war allerdings nicht im Sinne jener linksradikalen Kräfte, die sich im marxistischen Spartakusbund und anderen Gruppierungen gesammelt hatten und am 1. Januar 1919 unter maßgeblicher Beteiligung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gründeten. Diese befürworteten die Fortsetzung der Revolution zur Vorantreibung der Sozialisierung – was das Weiterbestehen des Rätesystems erforderte. Damit war der Konflikt programmiert, doch fehlte noch ein konkreter Anlass für dessen Ausbruch.

In jener kritischen Übergangsphase von der Revolution zur parlamentarischen Republik kam es ab dem 23. Dezember 1918 zu den sogenannten Weihnachtsunruhen. Sie resultierten aus einer Meuterei der Volksmarinedivision, die eigentlich die provisorische Regierung schützen sollte, und en­de­ten mit der Niederschlagung der Erhebung durch preußische Truppen unter Generalleutnant Arnold Lequis auf Befehl der drei SPD-Volksbeauftragten Friedrich Ebert, Phi­lipp Scheidemann und Otto Landsberg. Während der Kämpfe hatte sich der Berliner Polizeipräsident Emil Eichhorn, ein radikaler Linker von der USPD, geweigert, die ihm unterstellte Sicherheitswehr gegen die Insurgenten einzusetzen. Hierdurch verlor er das Vertrauen Eberts. Gleichzeitig traten die drei USPD-Vertreter im Rat der Volksbeauftragten, Hugo Haase, Wilhelm Dittmann und Emil Barth, wegen des Schießbefehls gegen die rebellierenden Matrosen aus dem Gremium aus. Daraufhin traten die SPD-Mitglieder Gustav Nos­ke und Rudolf Wisell in den Rat ein, den die USPD nun nicht mehr als rechtmäßige Übergangsregierung anerkannte. Trotzdem erlangte Ebert die Zustimmung des Vollzugsrates des Arbeiter- und Soldatenrates Groß-Berlin und des Zentralrates der Deutschen Sozialistischen Republik, Eichhorn abzusetzen. Die Entlassung des Polizeipräsidenten am 4. Januar 1919 brachte auf Seiten der Linksradikalen das Fass zum Überlaufen.

Noch am selben Tage beschloss der Vorstand der Berliner USPD zusammen mit den der Partei nahestehenden revolutionären Obleuten, eine Großdemonstration gegen die Politik des Rates der Volksbeauftragten abzuhalten. Diese fand am 5. Januar statt und lief schnell aus dem Ruder. Rund 3000 bewaffnete Linke stürmten und besetzten die Druckereien des sozialdemokratischen „Vorwärts“ und des „Berliner Tageblatts“ sowie weitere Pressegebäude, aber auch zentrale Behörden und Bahnhöfe der Hauptstadt. Anschließend solidarisierten sich die Spitzen von USPD und KPD mit den Aufständischen und bildeten einen 53-köpfigen sogenannten Revolutionsausschuss unter der Leitung des USPD-Politikers Georg Ledebour und des Spartakisten Karl Liebknecht. Der Ausschuss rief am 6. Januar zum Generalstreik auf und erklärte die Regierung Ebert für abgesetzt. Seinem Aufruf zu einer Demonstration folgten 500000 Teilnehmer. Die Demonstration blieb friedlich, zeigte jedoch den Einfluss des Ausschusses. Das führte zum Streit im Revolutionsausschuss, wie dieser Einfluss zu nutzen sei. Liebknecht plädierte vehement dafür, den Rat der Volksbeauftragten nun mit Waffengewalt zu stürzen, um die für den 19. Januar angesetzten Wahlen zur Nationalversammlung zu verhindern und eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild zu schaffen. Hieraufhin proklamierten die revolutionären Obleute und der Zentralvorstand der Berliner USPD und der KPD in einem gemeinsamen Aufruf den Kampf gegen „die Judasse in der Regierung … Sie gehören ins Zuchthaus, aufs Schafott … Gebraucht die Waffen gegen eure Todfeinde.“

Auf der Gegenseite wurde ebenfalls damit gedroht, dass „die Stunde der Abrechnung naht“. Die Verantwortung hierfür lag in den Händen von Noske, den Ebert am 7. Januar mit dem Oberbefehl über die regierungstreuen Truppen in und um Berlin betraut hatte. Der SPD-Politiker war bereit, die Rolle des „Bluthundes“ zu übernehmen, um der parlamentarischen Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Kämpfe begannen am 8. Januar nach ergebnislosen Verhandlungen zwischen der Übergangsregierung und den Aufständischen mit der Erstürmung erster besetzter Gebäude durch reguläre Soldaten und auch Freikorps unter dem Befehl Noskes. Am 10. Januar 1919 attackierte das Freiwilligen-Regiment Reinhard das Hauptquartier von Liebknecht und dessen Genossen. Dem folgte am Tag darauf der Einsatz gegen die Besetzer der „Vorwärts“-Druckerei. Bis zum 12. Januar konnten die Noske-Truppen die Kontrolle über Berlin zurück­erlangen. Bei den Auseinandersetzungen kamen späteren Untersuchungen zufolge 156 Aufständische und 13 Militärs ums Leben. Am 13. Januar feierte die Berliner Presse die Wiederherstellung von „Ruhe und Ordnung“. Wenig später, am 15. Januar, exekutierten Freikorps-Angehörige die nunmehr als Putschisten gesuchten KPD-Führer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ohne reguläres Gerichtsverfahren.

Vier Tage später fanden die Wahlen zur Nationalversammlung statt, welche die linksradikalen Kräfte versucht hatten zu verhindern. Die SPD ging daraus mit 37,9 Prozent als stärkste Kraft hervor, während die USPD nur auf 7,6 Prozent kam und die KPD gar nicht erst antrat. Für eine rot-rote Mehrheit reichte es also nicht. Statt mit der USPD ging die SPD mit den bürgerlichen Partnern des Interfraktionellen Ausschusses (IFA) der Kaiserzeit beziehungsweise deren Nachfolgern eine Koalition ein, die sogenannte Weimarer Koalition. In der durch die Tötung von Luxemburg und Liebknecht geköpften Kommunistischen Partei Deutschlands erlangte in der Folgezeit der mos­kauhörige Flügel um Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht das Übergewicht, wovon sich die KPD nicht mehr erholte.