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04.01.19 / Lust auf Krabben / Nostalgischer Charme – Das ostenglische Seebad Cromer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-19 vom 04. Januar 2019

Lust auf Krabben
Nostalgischer Charme – Das ostenglische Seebad Cromer
Bettina Müller

Reisende, die sich mit dem Zug in die östlichste Grafschaft Großbritanniens aufmachen, benötigen Geduld. Insbesondere die letzte Etappe von Norwich nach Cromer in der kleinen Regionalbahn entschädigt dann für die lange Anfahrt. Der Blick aus dem Fenster wird zum Blick in die Vergangenheit. 

Vor 100 Jahren mag es genauso ausgesehen haben wie heute: verwunschene Dörfer, aus der uralte Kirchtürme herausragen, eingebettet in eine grüne, beschauliche Landschaft, die wie aus der Zeit gefallen scheint. 

Seit der Anbindung an das Eisenbahnnetz im Jahr 1877 hat sich der Ort von einem eher verschlafenen Fischerdorf zu einem besonders bei Engländern beliebten Badeort gewandelt. Mehrere große Hotels siedelten sich an, von denen der viktorianische Koloss Hotel de Paris direkt vor der Pier den Zweiten Weltkrieg überdauert hat. 

Als Seebad bekannt ist Cromer schon seit 1795, doch durch seine abgeschiedene Lage wurde es im Laufe der Zeit nie zu einem trendigen Brighton. Es ist der nostalgische Charme, der den Ort besonders macht, kein anderes Seebad in England hat zudem noch ein Theater auf der Pier, das noch in Betrieb ist. Es gibt sie noch in vielen englischen Badeorten, die klassischen Seebrücken, die Traumstege ins Meer. Manche sind komplett dem Feuer zum Opfer gefallen, andere vegetieren als Ruine vor sich hin. 

Nähert man sich schließlich Cromer an Norfolks Nordseeküste, wird man schon von Weitem von dem nicht zu übersehenden Kirchturm der Pfarrkirche St. Pe­ter and Paul begrüßt. Mit seinen fast 49 Metern ist er der höchste in der ganzen Grafschaft. Cromer ist mittelalterlichen Ursprungs, gegründet aus der Not heraus, als der Ort Shipden im Meer versank. Seitdem ranken sich Legenden um das vom Meer verschlungene Dorf. Ging ein Schiff vor Cromer unter, so erzählte man, war der Kirchturm von Shipden schuld, der das Leck im Schiff verursacht haben soll. 

Doch in Seenot geratene Menschen konnten sich ab 1894 sicher sein, dass einer der örtliche Seenotretter, Henry George Blogg, alles daran setzen würde, sie vor dem qualvollen Tod im Wasser zu bewahren. In England ist der 1876 geborene Blogg eine Legende. Mit elf Jahren verließ er die Schule, um auf dem Krabbenfänger seines Stiefvaters zu arbeiten, bis heute gelten die Cromer Crabs in England als Delikatesse. 1894 trat er der örtlichen See­notrettungsmannschaft bei und wurde 1909 zu deren Steuermann gewählt. 38 Jahre lang wurde er zu unberechenbaren Einsätzen gerufen. Dabei rettete er mit seiner Mannschaft über 873 Menschen und einem Hund das Le­ben: ein Tiroler Sennenhund, den die Besatzung zurück­gelassen hatte, wurde sein treuer Begleiter. 

Eine Dauerausstellung im Henry-Blogg-Museum von Cromer erinnert heute an den Hund Monte, Henry und alle anderen Helden der ostenglischen Seenot­rettung.